Nachdem sich das globalisierungskritische Netzwerk Attac Deutschland vor fünf Jahren gegründet hatte, wurde es rasch von Mitgliedsanträgen nur so überhäuft. Zweieinhalb Jahren später zählte die Organisation bereits 10.000 Mitglieder, heute sind es 16.500. Das schnelle Wachstum hat sich zwar stark verlangsamt aber die Unkenrufe aus der konservativen Presse, Attac wäre bald wieder von der Bildfläche verschwunden, bewahrheiteten sich nicht. Die bunte Vereinigung trat anfangs mit einer Kritik an den internationalen Finanzmärkten und der Forderung nach einer Tobin-Steuer auf die politische Bühne. Später widmete sie sich auch anderen Politikfeldern - fast alle gesellschaftlichen Bereiche sind schließlich von Globalisierungsprozessen durchdrungen. Attac konnte nicht allen glaubwürdig gerecht werden und wurde bisweilen als Gemischtwarenladen belächelt. Wenn die Themenvielfalt für Attac-Mitglieder selbst unübersichtlich wird, reden sie, als seien sie die soziale Bewegung. Von Anfang verwarf man die Idee, sich in Form einer Partei zu engagieren und trat Versuchen entgegen, von einer solchen vereinnahmt zu werden. Ein ihren Zielen nahestehendes Parteienbündnis aus PDS und WASG ändert nichts an der Position, auch künftig nur außerparlamentarisch Einfluss nehmen zu wollen, selbst wenn einzelne Attac-Mitglieder begeistert sind und sich für das neue Linksbündnis engagieren.
Im Attac-Koordinierungskreis hofft man, ein Linksbündnis im Bundestag würde dem neoliberalen "hegemonialen Block" aus CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen etwas entgegensetzen. Peter Wahl, Gründungsinitiator und Mitglied des Koordinierungskreises von Attac erwartet eine fruchtbare Zusammenarbeit: "Ich fände es sinnvoll, wenn sich dieses Bündnis offen zeigt gegenüber der sozialen Bewegung, der Friedens-, Umwelt- und Frauenbewegung und eine Kooperation mit ihr institutionalisiert." Diese ginge für ihn über Kandidatenfragen auf offenen Listen hinaus. Das Bündnis sollte seiner Ansicht nach die soziale Bewegung auch bei der Programmatik konsultieren. Zwar wird eine Wahlempfehlung nicht ausgesprochen, doch will Attac aktiv am Wahlkampf teilnehmen, mit Themen, die sich mit dem Programm eines PDS/WASG-Bündnisses überschneiden könnten. Die Meinungen, die das neue Bündnis als Konkurrenz empfinden, halten sich in Grenzen. Werner Rätz, ebenfalls Mitglied im Attac-Koordinierungskreis, berichtet mit Blick auf die Grünen, wie er in den achtziger Jahren erlebt hat, dass die Bewegung, die "eigentlich das Standbein sein sollte, blitzschnell zum Spielbein einer Partei wurde". Ein Teil der Mitglieder der WASG nähmen dieses Problem nicht in der notwendigen Klarheit wahr. "Gerade Leute, die bei Attac und in der WASG sind, sehen nicht immer den Unterschied zwischen den beiden Ebenen, auf denen sie aktiv sind. Attac muss da sehr wach sein und darauf achten, nicht instrumentalisiert zu werden."
Inhaltlich sieht man bei Attac große Gemeinsamkeiten mit dem Linksbündnis wie zum Beispiel bei der Steuerpolitik. Doch es existieren dort auch Sichtweisen, die mit Skepsis betrachtet werden. Werner Rätz sieht einen grundlegenden Unterschied: "Das Linksbündnis definiert Ökonomie wie die gesamte bürgerliche Volkswirtschaft als Verwaltung des Mangels. Bei Attac gehen wir davon aus, dass genug für alle da ist und man mit dem gesellschaftlichen Reichtum nur gerecht umgehen muss. Deshalb fordern wir ein bedingungsloses Grundeinkommen. Dies wird von Teilen des Linksbündnisses abgelehnt." Rätz führt dies auf unterschiedliche Denkweisen zurück: "Das wichtigste Kennzeichen unserer Gesellschaft ist nicht mehr Lohnarbeit, sondern Prekarität, also eine prinzipielle und fundamentale Verunsicherung aller Lebens- und Arbeitsbereiche. Mit dieser Einsicht tun sich traditionssozialistische Strömungen sehr schwer. In der Linkspartei wollen die meisten zurück zum kontrollierenden und patriarchalen Sozialstaat der fünfziger und sechziger Jahre."
Doch insgesamt stimmt die Annäherung von PDS und WASG die meisten Attac-Mitglieder optimistisch. Peter Wahl könnte sich sogar vorstellen, dass sich langsam das Meinungsklima zugunsten der Kritik an Globalisierung und Neoliberalismus verschiebt: "Die SPD ist gescheitert, weil sie die neoliberale Politik gnadenlos durchgezogen hat. Der Verfassungsprozess auf EU-Ebene ist gescheitert, weil die Kommissionspolitik in ihrem neoliberalen Charakter abgelehnt wird. Der Neoliberalismus steckt in einer Krise: er wird von immer mehr Leuten nicht mehr akzeptiert." Demnach käme das Linksbündnis gerade zur rechten Zeit - es würde diese Krise parlamentarisch verstärken. "Wenn das Bündnis sich weiterhin so lernfähig und flexibel zeigt wie in den vergangenen Wochen, könnte daraus sogar ein hochinteressantes Projekt einer modernen emanzipatorischen Partei werden", meint Wahl.
Prominentestes Mitglied bei Attac und von Anfang an dabei: Oskar Lafontaine, der jetzt Spitzenkandidat des Linksbündnisses werden soll. Wer sich noch an die Ablehnung von personalisierter Politik und prominentem Personal bei den Grünen erinnern kann, weiß, was Werner Rätz meint, wenn er mit Blick auf das Parteienbündnis ein Unbehagen formuliert: "Die Tatsache, dass dort eine wichtige Führungsfigur jemand ist, der schon einmal beinah Bundeskanzler geworden wäre, hätte man früher kaum mit einem Linksprojekt verbinden können."
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