Die Alternativlosen

Moorburg-Entscheidung Hamburgs Grüne zeigen, dass sie reif für die CDU sind

Nach solch fulminantem Scheitern, müssten da nicht Köpfe rollen? Sind Koalitionen nicht schon wegen Geringerem zerbrochen? Vergangene Woche genehmigte die grüne Hamburger Umweltsenatorin Anja Hajduk den Bau des umstrittenen Steinkohlekraftwerks Moorburg durch den Vattenfall-Konzern und brach mit dieser Entscheidung das wichtigste Wahlkampfversprechen der Hamburger GAL. Jetzt gibt sie öffentlich die Zerknirschte, die nicht anders konnte. Ein peinliches Bild. Doch die GAL-Senatorin in der ersten schwarz-grünen Landesregierung überlebt das Debakel bislang relativ unbeschadet.

Die gesamte Berliner Führungsriege ihrer Partei stellte sich unverzüglich hinter sie, gerade so, als sei nichts alternativloser gewesen als die Genehmigung eines der größten Kohlekraftwerk-Neubauten Europas. Grünen-Vorstand Jürgen Trittin erklärte: "Auch eine grüne Alleinregierung hätte das nicht anders entscheiden können." Doch, Moment mal, kann es wirklich sein, dass die GAL als sie versprach, sie werde "Moorburg" verhindern, "schlecht beraten" (Hajduk) war? Gab es keine Experten in der Partei, die einmal aufgeklärt hätten über die Unwahrscheinlichkeit eines Baustopps? Es gibt nur zwei Möglichkeiten: die Grünen waren entweder unendlich naiv oder schlicht und einfach dreist, indem sie das Unmögliche behauptet haben. Vieles spricht für Letzteres.

Von Anfang an war klar, dass es keine politische Neubewertung des geplanten "Klimakillers" geben würde. Im Koalitionsvertrag findet sich nur ein einziger Satz, in dem von einer rechtlichen Prüfung die Rede ist. Eine wasserrechtliche Begutachtung wurde der Öffentlichkeit schließlich als veritable Möglichkeit verkauft. Die geplante exorbitant hohe Entnahme und Erwärmung von Wasser würde die Fischschutzgebiete nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie gefährden. Vattenfall tat, was Bauherren in diesen Fällen tun, und bot einen Ausgleich an: Der Energieriese baut eben eine Fischtreppe, damit die Fische eine Staustufe überwinden können - eine Kleinigkeit für den Konzern. Und schon war Hajduk entwaffnet.

Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) lächelt in sich hinein und tröstet jetzt väterlich seine Senatorin, die alles richtig gemacht hat. Es war klug von ihm, den Grünen die eventuelle Macht zu überlassen, das Kraftwerk durch eine GAL-Senatorin zu verhindern. Sie lassen sich so leicht blenden, diese Grünen, von Posten und vermeintlichem Einfluss. Von Beust hatte längst verbindliche Zusagen gegeben, und er stand beim Vattenfall-Chef im Wort. Nicht irgendein weiteres Kraftwerk wird da gebaut. Mit einer Leistung von 1.640 Megawatt ist es ebenso leistungsstark wie ein großer Atommeiler und bläst ebenso viel CO2 in die Luft wie der gesamte Hamburger Stadtverkehr.

Ist es Zufall, dass sich gerade kürzlich mehrere grüne Spitzenpolitiker für Kohle als momentan noch notwendige Energieform ausgesprochen haben? Für die Grünen geht es in Hamburg um mehr als nur ein Kohlekraftwerk: Es geht um die Option, mit der CDU im Bund regieren zu können. Dafür müssen sie der Union in der Kohlefrage entgegen kommen. Letztlich demonstriert die Ökopartei mit der Moorburg-Entscheidung, wie sie auch noch die härtesten Widersprüche auszuhalten bereit ist. Die Grünen zeigen sich damit "reif" für die CDU und in schwierigen Situationen "verlässlich". Die ehemaligen "Alternativen" eignen sich mittlerweile besser als jede andere Partei, um als alternativlos zu verkaufen, was in der Bevölkerung nicht gelitten ist. Selten werden sie dafür von ihrer Klientel-Wählerschaft bestraft.

In Hamburg geht es ums Mitregieren unter allen Umständen. Den Anschluss zur CDU konnten die Grünen gerade dort gut schaffen, denn nach vielen Spaltungsprozessen ist aus der ehemals linken grünen Hochburg ein anpassungsbereiter und karrierewilliger Haufen geworden. Frau Hajduk wird für ihre "schwierige Entscheidung" sicher einmal mit einem Posten in Berlin belohnt.

In Deutschland sind 26 neue Kohlkraftwerke geplant. Auch in Berlin will Vattenfall ein neues Steinkohlekraftwerk bauen. Doch die Berliner Grünen haben erbitterten Widerstand angekündigt. Hört, hört.

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Geschrieben von

Connie Uschtrin

Redakteurin Politik

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