Die Observierer observieren

Geheimdienste Das Parlamentarische ­Kontrollgremium hat bei den BND-Skandalen der letzten Zeit eine eher unrühmliche Rolle gespielt. Nun soll es gestärkt werden - aber nicht zu sehr

Tagaus tagein, Jahr für Jahr machen so um die 10.000 Mitarbeiter von Nachrichtendiensten ihre Arbeit. Was sie machen, dürfen wir nicht wissen, heißt es. Geheimdienste arbeiten nach dem „need-to-know-Prinzip“ – nur Diejenigen wissen Bescheid, bei denen es unbedingt nötig ist. Wenn doch ans Licht kommt, was sie gemacht haben, meist Jahre später, dann haben solche Meldungen oft die Form des Skandals: Der Bundesnachrichtendienst (BND) habe offensichtlich kriegswichtige Informationen aus dem Irak an die Amerikaner geliefert. Seine Agenten haben vielleicht Gefangene in Geheimgefängnissen vernommen, es gibt sogar Foltervorwürfe. Der BND hat illegal Journalisten bespitzelt. Der BND hat in großem Stil Online-Durchsuchungen durchgeführt. Eine beunruhigend lange Liste tut sich auf, in denen der BND illegal oder zweifelhaft agiert hat. Ob in Einzelfällen Mitglieder der Bundesregierung informiert waren oder nicht, lässt sich, wenn überhaupt, erst viele Jahre später klären. Eine Instanz sollte allerdings darüber informiert sein: das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG), die einzige parlamentarische Instanz, die Geheimdienste des Bundes wie den BND, den Militärischen Abschirmdienst (MAD) und das Bundesamt für Verfassungsschutz kontrollieren darf. Es besteht aus neun Abgeordneten, die, vom Bundestag mit Kanzlermehrheit gewählt, im Geheimen tagen und zur Verschwiegenheit verpflichtet sind.

Verzicht auf den Dienstweg

Leider hat das PKG in den vergangenen Jahren bei den aufgezählten Affären eine eher unrühmliche Rolle gespielt. Von Kontrolle keine Rede: Die Informationen über die Skandale hat das Gremium in den meisten Fällen selbst nur aus der Presse erfahren. Eine beschämende Situation, die dem Gremium fast den Ruf einer Lachnummer eingebracht hat. PKG-Mitglieder hätten sich regelrecht „gedemütigt gefühlt“, wie es Hans-Peter Uhl (CDU) beschreibt, relevante Informationen in der Zeitung lesen zu müssen. Hätten sie doch das Recht, aus erster Hand informiert zu werden, durch die Bundesregierung oder die Nachrichtendienste selbst. „Ein „Wachhund ohne Gebiss“ hat der Parlamentarier der Linken, Wolfgang Nešković, deshalb das Gremium einmal genannt.

Um noch größeren Schaden abzuwenden, gibt es schon länger die Absicht, das PKG zu stärken. Darin sind sich alle Bundestagsfraktionen einig. Nun liegt ein Gesetzentwurf von Union, SPD und FDP vor, der die Arbeit des PKG erleichtern soll. Künftig sollen sich Angehörige der Nachrichtendienste direkt an das Kontrollgremium wenden können, ohne den Dienstweg beachten zu müssen. Die Mitglieder des PKG erhalten einen besseren Zugang zu Akten und dürfen den Diensten jederzeit Besuche abstatten, um vor Ort Dokumente auch im Original einzusehen. Außerdem wird die Bundesregierung verpflichtet, das Gremium „unverzüglich“ über „Vorgänge besonderer Bedeutung“ zu informieren. Wenn sie das nicht rasch genug oder umfassend tut, kann das PKG dies in seinem jährlichen Bericht erwähnen. Neu ist auch, dass die PKG-Mitglieder nun je einen Mitarbeiter an die Seite gestellt bekommen, der sie allerdings nicht auf die geheimen Sitzungen begleiten, sondern lediglich Akten studieren darf.

Keine friedvollen Partner

Ein richtig gut funktionierendes Gebiss für einen knurrenden Aufpasser sähe anders aus. Das Bild des Wachhundes ist den Regierungsparteien mit FDP aber wohl zu angriffslustig. Sie beschreiben das Verhältnis zwischen „den Diensten“ und dem Kontrollgremium lieber als ausgeglichen. „Das PKG soll nicht Feind, sondern Partner der Dienste sein“, sagt Thomas Oppermann (SPD). Dabei ähnelt das Verhältnis von PKG und Geheimdiensten wohl eher einer zerrütteten Ehe als dem einer friedvollen Partnerschaft. Hinter den harmoniesüchtigen Bestrebungen der Regierungskoalition steckt ein Geist, der die Funktion des Gremiums durchaus auch darin sieht, Vertrauen in der Öffentlichkeit zu schaffen für die Geheimdienste. Der konspirativen Arbeit einer Truppe, die immer wieder durch illegale Aktionen auffällt und sich mitunter sogar zu verselbstständigen droht, verleiht die parlamentarische Kontrolle einen Anstrich von Legitimität.

Der Linken und den Grünen gehen die neuen Befugnisse nicht weit genug. Der Grüne Hans-Christian Ströbele kritisiert den Entwurf als völlig unzulänglich. Er befürchtet, dass die Bundesregierung auch künftig „Vorgänge von besonderer Bedeutung“ dem PKG erst berichten wird, wenn sie bereits in der Presse kursieren, da sie willkürlich definieren kann, was „Vorgänge von besonderer Bedeutung“ sind. Die Grünen fordern deshalb, dass alles, was in der Chefrunde der Nachrichtendienste im Kanzleramt besprochen wird, dem Kon­trollgremium zu berichten sei. Die CDU lehnt solche Forderungen ab. Man dürfe die „Chance zur Indiskretion“ nicht mutwillig vergrößern.

Auch mal draufhauen

Ein gutes Haar zumindest lässt Ströbele an der Neuerung: Wenn die Dienste in Zukunft mit Besuchen und Akteneinsicht rechnen und die Geheimdienstler sich vor dem Gremium verantworten müssen, wirkt sich das auch auf die Tätigkeit der Schlapphüte aus. Wolfgang Nešković, der für die Linksfraktion dem PKG angehört, fordert vor allem stärkere Minderheitenrechte, denn „nur die Opposition bringt die nötige Leidenschaft mit, der Regierung nicht nur sorgfältig auf die Finger zu schauen, sondern auch mal draufzuhauen“. So sollte die oppositionelle Minderheit im PKG die Regierung zur Auskunft auffordern dürfen.

Es bleibt ein ungutes Gefühl, dass bei den Nachrichtendiensten unter dem Mantel der Geheimhaltung Dinge vor sich gehen, die zu grundsätzlichen Zweifeln an den Diensten und ihrer Führung Anlass geben. Ein Gefühl, das die Skandale immer wieder bestätigen. Ob die Parlamentarier künftig mehr erfahren, wird sich zeigen. In den USA geht die Kontrolle der Nachrichtendienste weiter: Dort haben sie die Pflicht, dem Kongress zu berichten, teilweise sogar, ihn von verdeckten Aktionen vorab zu informieren. Skandale wurden allerdings auch dort nicht vom Kongress aufgedeckt, sondern von der Presse. Immerhin werden in den USA die Akten über abgeschlossene Geheimdienstvorgänge der Öffentlichkeit uneingeschränkt zur Verfügung gestellt. Eine Praxis, die es ermöglicht, Geheimdienstaktionen im Nachhinein durch die Öffentlichkeit zu bewerten und eine offene Diskussion zu führen, welche Praktiken in Zukunft unerwünscht sind und welche nicht.

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Geschrieben von

Connie Uschtrin

Redakteurin Politik

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