Druck

Abschiebung Schäubles Änderungen des Zuwanderungsgesetzes errichten weitere Hürden für Flüchtlinge

Bundeskanzlerin Merkel äußerte vergangene Woche im Bundestag Worte der Erleichterung, dass der zum Christentum konvertierte Afghane Abdul Rahman, der in seinem Heimatland von einem Todesurteil bedroht war, inzwischen in Sicherheit sei. Sie persönlich hatte sich für seine Freilassung bei Präsident Karsai eingesetzt. Doch der Medienrummel um Rahman ändert nichts daran, dass seit Mitte vergangenen Jahres täglich afghanische Asylsuchende aus Deutschland abgeschoben werden. Ihr Asylstatus wird seither mit der Begründung verweigert, die Taliban seien vertrieben und es herrsche Frieden. Wie wenig das jedoch der Wahrheit entspricht, zeigen die vielen Anschläge und Übergriffe, die nach wie vor dort stattfinden.

Die seit vielen Jahren betriebene Abschottungspolitik der Bundesrepublik gegen Flüchtlinge trägt Früchte. Als Bundesinnenminister Schäuble Ende 2005 die Asylbewerberzahlen bekannt gab, klang es, als ob er stolz sei auf eine Leistung. Die Zahl der Asylbewerber hatte in Deutschland den niedrigsten Stand seit 1983 erreicht, insgesamt 28.914 Personen stellten Erstanträge. Zu dieser geringen Zahl hätten "gesetzgeberische Maßnahmen, eine gesteigerte Effizienz bei der Durchführung der Asylverfahren und eine fortschreitende europäische Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Asylmissbrauchs" beigetragen. Nur 411 Personen wurden 2005 als asylberechtigt anerkannt, weitere etwa 2.000 erhielten vorübergehend Abschiebungsschutz. Lächerliche Zahlen angesichts des Anspruchs, Menschen vor Krieg, politischer oder religiöser Verfolgung eine Zuflucht bieten zu wollen. Für Schäuble ist diese "Leistung" noch Ansporn: "In Zukunft werden wir vor allem bestrebt sein, die Ausreisepflicht bei nicht bleibeberechtigen Personen noch effektiver durchzusetzen."

Ob sich diese Maxime ein paar besonders eifrige Beamte auf die Fahnen geschrieben hatten, als sie am 6. März um 8.15 Uhr in einer Kindertagesstätte in Dresden den dreijährigen Leandro abholten? Der angolanische Junge und seine Mutter sollten abgeschoben werden. Da der Aufenthaltsort der Mutter offenbar nicht bekannt war, entführten die Polizisten gegen den Widerstand der Erzieherin kurzerhand das Kind aus der Kindertagesstätte, um damit Druck auf die Mutter auszuüben. "Geiselnahme" nannte diese nicht gerade gängige Polizeimethode die Ausländerbeauftragte der Stadt. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen die vier Polizisten und ihre Vorgesetzten wegen Freiheitsberaubung, Entziehung Minderjähriger, Nötigung und Hausfriedensbruch.

Dass die Polizei sich solch übergeschnappter Methoden bedient, ist eine Folge der Politik, die Flüchtlinge wie rechtlose Individuen behandelt. So will der Bundesinnenminister nun das Zuwanderungsgesetz neu regeln und für Asylsuchende eine grenznahe Haft einführen. In "Zurückweisungshaft" käme dann jemand, wenn "Anhaltspunkte" dafür sprechen, dass ein anderer EU-Staat zuständig sein könnte. Nach Augenmaß könnte damit jeder fünfte Antragsteller erst mal wieder in ein anderes Land verbracht werden. Wenig deutet darauf hin, dass Schäuble hingegen eine echte Schwäche des Zuwanderungsgesetzes ausbessert: die sogenannten Kettenduldungen. Etwa 200.000 Flüchtlinge erhalten nämlich keinen gesicherten Aufenthaltsstatus, obwohl sie nicht in ihr Herkunftsland zurückgeschickt werden können. Über Jahre versuchten sie, sich hier ein Leben aufzubauen, ihre Kinder besuchen die Schule. Selbst die Staatsministerin für Integration, Schäubles Parteikollegin Maria Böhmer, sprach sich für eine verbesserte Bleiberechtsregelung aus. Nach ihren Vorstellungen müssten Betroffene allerdings nicht nur sozial integriert sein, dem Staat nicht auf der Tasche liegen und gut deutsch sprechen, sondern auch einen festen Arbeitsplatz vorweisen. Wie Flüchtlinge dies bewerkstelligen sollen, bei all den Hindernissen, die der Staat ihnen in den Weg legt, bleibt Böhmers Geheimnis.

Die Politik will sich nicht mehr mit Flüchtlingen abgeben, Grundrecht hin oder her. Es gilt das Prinzip der drei Affen, Augen zu, Ohren zu, Mund zu. Die Mühe, in langjährigen Verfahren zu prüfen, ob Flüchtlinge als politisch Verfolgte anerkannt werden können oder "nur" aus höchster Not und Armut flüchten, weicht mehr und mehr kurzen Prozessen ohne Richterspruch. Fehlgeschlagener oder gelungener Suizid ist daher in den perspektivlosen Flüchtlingslagern keine Seltenheit. Ein Armutszeugnis für ein freies Europa.


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Geschrieben von

Connie Uschtrin

Redakteurin Politik

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