Gutscheine für die Kita statt Kita-Gutscheine

Kinder Wenn es ums Betreuungsgeld geht, wird die Kanzlerin plötzlich liberal und die FDP kontrollwütig

Erinnern Sie sich noch, dass vor einem Jahr über Konsum-Gutscheine diskutiert wurde, welche die Konjunkturkrise abfedern und die Binnenwirtschaft ankurbeln sollten? Der Vorschlag wurde verworfen und die Konjunkturprogramme beinhalteten schließlich unter anderem größere Investitionen in die Infrastruktur von Kindergärten, Schulen und Hochschulen.

Immer dann, wenn der Staat Geld hergeben, aber den Zweck selbst bestimmen will, kommt irgend jemandem die Gutschein-Idee. Diesmal beim Betreuungsgeld, das ab 2013 Familien erhalten sollen, die ihre Kinder unter drei Jahren zu Hause erziehen und nicht in die Kita geben.

Erst sollten nur an Hartz-IV-Familien Betreuungsgutscheine statt Bargeld ausgegeben werden. Weil die es sonst „versaufen“ könnten (O-Ton Heinz Buschkowsky, Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln). Dann kam man drauf, dass das womöglich nicht verfassungskonform ist. Also: Gutscheine für alle. Sofort ging die CSU auf die Barrikaden, die sich das alles ausgedacht hatte und nun ihre Klientel bevormundet sah. Doch die FDP-Politikerin Cornelia Pieper widersprach: Sich ihres neuen Postens als Staatsministerin im Auswärtigen Amt noch nicht recht bewusst, verlangt sie, die Prämie nicht als Bargeld, sondern per Gutschein auszuzahlen.

Das Schöne an dieser Debatte ist: Man kann sich genüsslich darüber freuen, wie sich Schwarz-Gelb in eine paradoxe Situation manövriert. Dabei outet sich die FDP als Verfechterin von Staatskontrolle (und plädiert für Gutscheine) und die Kanzlerin als Kämpferin für liberale Freiheitsrechte, die auf einem Parteitag gesagt hat, dass sie jungen Familien nicht vorschreiben will, wofür sie staatliche Hilfen verwenden. Verkehrte Welt? Nein, denn auch auf Unionsseite gibt es viele, die bestimmten Familien nicht über den Weg trauen: Migrantenfamilien etwa und solche, die Hartz IV beziehen. Gerade sie werden verdächtigt, das Geld anderweitig zu verplempern.

Schwarz-Gelbes Kuckucksei

Ein komisches Ei hat sich die Regierung da ins Nest gelegt: Niemand will das Betreuungsgeld so richtig, weil es falsche Anreize geben könnte und man nie weiß, ob es am Ende wirklich dem Kind zugute kommt. Die Kanzlerin will es nicht, die Bundesfamilienministerin will es nicht, die FDP will es nicht. Alle müssen aber irgendwie vertreten, dass dieses Kuckucksei doch eines ist, das aus dem Nest der schwarz-gelben Familie stammt. – Ach, wir vergaßen: Es gibt doch jemanden, der das Betreuungsgeld will: die CSU nämlich, die damit den Konservativen unter ihrer bayerischen Klientel einen Gefallen tun möchte. Denjenigen, die glauben, Kinder zwischen eins und drei (um die geht es hier) bräuchten 24 Stunden am Tag den Kontakt zu ihrer heimischen Bezugsperson. Eine Art Belohnung also für die Mütter (und es sind fast immer Mütter), die ihre Kinder auch nach dem ersten Jahr nicht in die Krippe geben wollen und ihren Beruf aufgeben, weil sie versorgt sind und es können. Es passt nicht ins Konzept, dass auch Familien von den 150 Euro profitieren könnten, die das Geld wirklich nötig haben. Die wiederum will man staatlich steuern können.

Dass das allerdings mit dem staatlichen Steuern grundsätzlich bei Familien nicht so gut funktioniert, hat man schon an dem viel kostspieligeren Elterngeld gesehen, das keineswegs den Kinderboom ausgelöst hat, der damit beabsichtigt wurde. Dass nun aber gerade die FDP, die sonst den freien und selbstbestimmten Bürger in den Mittelpunkt stellt, dem Kontrollwahn erliegt und auf Gutscheine beharrt, ist schon skurril. Und wofür sollten denn solche Gutscheine dann sein? Etwa für die Betreuung durch eine Tagesmutter oder durch eine Betreuungseinrichtung, wie es die Bundesfamilienministerin angedeutet hat? Na, das ist doch super: Dann hätten die verhassten Betreuungsgutscheine doch endlich wieder ihre Bestimmung gefunden!

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Geschrieben von

Connie Uschtrin

Redakteurin Politik

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