Koch und Kellnerin

Aufsteigerin Die neue ­Familienministerin hat ihren Beruf in der Hessen-CDU ­gelernt. Man wird das Kristina Köhlers Politik anmerken

Kristina Köhler hat sich nie etwas anderes gewünscht als Politikerin zu sein. An ihrem 14. Geburtstag ist sie Mitglied der CDU geworden, hätte sie gedurft, wäre sie sogar schon mit 12 eingetreten. Von da an ist sie ihren Weg ganz „straight“ gegangen, eine zielstrebige Aufsteigerin, die nie etwas anderes wollte als in der Politik Karriere zu machen.

Gerade zum dritten Mal in den Bundestag gewählt – diesmal sogar als Direktkandidatin ihres Wiesbadener Wahlkreises – kommt auch noch die nötige Portion Glück dazu. Das Kabinett braucht nach Franz Josef Jungs Abgang jemanden aus Hessen und die Kanzlerin will penibel den Länder-Proporz (West) einhalten: So wird die 32-Jährige Bundesfamilienministerin. Merkel weiß in Kristina Köhler aber auch eine, die ihrer Linie treu sein, sich im Zweifel an sie halten wird und – was noch wichtiger ist – für den Kurs der Modernisierung der CDU steht. Aber auch für einige alte Werte.

Der allzu geradlinige Weg der Frau Köhler kann einem suspekt vorkommen, einst galten verschlungene Pfade (der Bruch mit dem Elternhaus, der Gang ins Ausland oder das Sich-Ausprobieren in verschiedenen Berufen) durchaus als wichtige Formen von Lebenserfahrung, die man gerade in der Politik gut gebrauchen konnte. Frau Köhler brauchte und wollte diese Umwege nicht. Sie ist ein CDU-Kind, vollkommen durch die Partei sozialisiert. Jemand, der die Mechanismen des Emporkommens von der Pike auf studiert hat. Sie hat das Reden gelernt, sich in ein paar Sachgebiete eingearbeitet und Begriffe angeeignet, die ihr die Partei vorgegeben hat.

Erlernte Kampfvokabeln

Leitkultur ist einer davon. Im Jahr 2000 ­toste in Deutschland, angestoßen durch Friedrich Merz, eine Debatte über die so genannte Leitkultur, und das Wort, das heute im CDU-Programm steht, zur Kampfvokabel gegen Multikulturalismus wurde. Da war Köhler 23 Jahre alt. Es war übrigens auch das Jahr, in dem der ehemalige hessische CDU-Vorsitzende Manfred Kanther in der Parteispendenaffäre einräumte, viele Jahre zuvor insgesamt acht Millionen Mark der Landes-CDU ins Ausland transferiert und die Rücküberweisungen als „jüdische Vermächtnisse“ getarnt zu haben. Es ist diese Hessen-Partei, die vor Roland Koch vom innen- und ausländerpolitischen Hardliner Manfred Kanther geführt wurde und davor vom Rechtsaußen-Politiker Alfred Dregger, in der Köhler das politische Alphabet gelernt hat.

Während Kochs Ausländer-Kampagne im hessischen Landtagswahlkampf von 2008 mischte Köhler auf ihre Weise mit und klagte über die angeblich zunehmende „Deutschenfeindlichkeit“ bei Migranten. Vom Polit-Magazin Panorama darauf angesprochen, wie sie darauf komme, bezog sie sich auf Zahlen des Kriminologen Christian Pfeiffer. Doch der verwahrte sich gegen diese Behauptung: Eine Studie, die so „Deutschenfeindlichkeit“ belege, gebe es nicht. Das war wohl der für die ausgebildete Sozialforscherin Köhler, die Anfang dieses Jahres promoviert wurde, bislang peinlichster Fauxpas.

Während sich die neue Ministerin in den zentralen Fragen der Familienpolitik bislang wenig profiliert hat und in diesem Bereich auch nicht viel Neues von ihr zu erwarten ist, gibt es ein Thema, das ebenfalls ihrem Ressort untersteht und das ihr vertrauter ist: Der Schutz und die Vermittlung von Werten und Demokratie.

Falsche Gleichsetzung

Laut Koalitionsvertrag werden die Programme zur Bekämpfung von Rechtsradikalismus umgewandelt in „Extremismusbekämpfungsprogramme“. Darunter ­fallen gleichermaßen Rechts- wie Linksextremismus und Islamismus. Diese Gleichsetzung wurde bereits von Forschern kritisiert, etwa, weil sie eine faktische Kürzung von Anti-Rechts-Programmen beinhaltet. Aber auch, weil so die Nähe, welche die politische Mitte bisweilen zu rechtsextremen Inhalten aufweist, geleugnet wird. Dem zugrunde liegt eine totalitarismustheoretische Denkweise, die bereits als überholt galt, weil sie zur Zeit des Kalten Krieges den Rechtsextremismus aus ideologischen Gründen regelmäßig verharmloste.

Kristina Köhler ist eine Anhängerin dieser Gleichsetzung der politischen Extremismen von links und rechts und von Seiten des Islam – und sie gibt vor, alle gleich zu bekämpfen. Frau Köhlers Demokratieliebe endet dort, wo es um die Bekämpfung des politischen Feindes geht: Den sieht sie nicht so sehr bei den Grünen, mit denen sie sich durchaus eine Zusammenarbeit vorstellen kann, wohl aber bei der Linkspartei, die ihres Erachtens vom Verfassungsschutz beobachtet gehört.

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Geschrieben von

Connie Uschtrin

Redakteurin Politik

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