Kinder kann jeder. Diese Vorstellung ist immer noch weit verbreitet. In dem Land, in dem der „Kindergarten“ 1840 von Friedrich Fröbel erfunden wurde, wird der Erzieherberuf nach wie vor gering bewertet und miserabel bezahlt.
Ein Drittel der vollzeitbeschäftigten Erzieherinnen und Erzieher bezieht ein Bruttoeinkommen von weniger als 2.000 Euro im Monat. Der Arbeitskampf, den die Gewerkschaften für die 220.000 Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst deshalb vom Zaun gebrochen haben, geht in die vierte Woche – und ist auf Irritation gestoßen. Denn GEW und Verdi streiten vordergründig für den Gesundheitsschutz, obwohl es ihnen eigentlich um eine neue tarifliche Eingruppierung geht. Dafür oder für neue Tarifverträge kann man aber derzeit nicht streiken, weil die alten Regeln noch gelten und bis Ende des Jahres Friedenspflicht besteht.
Trotzdem ist der Zeitpunkt gut gewählt, denn es ist Wahlkampf. Die Erzieherinnen und Erzieher wollen endlich Anerkennung für ihre professionelle Arbeit. Und das soll sich auch in einer angemessenen Bezahlung niederschlagen. Verdi fordert für die Beschäftigten in einem Tarifvertrag für den Gesundheitsschutz eine jeweils höhere Eingruppierung in der Entgeltgruppe für Erzieherinnen (von 8 auf 9) und für Sozialpädagoginnen (von 9 auf 10).
Der Ehrgeiz der Eltern
Die Geringschätzung des Erzieherberufs steht in einem bizarren Missverhältnis zu den mittlerweile hohen Anforderungen im frühpädagogischen Bereich. Denn von den Umwälzungen im deutschen Bildungssystem sind längst auch die Kitas betroffen. Die Einrichtungen sind nicht mehr nur Verwahrorte, in denen von Erziehern etwas Hübsches gebastelt wird, das die Kinder den Eltern beim Abholen überreichen. Nein, sie werden inzwischen als Bildungsorte ernst genommen.
„Bildung von Anfang an“ ist der Slogan, der sich durchgesetzt hat. 2004 hat die erste Fachhochschule einen Studiengang „Frühkindliche Erziehung“ angeboten. Inzwischen sind vier weitere dazugekommen – und es sollen noch mehr werden. Die Kita wird dort ganz selbstverständlich als eine Bildungsstätte angesehen, darauf ausgerichtet, Kleinkinder auf das Leben in einer hochkomplexen Welt vorzubereiten.
Das Kleinkind ist nicht nur zum Subjekt eines individuellen Bildungsprozesses geworden, sondern auch zum Objekt von Forschungsrichtungen, die nicht müde werden, die Wichtigkeit von frühkindlicher Förderung zu betonen. Längst wird auch in der frühkindlichen Bildungswelt von „Kompetenzen“ und „Ressourcen“ gesprochen. Eine Aufbruchstimmung hat sich verbreitet und die Kitas von ihrem muffigen Image befreit. Diese Entwicklung hat aber auch ihre Schattenseiten, weil sie den überall gestiegenen Leistungsdruck nun auf die Allerkleinsten überträgt. Auch bei Eltern steigt der Ehrgeiz, weil sie immer mehr Angst haben, ihre Kinder könnten später nicht mithalten: Mancherorts geht es nicht mehr ohne Frühenglisch.
Während die Erzieherinnen und Erzieher in den Kindertagesstätten diesen Modernisierungsprozess mitmachen und immer stärker an Bildungsprogrammen orientiert arbeiten, Förderpläne verfassen, Lerntagebücher schreiben, Entwicklungsverläufe dokumentieren und Gespräche mit Eltern führen, wird in den kommunalen Haushalten das Geld für diese Berufsgruppe nicht etwa den gestiegenen Ansprüchen und neu hinzugekommenen Aufgaben sondern der zumeist desolaten Haushaltslage angepasst. Es wird gekürzt und gestrichen, Stellen werden eingespart, bei Personalplanungen wird gestrafft und „effektiviert“. Denn rein haushaltspolitisch ist die Erziehertätigkeit bei den Kommunen angesiedelt und die sind durch niedrige Einnahmen traditionell klamm. Deshalb fordern diejenigen, die in diesem Bereich etwas bewegen wollen, dass die Städte und Gemeinden auch in die fachlichen Debatten einbezogen und an den Töpfen beteiligt werden, die beispielsweise der „Bildungsgipfel“ bereit stellt.
Das Gesetz zum Ausbau der Kinderbetreuung, das vor einem Jahr von der Großen Koalition beschlossen wurde und eine hohe Summe zur Verfügung stellt, gibt dem Erzieher-Beruf zwar eine gewisse Perspektive und signalisiert: Ihr werdet gebraucht. Das Geld scheint aber nicht zu reichen, um die Arbeit attraktiver zu machen und die Beschäftigten angemessen zu vergüten.
Von der Leyens Fehler
Erstaunlich ist, dass die Bedingungen, unter denen Erzieherinnen und Erzieher hierzulande arbeiten, nicht stärker Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen angekreidet werden. Die CDU-Politikerin ist es doch, die nicht müde wird, von der Qualität frühkindlicher Bildung zu sprechen. Doch was sie macht, ist Flickwerk. Damit der Ausbau der Kindertagespflege überhaupt funktionieren kann, soll es 30.000 zusätzliche Tagesmütter geben, denen von der Leyen ein „Gütesiegel“ verpassen will. Um das Qualitätssiegel zu erhalten sind – so ist es angedacht – wenige Wochen Ausbildung ausreichend. Tagesmütter müssen als Freiberufler seit Januar ihre Einkünfte versteuern und sich selbst versichern. Ihnen bleibt noch weniger Geld als den Erzieherinnen. Dass zu Qualität nicht nur eine gute Ausbildung, sondern auch eine angemessene Entlohnung gehört, hat sich wohl noch nicht bis zu der CDU-Ministerin herumgesprochen.
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