Gegen den Trend

Migration In Katalonien protestierten Hunderttausende gegen Spaniens harte Asylpolitik. Es war die größte Demonstration für Geflüchtete, die Europa bisher gesehen hat
Ausgabe 08/2017
„Genug der Ausreden“: Empörung über die mangelnde Aufnahmebereitschaft Spaniens
„Genug der Ausreden“: Empörung über die mangelnde Aufnahmebereitschaft Spaniens

Foto: Josep Lago/AFP/Getty Images

„Kein Mensch ist illegal!“, „Wir möchten aufnehmen!“, „Genug der Ausreden!“, das waren nur einige der Losungen, wie man sie auf der bisher größten Demonstration in Europa für die Aufnahme von Flüchtlingen lesen konnte. Und die hatte nicht von ungefähr ihren Schauplatz in Barcelona, um am Wochenende gut 300.000 Menschen zu vereinen.

Ihr Protest hat durch den Querschnitt der Teilnehmer imponiert. Pfadfindergruppen und Rentner, linksalternative Milieus, Unabhängigkeitsaktivisten, Parteien aus vielen programmatischen Ecken, vor allem „ganz normale“ Bürger kamen zusammen, um dem Leitmotiv „Unser Haus, Euer Haus“ zu folgen und sich darüber zu empören, dass Spanien statt der versprochenen 17.000 Flüchtlinge, bisher lediglich 900 aufnahm.

Wo lagen die Gründe für den Erfolg dieser Aktion? Auch in der Prominenz der Sympathisanten, zu denen beim Benefizkonzert im Palau Sant Jordi (15.000 Besucher) die Crème de la Crème von Spaniens Sängern gehörte, von Lluís Llach über Marina Rosell hin zu Paco Ibáñez, dazu kamen Starjournalisten wie Jordi Èvole oder Gemma Nierga. Es wurde durch Stimmung mobilisiert, bei Facebook wie Twitter mediale Aufmerksamkeit generiert und davon profitiert, dass man sich in Barcelona auf das Rathaus unter der Podemos-Politikerin Ada Colau verlassen kann. Sie setzt mit ihrer „Refugees-Welcome“-Kampagne die konservative Regierung in Madrid unter Druck.

Über allen begünstigenden Faktoren aber steht eine politische Konjunktur, die für Katalonien spezifisch ist. Zum einen elektrisiert die Unabhängigkeitsbewegung, die Millionen zusammenführt und sich in einer Regierung niederschlägt, die vom Willen zu mehr Souveränität nicht lässt, was auch immer der Zentralstaat an Repressionen bereithält. Zum anderen gibt es die Brisanz neuer linker Bewegungen und Parteien, die mittlerweile in Barcelona, Badalona, Castelldefels und anderswo regieren. Der Protest am Mittelmeer offenbart, wie nationaler Aufbruch, das Verlangen nach katalanischer Selbstbestimmung, und sozialer Aufruhr, die Forderung nach existenziellen Rechten für Flüchtlinge, geradezu ineinander übergehen. Kaum irgendwo sonst in Europa ist das in ähnlicher Weise der Fall.

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Geschrieben von

Conrad Lluis Martell | conrad lluis

Forscht zur Bewegung der indignados (Empörte) und ihren Auswirkungen auf Spaniens Politik und Gesellschaft, lebt in Barcelona, liebt den Bergport.

conrad lluis

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