Barmherzigkeit

Flüchtlinge Es werden mehr kommen. Sehr viel mehr. Vor siebzig Jahren war das schon einmal so. Wir haben es ausgehalten.

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In einem sächsischen Kurort haben vor kurzem Empörte am Ortseingang ein Schild aufgestellt: "Bitte flüchten sie weiter, es gibt hier nichts zu wohnen!" Da will man nichts mehr erklärt haben, nichts diskutieren. Das ist nur noch Feindschaft, in Hass mündend.

Ähnliches hat sich hierzulande vor sieben Jahrzehnten abgespielt. Millionen waren auf der Flucht, vertrieben worden aus ihrer Heimat oder weil sie vor Hunger und Verzweiflung sich nicht mehr anders zu helfen wussten. Die Bereitschaft, sie aufzunehmen, war unter den Alteingesessenen nicht immer groß.

Die Flüchtlingsströme im Zuge des Zweiten Weltkrieges kann man mit den heutigen nicht vergleichen. Sie trafen auf ein zerstörtes Land mit einer zutiefst demoralisierten und weitestgehend bitterarmen Bevölkerung. Europa aber ist reich, zumindest in den Augen vieler, die hierher wollen. Und in Europa gehören wir statistisch zu den reichsten. Krieg und seine Folgen kennen wir, gottlob, seit 70 Jahren nicht mehr. Eigentlich müsste es für uns ein leichtes sein, Bedrängten zu helfen. Das Problem ist nur: Die meisten von ihnen sind anders als wir, haben eine uns nicht vertraute Kultur, andere Gewohnheiten, ein anderes Verständnis von Gesellschaft, als wir sie uns verordnet haben.

Es ist Angst vor dem Fremden, das zu Ortsschildern wie in Sachsen führt. Dass dies nicht die Regel ist, lässt hoffen. Und auch, dass die Bürgergesellschaft weiter ist, als viele der sie in ihrem Auftrag Regierenden, die sich nicht trauen, die ganze Wahrheit zu sagen: Es werden noch mehr kommen, sehr viel mehr. Üben wir mit ihnen Barmherzigkeit. Mit denen, die ihrer wirklich bedürfen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Constantin Rhon

Realist mit liberaler Grundhaltung.

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