Im Bann der Realpolitik

Haushaltssperre Genau 572 Seiten umfasst der Haushaltsplan für den Bezirk Friedrichs-hain-Kreuzberg für die Jahre 2014 und 2015. Penibel sind Einnahmen und Ausgaben aufgelistet.

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Auf Seite 32 beispielweise finden sich 384.000 Euro an Ausgaben für Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder der Bezirksverordnetenversammlung, auf Seite 46 sind 8.000 Euro vermerkt, über welche die Bezirksbürgermeisterin im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit für Repräsentationen, Empfänge und Kontaktpflege verfügen darf, und auf Seite 284 sind die Mittel budgetiert, die für Aufgaben im Zusammenhang mit dem Asylbewerberleistungsgesetzt eingeplant sind: 7.397.200 Euro.

Die Einnahmen speisen sich zum übergroßen Teil aus Zuweisungen des Berliner Senats. Dies folgt aus der Besonderheit des Stadtstaates Berlin: Er ist ein Bundesland und zugleich eine Großgemeinde. Das Geld des Landes Berlin wird unter den zentralen Verwaltungen der Stadt und zwischen seinen Bezirken verteilt. Wer wie viel und wofür bekommt ist klar definiert. Für die Straßen ist der Senat zuständig, für die Pflege der Grünanlage neben der Straße der Bezirk.

Ein Bezirk erhält rund 80 Prozent seiner Mittel durch eine Zuteilung des Landes Berlin. Nicht jeder Bezirk bekommt dabei aus dem Landeshaushalt den gleichen Betrag. Die Verteilung geschieht nach bestimmten Kriterien. Beispiel: Die Zuweisung für Sozialleistungen wird nach der Anzahl der Sozialleistungsempfänger im Bezirk berechnet.

Da alles geplant ist, wirft Außerplanmäßiges – grob gesagt - den Etat über den Haufen. Wie die Kosten im Zusammenhang mit der Unterbringung von Asylbewerbern in der Kreuzberger ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule. Sie reichen vom Aufstellen von Toiletten bis hin zum Wachschutz, insgesamt wohl 2,3 Millionen Euro, die im Bezirkshaushalt nicht vorgesehen sind. Es sind dem Grunde nach politische Kosten, die den Bündnisgrünen im Bezirk angemessen erschienen, um ein bundesweites Signal zu setzen: Der Umgang mit den Flüchtlingen in Deutschland muss sich ändern. Sie machen den Löwenanteil des bis Jahresende im Bezirksetat erwarteten Defizits von rund 4 Millionen Euro aus.

Die dem Bezirk entstandenen Kosten im Zusammenhang mit den Flüchtlingen sind ein politischer Preis.

Die Folge: Bis zur Klärung, wie diese Lücke geschlossen werden kann, darf das Bezirksamt nur noch Geld ausgeben, wenn es „um Leib und Leben“ geht. Defekte Schultoiletten zählen ebenso wenig dazu wie Honorare für Lehrer der bezirkseigenen Musikschule. Das Problem ist, dass auf Bezirksebene die handfesten, direkt spürbaren Dinge des Lebens verwaltet und bezahlt werden.

Im Bezirk habe es mehrfach Haushaltssperren gegeben, so Schul- und Sportstadtrat Peter Beckers (SPD), doch so schlimm wie diesmal habe er es noch nie erlebt. In seinem Bereich sind 200 Honorarkräfte betroffen. An den 54 Schulen in Friedrichshain-Kreuzberg stehen Arbeitsgemeinschaften auf dem Spiel. „Und im Sportbereich sind 13 000 Euro gesperrt, mit denen wir Trikots oder Fahrgeld für bedürftige Kinder bezahlen wollten.“

Die Duldung der Besetzer der ehemaligen Schule wurde inzwischen aufgehoben. „Was wir für die Leute tun konnten, haben wir getan, mehr ist nicht drin“, so Herrmann. Und hat erkannt: „Wir sind für 270 000 Menschen in diesem Bezirk verantwortlich, das haben wir den Besetzern klar gemacht.“

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Geschrieben von

Constantin Rhon

Realist mit liberaler Grundhaltung.

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