Schütze 2 am Leichtmaschinengewehr

Erwin Strittmatter Der verstorbene DDR-Schriftsteller hat seinen Landsleuten ihr Land erklärt. Sich selbst aber nicht in Gänze

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Nun hat es wieder einen der ganz Grossen des Literaturbetriebes getroffen. Postum. Da war zwar immer etwas, aber so richtig nicht zu greifen. Jetzt, so die Historikerin Annette Leo gegenüber Deutschlandradio Kultur, seien die Beweise evident: Erwin Strittmatter war als junger Mann in Slowenien an Kriegshandlungen beteiligt. Als Angehöriger des deutschen Polzeibataillon Nr. 325. Seine Aufgabe: Schütze 2 am Leichtmaschinengewehr. Für militärisch Unkundige: Der Schütze 2 sorgt für den Munitionsnachschub, während Schütze 1 feuert.

„Also“, so die Historikerin in einem gestern Nachmittag ausgestrahlten Interview, „bei mindestens zwei solchen Aktionen ist es klar, dass er dabei war. Das beschreibt er in einem Brief, das ist eine Aktion, die sich um das Dorf Drazgose abgespielt hat, und zwar war das im Januar 1942. Und da beschreibt er ganz genau, was passiert ist, und dadurch, dass er den Namen auch nennt, konnte ich natürlich auch in slowenischen Quellen da nachlesen, was ist in Drazgose passiert. Und das ist eine der größten Kampfaktionen zwischen Partisanen und den Polizeieinheiten gewesen.“

Strittmatter hat darüber auch seiner Familie in der Heimat per Feldpost berichtet: „Es musste Artillerie eingesetzt werden, weil wir das Dorf so nicht nehmen konnten. Wir mussten uns zurückziehen. Am nächsten Tag nahmen wir es endlich und brannten es nieder." Ob er sich an der nachfolgenden Erschießung aller Männer über 15 Jahre beteiligt hat ist nicht belegt.

Strittmatter, unter anderem mit „Der Laden“ etc zum Gefeierten unter den DDR-Literaten geworden, hatte immer behauptet, im Zweiten Weltkrieg keinen einzigen Schuss abgegeben zu haben. Dem war wohl doch nicht so. Zu seiner Ehrenrettung sei angemerkt, dass es sich in prominenter Gesellschaft innerhalb seiner Zunft befindet. Siehe Günter Grass oder der verstorbene Dissidenten-Poeten Oskar Pastior, dem nach seinem Tod 2006 die Zusammenarbeit mit der rumänischen Securitate nachgerufen wird.

Das versöhnlichste, was überhaupt zu all’ dem gesagt werden kann, erklärt die Historikerin dann am Ende des zitierten Radiointerviews: „Jeder Mensch ist ein vielschichtiges Wesen und hat verschiedene Seiten, hat positive Eigenschaften und dunkle Seiten, Abgründe. Erst mal finde ich, dass die Literatur von ihm natürlich jetzt im Nachhinein nicht beeinträchtigt werden kann.“

Vielleicht war es auch so: Gerade weil diese jungen Strittmatters und Grass’s solches erlebt haben, manche sagen: unter Zwang erleben mussten, waren sie zu solcher Literatur fähig. Nicht allen ihrer Generation ist das möglich gewesen, weil sie die Gabe nicht hatten.

Mein Großvater erzählte aus der Ukraine: Viel Morast, viel Winter, und immer nachts mit dem Kübelwagen unterwegs, um Ersatzteile für die LKW’s heranzuschaffen.

Das Interwiev mit der Historikerin Annette Leio zum Nachlesen:

http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/thema/1819432/

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Geschrieben von

Constantin Rhon

Realist mit liberaler Grundhaltung.

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