Eine Ghostwriterin packt aus!
Wieder so ein wichtiger Notfall im Dshp (Doktorratsstudierendenhilfsprogramm). Was für ein neues Image der Fachidioten entpuppte sich denn da? Dachte ich mir doch gleich, dass der junge Mann keine Ahnung von der Thematik hatte. Eigentlich müsste er nur einige wenige Abende vor seinem PC sitzen und am Rädchen drehen. Doch der cool wirkende Typ kannte sich in der Welt von Google nicht wirklich gut aus. Dabei müsste er eigentlich alleine in der Lage sein, sich mit der Promotion zu beschäftigen, schließlich sollte er den Doktortitel später mit Würde tragen können. Warum Abende mit dicken Büchern verbringen? Dies tat er schon nicht bei seiner Diplomarbeit, wenn er Ghostwriterangebote annehmen konnte. Da mussten wieder andere für ihn ein perfektes Plagiat aus 750 Seiten herstellen. In der Zwischenzeit amüsierte er sich mit diversen alkoholischen Getränkesorten und gut gebauten Labormäusen.
Seitdem ich dem guten Jungen aus vornehmem Hause während einer unerlaubten Hörsaalparty... unter dem Rednerpult meine Hilfe anbot, hatte ich nun schon unter den Schönen und Reichen den ausgezeichneten Ghostwriterruf weg. Das Zauberwort innerhalb der Mensa hieß nur Dshp. Klaus von Saus, ein ehemaliger Doktorand, der meinte - er wäre Sokrates, Einstein und Cicero in einer Person, konnte damals seine vorlaute adelige Gebisspartie einfach nicht unter Kontrolle bringen und fragte den neureichen, schlampig wirkenden Knut Braus nach seiner Habilitation. Er sah ihn mit seinen zerzausten Haaren und dem Zwölftagebart etwas irritiert an, meinte aber, dass er noch keine kopierte Arbeit gefunden habe, die ihn zum Lehren berechtige. Währenddessen starrte er gebannt auf seinen Teller. Dort lag ein gammeliges Stück Fleisch auf seinem Teller, sollte ein Schnitzel darstellen, konnte man aufgrund der verkohlten Panade nicht sofort erkennen.
„Abyssus abyssum invocat."
Solche Sätze prägten wohl mein Leben, was wohl soviel wie „ein Fehler zieht den anderen nach sich..." bedeutet, aber nur dann, wenn Latein richtig im Internet übersetzt wurde. Latein ein Hassfach am Gymnasium, obwohl es doch soviel Nutzen bringen könnte, wenn man Vokabeln beherrschte.
„Quo vadis?" (Wohin gehst Du?)
Diese Frage konnte man sich schon stellen, wenn man Deppen wie von Saus und Braus half. Sie machten dank meiner Google-Arbeit später Karriere. Mutti und Vati zahlten stets per Kreditkarte. Nachhilfe - diese Zahlungsmoral gab es z.B. ja auch durchweg seit der fünften Klasse immer wieder aufs Neue.
„Homines sumus non dei", flüsterte er, also Braus, mir stotternd leise in der Mensa vor dem Salatbuffet zu, hatte schließlich stundenlang mit dem interaktiven Petronius geübt, als er mich fragte, ob ich ihm die Dissertation schreibe. Dabei bildete sich dezent Schaum in seinen Mundwinkelen. Brause...?
Und ich akademische Melkkuh antwortete ihm völlig abgelenkt daraufhin mit den Worten:
"Homo proponit sed deus disponit." (Der Mensch denkt, Gott lenkt.), fügte eine kurze Sprechpause ein und beendete mit den Worten:" Werter Klugscheißer Brause!"
Er grinste mich dabei galant an, als verstünde er Gott und die Welt, gab mir einen Einblick in seinen Lateinkurzkurs. Ich verstand sofort, dass er Latein zitieren konnte, fragte mich aber disziplit, ob dies tatsächlich in Neureichenkreisen weiterhalf.„Mundus vult decipi, ergo decipiatur." (Die Welt will betrogen werden, also soll sie betrogen werden.)
Ganz so doof sind von Saus und nun auch Braus anscheinend doch nicht, dachte ich mir insgeheim, sagte dann, als Braus gerade sein Salatdressing wählte:
„Possum, sed nolo." (Ich könnte, aber ich mag nicht.)
Ohne nur einen einzigen Tropfen der geschmacksirritierenden zählflüssigen Masse aus dem Plastikeimer zu verschütten, trieb er mich mit seiner Gelassenheit in eine provozierenden Situation, zumal er eine lateinische Bemerkung so was von provokant als Antwort parat hatte:
„Quod non in actis, non in mundo." (Was nicht in den Akten steht, ist in der Welt nicht existent.) Und so konterte ich spontan, quasi unüberlegt inklusive Wortfindungsstörungen mit einem Zitat: "Äh...Hm...Scientia et potentia in idem coincidunt." (Wissen und Macht fallen zusammen.)
Von diesem Gesichtsausdruck eines reichen Schnösels zerrte ich binnen weniger Minuten, bis wir an einem Tisch saßen, um über die Einzelheiten relativ leise zu debattieren. Zu jenem Zeitpunkt hatte er quasi seine Dissertation ungelesen in der elitären Angebertasche, obwohl ich zunächst noch dafür hart arbeiten musste. Das Angebot konnte ich uneinsichtig einfach nicht ausschlagen und deshalb steckte mir mein neuer Klient, ohne mit der Wimper zu zucken, einen Zettel zu. Dieser führte mich zu einem Umschlag in dem die Aufgabe des Profs steckte. Adrenalin pur!
Noch am gleichen Abend saß ich bereits vor dem PC, trieb wieder einmal als Ghostwriterin mein Unwesen und so bot mir z.B. Amazon wunderbare Auszüge. Ich googlete mir die Finger für den Typen wund und sein Vati schenkte mir ein Plus auf meinem Bankkonto.
Das Ausleihen von Zitaten bereitete mir absolut keine große Mühe und deshalb baute ich ohne großen Aufwand diese raffiniert in Textpassagen ein. Auch auf diverse Tippfehler nahm ich keine Rücksicht, ersparte mir die Korrektur. Dadurch wirkte die von mir erstellte Dissertation realistisch, absolut glaubwürdig. Welcher Professor bzw. Betreuer einer Promotion dachte bzw. denkt da schon an Plagiatsvorwürfe auf 499 Seiten.
25 Prozent dieser Doktorarbeit besteht immer noch aus geklauten Zitaten. Wahrscheinlich wird keiner auf die Idee kommen und die Arbeit unter die Lupe nehmen oder nun etwa doch?
Heute sind Leute wie von Saus und Braus dank mir gemachte Männer, fragt sich nur wie lange, wenn man an prominente Beispiele aus der Politik denkt.
„Manus manum lavat.(Eine Hand wäscht die andere.) - Ein Versuch ohne Schmierseife auszukommen." lautet z.B. der Titel einer Dissertation aus meinen Händen.
Neulich sprach mich jemand auf meine ausgezeichneten Plagiate beim Dinieren in der Mensa an. Ich entschied mich für die Variante der drei Affen, schließlich bin ich nur die Frau des Hausmeisters.
© Corina Wagner, Juli 2011
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