Die Beerdigung - im Theater Neu-Ulm

CoLyrik "Der gute Eugen Roth ist auch schon lange tot." Aha! Kennen Sie z.B. den Wunderdoktor? In "Die Beerdigung" werden Sie ihn entdecken, aber auch schwarzen Humor... :-)

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Ihre Freitag-Redaktion

Vorige Woche Freitag (09.05.2014) habe ich an der Veranstaltung "Rangel-Rungel-Ringelstern. Ich küsse jeden Morgen natz" im Theater Neu-Ulm teilgenommen.

http://theater-neu-ulm.de/cmsroot/archiv-stuecke/rangel-rungel-ringel/

Für diesen Abend schrieb ich mehrere Texte, die ich dort las und nun auch bei Freitag in der Community veröffentlichen möchte. Inzwischen habe ich schon Die Blaumeisen und Schnappschuss gebloggt:

https://www.freitag.de/autoren/corina-wagner/die-blaumeisen

https://www.freitag.de/autoren/corina-wagner/schnappschuss-im-theater-neu-ulm

Eugen Roth war einst für seine humorvollen Verse bekannt. In seinen Werken findet man ganz wunderbar die Kombination Humor plus Fingerzeig auf menschliche Schwächen. Da bot es sich an, auch auf ihn während der Veranstaltung "Rangel-Rungel-Ringelstern. Ich küsse jeden Morgen natz" im Theater Neu-Ulm aufmerksam zu machen.

Ich habe ihn in einem makabren Text zitiert. :-)

Viel Freude beim Lesen von schwarzem Humor!

Die Beerdigung

Erst neulich wollte ein Mensch namens Dingsbums seinen Beitrag zur Gesellschaft leisten.

Und seine Fähigkeiten als humoriger, tapferer Mensch beweisen. Die Sache hatte einen Haken, auch ein Kreuz. Herr Dingsbums wollte während einer Trauerfeier aufmunternde Worte sagen. Man ist ja schließlich kein Unmensch. Kein Problem, so dachte er anfänglich. Er hatte früher gute Freunde in der alten Heimat. Doch zunächst musste er zu jener Beerdigung mit der Bahn anreisen. Er musste von A nach B und dann nach C am See. Die Trauerrede schrieb Dingsbums im Zug, das war wohl nicht so klug.

Es lag wohl an der Sicht der Dinge. Zwei Nazis saßen ihm eine Zeit lang gegenüber.

Seine Beinfreiheit war deutlich eingeschränkt und böse Blicke wurden ihm geschenkt.

Beide Kerle wirkten wie ferngesteuert, falsch gelenkt. Sie grüßten zackig als sie gingen.

Menschen ohne Bildung, so glaubte er. Er irrte sich.

Danach saß ein Banker ihm gegenüber, ein Abzocker mit Laptop auf dem Schoss, der prompt heißen Tee aus der Designer-Thermoskanne dann vergoss und heiser schrie: <<Mein Spekulanten-Knie! Es wurde spürbar getroffen.>> Das stimmte Dingsbums nachdenklich, machte ihn ein wenig betroffen. Die zwei Nazis kamen wieder zurück und hatten Glück. Im Abteil war noch Platz. Sie hatten eine Fahne und sangen das Deutschland-Lied. Das klang gar nicht gut, irgendwie nach Hass, Wut und verkrustetem Blut.

Dingsbums wurde misstrauisch. Der Typ mit dem verbrannten Knie war bestimmt kein Genie, eher ein Desaster. Ein Mensch mit Schwächen, wie Dingsbums, der seine Trauerrede nun im Geiste weiter schrieb und höflich dann noch sitzen blieb, als der Banker und die Nazis vor ihm ausstiegen. Dingsbums waren diese Typen nicht geheuer. Der Banker wirkte wie ein kleines Ungeheuer, lag wohl auch an seinem Gebiss aus uraltem Zahngold. Das merkte man dann später auch beim Leichenschmaus. Da gingen dem Vorredner die Parolen nicht aus.

Banker Goldzahn war wie Dingsbums zur Beerdigung eingeladen. Und hielt eine Rede. Einzelschicksale. Die zwei Nazis mit der Fahne blieben vor der Tür.

Dingsbums kramte schnell nach seinem Zettel, faltete das zerknitterte Ding auseinander und wollte mit seiner Rede für den toten Sandkastenfreund beginnen. Er konnte das Geschreibsel aus dem Zug nicht mehr lesen, lag wohl an diesem selbstgebrautem Bock-Bier Führer und derer Anzahl vier. Dingsbums musste frei reden, artikulieren und improvisieren.

<<Mein Gott! Der gute Eugen Roth ist auch schon lange tot.>> Kurz herrschte Stille und ein Räuspern folgte.

<<Ein böser Tumor gepaart mit dem Humor von Eugen Roth, so etwas erfreut und das ist nicht gelogen, so manchen heiteren Pathologen. Es menschelt.>>

<<Fakt ist>>, sprach Dingsbums heiter weiter: <<Biopsien wecken witzige Fantasien bei Pathologen und Bankern.>> Da ging ein Raunen durch die trauerende Menge. Man hatte mit anderen Worten gerechnet.

Banker Goldzahn wirkte angespannt. Das Spekulanten-Knie war seit einer Woche als medizinisches Wunder anerkannt. Dafür zahlte er gern, auch für gute Hasstiraden. Dingsbums ließ sich nicht beirren und erzählte heiter weiter. Von Mensch zu Mensch.

<<Im gestörten Gewebe liegt einiges im Argen. Man sollte es stets wagen und noch lebendig in der Pathologie nachfragen, bevor es zu spät ist. Es gibt immer eine Chance nach dem Tod.

Irgendwie auch eisgekühlt in der Pathologie. Die Wissenschaft macht’s möglich, dank Kryokonservierung. Super Trick, dank dem Science-Fiction-Wort: Kryonik! Einfach Einfrieren, später wieder Auftauen und wiederbeleben. Man muss nur der Zukunft vertrauen.>>

Dabei starrte er Bürgermeister Würger an, dessen Halbbruder Pathologe und Hobby-Lyriker ist.

<<Es gibt neuerdings einen gereimten Leichen-Test.>>

<<Nee! Echt, mir wird ganz schlecht!“>>, stöhnte Witwe Krass.

<<Der Wunderdoktor wird dort nun regelmäßig zitiert, das hat mich wirklich nicht schockiert.

Den Bürgermeister Würger schon. Er ist ganz anders als sein Halbbruder, noch vom alten Schlag.

Ich war neulich in der Fakultät, hatte dienstlich hier in der Gegend zu tun. Es war wahrlich noch nicht spät, als ich Dr. Krüger traf. Zu spät allerdings für die reiche Leiche.>>

<<Hört, hört!>>, sagte Banker Goldzahn.

Dingsbums sprach heiter weiter und zitierte Eugen Roth:

<<„Berühmt zu werden liegt an dem: Du musst begründen ein System!“>>

Witwe Krass wurde plötzlich grässlich blass. Es lag wohl am Konsum im Rotweinglas.

Dingsbums sprach trotzdem munter weiter.

<<Lyrik steht seit Neustem auf dem Lehrplan. Ich schlich mich in die Pathologie, um die Studenten und Krüger zu beobachten.>>

Ein Raunen ging durch die trauernde Menge.

<<„Morgenstern las ich schon immer gern!“, gab dort ein fleißiger Student zum Besten und nahm ziemlich rege die Säge zur Hand. Es wurde philosophiert und ein bisschen an der Leiche studiert.>>, sagte Dingsbums.

Witwe Krass verlor das Gleichgewicht und viel direkt auf ihr gerötetes Gesicht.

Banker Goldzahn kam ihr zu Hilfe. Da sah man sein Tattoo am rechten Knöchel.

Ein Raunen ging durch die trauernde Menge.

Dingsbums sprach heiter weiter: <<Zu Lebzeiten war sie ein armer Kerl. Diese reiche Leiche. Eine dreiste Person mit zwielichtigen Kontakten, sonst nichts.

So einer von denen, die gerne heucheln und dessen Gleichgesinnte meucheln. Stimmt‘ Bürgermeister Würger! Er hatte auch ein Konto bei Banker Goldzahn. Und mal ganz unter uns gesprochen:

Nüchterne Studenten am frühen Morgen, die haben grundsätzlich andere Sorgen, als sich über einen toten Politiker aufzuregen. Es ist nicht immer ein Segen, also das Sezieren und Zitieren liegt nicht jedem. Doch wenn man einen Safe-Schlüssel im Fettgewebe der Leiche entdeckt und ein Hakenkreuz am Hintern….

Dann wird der Körper des Toten von Studenten intensiver gecheckt.>>

Witwe Krass hob entsetzt den Kopf und sagte dann ganz leise:

<<Scheiße! Es war Schweinebacke, mein Mann.>>

Ein Raunen ging durch die trauernde Menge.

Dingsbums sprach heiter weiter, auch über die Reaktionen von Dr. Krüger. Bürgermeister Würger verdrehte nur die Augen. Er wollte es nicht glauben. Banker Goldzahn fiel wie im Wahn währenddessen auf sein Spekulanten-Knie, packte Witwe Krass am Arm und flüsterte ihr leise ins Ohr:

<<Krass! Dass verzeih ich ihm nie.>>

Danach zog er sich an ihr brutal hoch, rannte hinaus vor das Haus. Dort warteten die zwei grölenden Nazis auf ihn, sie zeigten keine Empathie.

Witwe Krass fasste sich derweil das allerletzte Mal ans Herz, dass war es dann für sie mit dem Kommerz. Zu tief saß wohl der Schmerz.

Ein Raunen ging zunächst wieder durch die trauernde Menge. Fast zeitgleich fiel draußen ein Schuss. Banker Goldzahn machte mit sich, den zwei Nazis mit Fahne

und dem Spekulanten-Knie wohl endgültig Schluss. Dingsbums, ein Mensch wie Du und ich hätte das niemals gedacht. Das Ganze endete dann ziemlich makaber in einem freudigen Gelaber, glich fast schon einer Orgie. Bürgermeister Würger fiel nach fünf Flaschen Wein nur kurz von seinem Stuhl und lallte dann während des Aufstehens ohne viel Aufsehens noch ziemlich cool: <<Ich bin so traurisch mein Führer.>>

Die zwei Nazis mit Fahne saßen später dann mit Dingsbums wieder im Zug, dessen Lächeln mit seinem letzten Atemzug völlig fehlschlug.

Es menschelte einfach nicht zwischen den Dreien und so landete Dingsbums mit Genickbruch im Freien irgendwo hinter C am See.

<<Mensch Dingsbums! Ich hatte Dich gewarnt, fahr‘ nicht zur Beerdigung von Schweinebacke. So eine verdammte Kacke!>>, sagte Hobby-Lyriker Dr. Krüger einen Tag später in der Pathologie und schob‘ die Leiche Dingsbums ins Kühlfach hinein. Danach blieb er mit ihm und seinen komischen Gedanken noch eine kleine Weile allein…

28.4.2014 © Corina Wagner

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Corina Wagner

Wer das Wort Alphabet buchstabieren kann, ist noch kein/e Autor/in. (C.W.)

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