Donauslam Neu-Ulm

Wagners Randnotiz Sprachkünstler, Poeten, Wortakrobaten, Geschichtenerzähler traten mit selbstverfassten Texten beim Donauslam in Neu-Ulm gegeneinander an...

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Am Donnerstag, den 18.06.2015 fand im Rahmen des Geburtstagsfestivals 20 Jahre Radio free FM der Donauslam im Café D‘ Art in Neu-Ulm statt. Es war eine Kooperation mit KultuReservoir und Cafè D’Art.

Auf der Bühne standen:

- Andy Giordano
- Stefan Grzesina
- Andreas Heck
- Jay Man Jesus
- Jule Kaiserkind
- Leo Leuze
- Dotschka Meteorowa
- Angela Schwärzler
- Corina Wagner

http://www.freefm.de/termine/21231

Wahre Wortakrobaten waren am Werk und das Publikum zollte dies mit großem Applaus. Paolo Percoco (Radio free FM) moderierte souverän den Slam alleine, da Tobias Meinhold (KultuReservoir) überraschenderweise krank wurde.

Die Sängerin Jule Kaiserkind zum Beispiel machte zum ersten Mal bei einem Slam mit und zog mich total in ihren Bann. Die Texte von Jay Man Jesus waren beeindruckend.

Andreas Heck war der Abräumer beim Donauslam und gewann die begehrte Flasche Whisky. :-)

Ich hatte großen Spaß auf der Bühne und band das Publikum in meine Performance ein.

Durch das begeisterte Publikum bleibt es für mich ein unvergesslicher Abend, da alle so schön mitmachten. :-)
Es hätte auch sein können, dass das Publikum während meines Bühnenauftritts total still bleibt, aber das Gegenteil passierte. Toll!

Leider gibt es keine Fotos, aber alles wurde aufgezeichnet. Demnächst wird man die Texte im Kulturradio bei Radio free FM hören können.

Wer will, kann nun nachlesen, was ich während des Donauslams vorgetragen habe:

Geht’s Euch noch gut? Prima. Jetzt müsst ihr mir alle helfen. Hallo wach ist jetzt angesagt.

Zunächst will ich hier von allen ein gemeinsames, kollektives Bäh hören, so ein mit voller Inbrunst angewidertes Igittigitt-Bäh.

Auf 3 geht’s los: 1, 2: Bäh

Sehr schön und wenn ich dann gleich den Arm hoch halte, will ich das Bäh immer vom geneigten Publikum, also von euch hier beim Donauslam hören.

Außerdem

Arm hoch! (Bäh vom Publikum)

benötige ich noch von allen - einen qualitativ hochwertigen Aufschrei des Entsetzens. Auf drei geht‘ s wieder los: 1, 2:

Aufschrei vom Publikum

Och, das geht aber noch besser. :-)

Wenn ich das Bein später anhebe, wenn ich meinen Text rezitiere, wird bitte mit Begeisterung geschrien. Ok?

Wir üben mal noch vorsichtshalber das Bäh und den Aufschrei des Entsetzens. Arm hoch! (Bäh vom Publikum) Bein hoch! (Aufschrei vom Publikum)

Heute Nacht bin ich erwacht und habe wahrlich nicht gelacht.

Es herrschte Weltuntergangsstimmung in meinem neuen Bett.

Kein Wunder, denkt da so mancher von euch insgeheim:

Die Frau ist nun mal graziös adipös, zu fett für ein Abenteuer in einer faltbaren Schaufelbahre.

Arm hoch! (Bäh vom Publikum)

Einen Wahnsinnsschrei ließ ich los.

Bein hoch! (Aufschrei vom Publikum)

Und fragte mich bloß, ob ich das

jetzt alles geträumt habe.

In Versen kann ich es nicht erzählen,

will ich auch nicht, wird ein ätzendes Gedicht.

Ein Freistilgedicht von der übelsten Sorte,

so ein ordinäres, vulgäres, primitives, diffamierendes Wortegeplänkel,

worauf reifere Frauen, aber meistens ältere Männer abfahren und zum Stehaufmännchen werden. Wow!

Arm hoch! (Bäh vom Publikum)

Ältere Herrn gerne sofort stramm stehen und den Bauch spontan einziehen.

Sich meistens anstatt einer altersgerechten Feinripp-Buxe zuzuwenden, dann lieber an einer jugendlichen Latex-Hipster vergreifen und dies natürlich drei Nummern zu klein.

Damit wird dem Ganzen dann Ausdruck, Anschein einer aktiven Potenz verliehen.

Da sollen Frauen nochmals beklagen, sagen, dass Männer nicht multitastingfähig sind,

wenn diese gleichzeitig liebreizend den Kopf verdrehen und mit den Händen gestikulieren. Unterdessen Paarungsgedanken meditieren, sinnieren,

die man besser nicht erahnen will, wenn man Jungfrau oder nur Frau ist und bleibt deswegen lieber still. Oder sagt ganz leise: Gute Reise!

Arm hoch! (Bäh vom Publikum)

Ich hab‘ das alles nur geträumt, so denke ich und erinnere mich:

Die gebrauchte faltbare Schaufelbahre, eine etwas angeschmuddelte Rettungsbahre aus dritter Hand habe ich neulich als legale Ware im Internet ersteigert. Legal und völlig real. Damit habe ich mir einen kleinen Kindheitstraum erfüllt.

Voll cooles Teil mit Schimmelsporen-Effekt, uralten Blutflecken, diversen Keimen und breitflächigen Schweißrändern. In der Tat ein echtes Unikat.

Arm hoch! (Bäh vom Publikum)

Gut manche schreien jetzt lieber.

Bein hoch! (Aufschrei vom Publikum)

In der Betriebsanleitung stand, dass man sie bis zu 159 kg beladen kann.

Ein echtes Schnäppchen.

Heute Nacht musste ich mir sofort alles notieren, woran ich mich noch in Bruchstücken erinnern konnte, als ich mit offenen Augen träumte. In der Beschreibung der Bahre stand unter Punkt Drei keine Schweinerei, sondern: Solide Ehrenrettung, auch fifatauglich. Da grübelte ich.
Ich war plötzlich wie besessen, durfte nichts verträumt vergessen, musste

alles archivieren, schriftlich agieren und deswegen mein Kurzzeitgedächtnis aktivieren. Ich drehte mir zunächst ein Tütchen mit getrocknetem Liebstöckel, Thymian, Trompetenblume und Löwenzahn, rauchte dieses Gemisch anschließend genüsslich, als sei ich nicht von dieser Welt.

Bein hoch! (Aufschrei vom Publikum)

Genau. Wow!

Ich begann elendig zu frieren, ob wohl es dermaßen heiß zuging,

als ich diesen bestialischen Traum nochmals durchlebte und es überall voller Körperflüssigkeiten, frischem Schweiß klebte.

Gefühlte 42 Grad. Ich schwör!

Ich wollte tatsächlich alles in einem Radius von 15 cm malträtieren, liquidieren, um zu demonstrieren: Ich lass‘

mich durch einen abartigen Traum nicht provozieren und schon gar nicht durch ein Tütchen mit getrocknetem Liebstöckel, Thymian, Trompetenblume und Löwenzahn.

Wahnsinn? Völlig irre. In diesem fiesen Traum erwachte ich fast 12 Jahre älter, also mit fast Zweiundsechzig,

gefangen in einem anderen Körper und dies bei Tageslicht.

Arm hoch! (Bäh vom Publikum)

Fatalerweise auch noch mit nacktem Oberkörper.

Könnt ihr euch das jetzt vorstellen? Besser nicht oder doch?

Arm hoch! (Bäh vom Publikum)

Ich stand nicht etwa hinter einem Einbauherd, sondern saß auf einem Pferd und demonstrierte Männlichkeit und Macht. Wow! Denken einige.

Andere:

Arm hoch! (Bäh vom Publikum)

Grässlich, was dann geschah.

Ich kann es für Euch nicht bunt ausmalen.

Die einzelnen Szenen farbenfroh retuschieren und hier an die Wand projetzieren. O nein!

Solche Träume bleiben besser im Verborgenen, lässt sie auf seiner Festplatte ausradieren und eliminieren.

Ich kann nur an die Vernunft, die Menschlichkeit appellieren: auch wenn manche den Verstand verlieren, muss nicht jeder Traum verwirklicht werden…

Danke! :-)

© Corina Wagner, Juni 2015

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Corina Wagner

Wer das Wort Alphabet buchstabieren kann, ist noch kein/e Autor/in. (C.W.)

Corina Wagner

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