Aus dem Tagebuch eines Gaffers
Heute hatte ich einen tollen Tag.
Es lag wohl an dem einen oder anderen Sarg,
den ich vor meinem geistigen Auge sah.
Schaurig schönes Wetter lockte
mich auf die Autobahn,
wie geschaffen zum Sterben.
Wolken wirkten schön aufgebauscht
wie Watte aus dem Verbandskasten,
wenn sie aus der Verpackung gezupft wird.
In der Ferne lachte die Sonne irgendwie fies,
so als wäre sie erfolgreicher Bestatter von Beruf.
Vielleicht lag es am vorbeiziehenden Gewitter.
Ein Regenbogen verführte die Sinne.
Völlig ausgebremst
schaute ich plötzlich zu,
was auf der Gegenseite passierte.
Klasse.
Glück im Unglück!
Es kam zum Stau,
vermutlich wegen mir oder auch ihm oder ihr,
da wir im Schritttempo weiterfuhren,
um alles zu sehen.
Alles.
Toller Crash!
Es hat Tote gegeben.
✝
Verletzte auch.
Er, sie, auch ich
hatten unseren Spaß.
Gaffen liegt uns im Blut.
Wenn wir andere sterben sehen,
tut uns das sowas von gut.
Viele hassen wie ich Rettungsgassen.
Ich bleibe deswegen, wenn möglich
blockierend mit meinem Fahrzeug stehen,
kann nicht jeder der Retter auf Anhieb verstehen.
Für mich Glück im Unglück.
© CoLyrik, Februar 2018
Anmerkung zum Freistil-Gedicht Gafferallüren
Immer wieder aufs Neue behindern Gaffer bei Unfällen Einsatzkräfte. Neugier und Sensationslust der Schaulustigen kennen keine Grenzen mehr. Jene Menschen leisten keine Hilfe und bringen sich zum Teil selbst und andere in Gefahr, um alles in Bild und Ton festzuhalten. Gaffern ist es in Gefahrensituationen anscheinend völlige egal, dass sie wegen unterlassener Hilfeleistung belangt werden könnten. https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__201a.html
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