Gehen - Lesen - Singen

Wagners Randnotiz Gehen - Lesen - Singen, ein Stadtspaziergang der besonderen Art mit Corina Wagner

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Folgender Beitrag ist für all jene lieben Menschen in der Community gedacht, die am Freitag nicht in Ulm dabei sein konnten, aber mir die Daumen drückten. :-)

Gehen – Lesen – Singen, ein Stadtspaziergang der besonderen Art, so laute meine Veranstaltung, die im Rahmen 20 Jahre Radio free FM nun am 05.06.2015 stattfand. Zum Geburtstagsfestival von Radio free FM gibt es im Zeitraum vom 30.05. – 20.06.2015 insgesamt 28 Veranstaltungen in 25 Locations. Seit 1995 wuchs aus dem Projekt der Ulmer Jugendkulturszene ein Verein mit rund 400 Mitgliedern. Inzwischen garantieren 140 Redakteuren in 70 Redaktionen 24 Stunden Sendezeit und dies bis heute ganz ohne Kommerz. Diese tolle Entwicklung des Radiosenders wird nun gefeiert. So reifte Ende 2014 meine Idee einen besonderen Stadtspaziergang in Ulm durchzuführen. Ich wollte an Stellen in Ulm singen, wo zu vor noch niemand ein Lied oder Arie A-Cappella sang. Es sollte ein Mix aus Prosa, Lyrik und Liedern werden, so dass dadurch eine „Multi-Kulti-Tour“ entstand, die u.a. nun aus insgesamt 10 Liedern besteht. Nachdenkliches, aber vor allen Dingen der Humor sollte beim Stadtspaziergang nicht zu kurz kommen.

http://www.freefm.de/termine/21214

So durften z.B. am Freitag alle VeranstaltungsbesucherInnen unter der Ulmer Eisenbahnbrücke, die mittlerweile zur Liebesschlösser-Brücke mutiert ist, auch ein kollektives, individuelles Herzschmerzgestöhne durchführen. Diesen Spaß machten alle mit. :-) Wow! Mit voller Inbrunst wurde da gestöhnt. :-)

An dieser Stelle bedanke ich mich herzlich bei denjenigen, die mir die Erlaubnis erteilt haben an jenen Stellen in Ulm singen zu können. Es war ein echtes Experiment, weil ich nicht wusste, wie wohl die Akustik sein wird, wenn ich z.B. in einem Hauseingang, im Treppenhaus des Donauschwäbischen Zentralmuseums, am Metzgerturm, auf der Ulmer Rathaustreppe, oder z.B. in der Kunsthalle Weishaupt auf der riesengroße Treppe stehe und singe. Treffpunkt war zunächst die Martin-Luther-Kirche in Ulm, die am Jakobsweg liegt. Hier wurden die VeranstaltungsbesucherInnen von mir herzlich begrüßt, die vermutlich gerne länger dort verweilt hätten. Da es draußen sehr heiß war und das Thermometer gegen 15 Uhr über Dreißig Grad anzeigte. Die Kirche war meine erste Station des Stadtspaziergangs. Ich sang in der Kirche das Lied Panis angelicus von Cesar Frank. Danach erzählte ich einige Eckdaten zur Kirche und zum Zweiten Weltkrieg, um dann mit den VeranstaltungsbesucherInnen in die Mediale Erinnerungsstäte der Weißen Rose zu gehen, die sich im westlichen Treppenhaus im Aufgang zur Orgelempore und zum Paul-Gerhardt-Saal befindet. Ab 1942 wurden im verborgenen Orgelkämmerchen die Flugblätter der Weißen Rose u.a. von Sophie und Hans Scholl zum Versand fertig gemacht. Dort sang auch noch niemand zuvor. Weltpremiere. Ich sang das jüdische Lied Papir is doch waiß und rezitierte das Gedicht Pro Toleranz, das ich bislang nicht veröffentlich habe.

Pro Toleranz

Rassismus ist allgegenwärtig,

auch in diesem Jahr,

ob mit oder ohne Flubbergel im Haar,

glattrasiert, gestylt oder unauffällig bärtig.

Die Intoleranz ist zum Glänzen jederzeit fertig.

Beängstige Tendenzen im neuen Format

stehen von Ideologen für eine Ausdehnung parat.

Überall in Europa ist greifbarer Rassenhass da.

Tendenz steigend.

Wer stumm bleibt, agiert deplatziert schweigend.

Empört Euch!

Im unaufgeklärten Kopf fängt Antisemitismus an.

Man kann Rassismus

definieren, bagatellisieren, etablieren, forcieren,

analysieren, dramatisieren,

debattieren, düpieren, auch boykottieren.

Jeder Mensch ist ein Individuum,

auch Rassisten, die diese Tatsache dissen,

ausblenden oder schlichtweg nicht wissen.

Wer Menschen in Rassen einteilt,

handelt intolerant, fatalerweise dumm.

Tolerante Menschen

bleibt bitte nicht stumm!

Empört Euch!

Rassistisches Gedankengut

findet man erschreckenderweise

im häufiger in deutschen Landen.

Steigender Rassenhass

tut dem Allgemeinwohl nicht gut.

Toleranz kann man erlernen

wie das Ein mal Eins in der Schule.

Empört Euch, zeigt Toleranz,

kommt in Aufklärungsrage

und zeigt allen Rassisten Zivilcourage!

Damit es menschelt…

© Corina Wagner, 2015

Nach diesen Worten ging es zur nächsten Station des Stadtspaziergangs. Ein Hauseingang wurde zur Bühne und das nächste Lied erklang…

Mein persönliches Fazit: Alle waren begeistert und diese Tatsache freut mich sehr. Paolo Percoco hat fleißig während des Stadtspaziergangs Tonmaterial gesammelt und will in einer Ausgabe der Radiosendung Ulmer Freiheit darüber bei Radio free FM berichten. Es gab auch für mich eine super schöne Überraschung, die ich in der Multimedialen Erinnerungsstätte erlebte. Nachdem ich die Treppen herunterging, um mit den Veranstaltungsbesuchern nach draußen zu gehen, stand plötzlich meine Schwester wie aus dem Nichts da. War es die Hitze? Halluzinationen wegen der Sommerhitze? Nein, sie stand da und begrüßte mich. Sie war zuvor zunächst 250 km gefahren, um mich zu überraschen. Leider stand sie zwei Stunden lang im Stau und schaffte es nicht mehr pünktlich vor Ort zu sein. :-) Jene Menschen, die mich beim Stadtsparziergang begleiteten amüsierten sich wohl über meinen Gesichtsausdruck.

Mein herzlicher Dank gilt auch Elv Sträuber und Bernhard Gärtner, die mir ihre Fotos zur Verfügung stellten...

Elv Sträuber hat sogar bei Youtube zwei Videos eingestellt.

https://www.youtube.com/watch?v=bKrKIzzRBf8

https://www.youtube.com/watch?v=E5pXUw41-6Y

Kunsthalle Weishaupt, Lied: Morgen von Richard Strauss
Auf dieser Treppe hat noch kein Mensch zuvor gesungen.

:-)

http://i57.tinypic.com/3160k8w.jpg

Bildquelle: © Elv Sträuber
Corina Wagner kurz bevor sie A-Cappella singt und Paolo Percoco ist schon gespannt, was zu hören sein wird. :-)

http://i61.tinypic.com/20r0f9k.jpg

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Corina Wagner

Wer das Wort Alphabet buchstabieren kann, ist noch kein/e Autor/in. (C.W.)

Corina Wagner

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