Kinofilm „Spiel des Lebens“ – Drehort Ulm

Komparsin Wagner Komparsen gesucht! "Warum nicht?", so dachte ich... Einmal hinter die Kulissen sehen...

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Derzeit wird in Ulm ein Kinofilm gedreht, der im Herbst 2014 in die deutschen Kinos kommen soll und 2015 im Fernsehen ausgestrahlt wird. Auf der Homepage von if…Productions kann man folgendes über die Film-Komödie „Spiel des Lebens“ nachlesen:

„Aus heiterem Himmel wird der Schauspielerin Anna am Ulmer Stadttheater gekündigt. Eben noch auf der Bühne findet sie sich nun im Jobcenter wieder und steht plötzlich sieben „Hartz IV - Vogelscheuchen“ gegenüber, mit denen sie als verpflichtende Bildungsmaßnahme „Antigone“ einüben soll. Trotz gewaltiger Widerstände formt sich allmählich eine Gruppe, in der verborgene Talente sichtbar werden, Vertrauen keimt und alte Wunden heilen. Am Ende tritt jeder einzelne zurück ins Rampenlicht. Auch Anna die nun endlich eine Hauptrolle übernimmt - in ihrem eigenen Leben.“

Regisseur und Autor Oliver Haffner dreht diese Kinokomödie mit bekannten Darstellern. Davon konnte ich mich nun persönlich überzeugen. Katharina Marie Schubert spielt z.B. die arbeitslose Schauspielerin Anna und Eva Löbau Frau „Schnallenberger“.

Man wird aber auch Dimitri sehen, der von Adam Bousdoukos dargestellt wird. Ihn kennen viele durch die Filmkomödie Soul Kitchen. :-)

Vor einigen Wochen erhielt ich eine E-Mail, ob ich Lust hätte als Komparsin zu agieren. Klar doch, dachte ich, warum nicht, dann kann man als Laie hinter die Kulissen sehen. Ich wusste, was mich als Komparsin erwarten würde, denn im Ulmer Theater sollte nach dem normalen Spielbetrieb gedreht werden. Gegen 22 Uhr sollten die kontaktierten Komparsen vor Ort sein. Voraussichtliche Drehzeit: 22 Uhr – 6 Uhr.

Es ist heutzutage kein Geheimnis mehr, dass in der Film- Branche Arbeitszeiten von 12-14 Stunden keine Ausnahme sind. Leute, die mit der Branche vertraut sind, wissen auch, dass dies eher die Regel ist. Wer im Film-Team arbeitet, gibt Alles am Set, arbeitet oftmals bis zur Erschöpfung, ob nun z.B. in Funktion des Regisseurs, des Beleuchters oder der Schauspieler. Nicht selten müssen Menschen, die in dem Metier arbeiten, zwischen den einzelnen Jobs auch mal Jobcentern einen Besuch abstatten, um sich arbeitslos zu melden. Dies ist oftmals ein schwieriges Unterfangen, weil diese dann der Willkür von Jobvermittlern ausgesetzt sind.

Die Berufsbezeichnung „Schauspieler“ ist zum Beispiel immer noch nicht geschützt und genaue Arbeitslosenzahlen gibt es anscheinend nicht. Ich habe während Recherchen im Internet gelesen, dass es angeblich ca. 10000-15000 arbeitslose Schauspieler in Deutschland gibt, aber auch offizielle Zahlen von 3000 gemeldeten Erwerbslosen. Aktuelle Daten habe ich im Netz keine gefunden, aber Artikel, die nachdenklich stimmen. Die Gehälter sind auch nicht das Gelbe vom Ei. Nur wer sehr berühmt ist, verdient ganz ordentlich. Und deshalb sollte man als Kino- und FernsehzuschauerIn wissen, dass so ein produzierter Film kein Honigschlecken ist. Da kann eine Szene, die vielleicht im Film nur 3-4 Minuten dauert, dann einen ganzen Drehtag bedeuten. Das Budget für einen Film lässt manchmal nur viel Spielraum für die Liebe zum Beruf. Die Faszination „Leinwand-Atmosphäre“ bietet keine Altersabsicherung. Es sei denn, man gehört zu den Auserwählten in der Branche.

Am vergangenen Samstagabend sollten 200 Komparsen ins Ulmer Theater kommen, 815 Zuschauer finden im Großen Haus Platz. 144 Komparsen erschienen gutgelaunt. Dank sozialer Netzwerke in der Region erschienen Menschen wie ich, die dem Film-Team unentgeltlich helfen wollten, damit der Film ein Erfolg wird. Paolo Percoco, ein Freund, den ich durch Radio free FM kenne, übernahm den Job der Komparsen-Betreuer. Er war auch derjenige, der mich persönlich dazu aufmunterte, mitzumachen.

Ich hatte am Samstag Premiere, da ich das erste Mal als Komparsin agierte, traf an dem Abend viele bekannte Gesichter aus der regionalen Kreativbranche und dies freute mich sehr.

Beim ersten Dreh war ich mit dabei. Da hielten sich noch ein Großteil der Komparsen im Foyer auf, die zum Zeitvertreib ein tolles Buffet zur Ablenkung hatten. Ich saß währenddessen mit den anderen als Publikum im Großen Haus. Ich will nicht bis ins kleinste Detail beschreiben, was alles passierte. Inzwischen berichtete auch die SWP über den Dreh im Theater. Ich trug zu Anfang eine rote Jacke, bin auf dem Bild in der Zeitung zu sehen. Reiner Zufall. http://www.swp.de/ulm/lokales/ulm_neu_ulm/Regisseur-Oliver-Haffner-dreht-im-Theater-Ulm-einen-Kinofilm;art4329,2337032

Später wurden dann die Outfits gewechselt und mehrmals die Sitzpositionen ausgetauscht. Später trug ich eine grünschwarze Jacke.

Produzent Ingo Fliess blieb bis zum Schluss des Drehs, der am nächsten Morgen endete und ließ das Film-Team mit den vielen Komparsen nicht im Stich. Diese Tatsache fand ich sehr sympathisch. Regisseur Haffner wirkte überhaupt nicht abgehoben. Alles ging sehr gesittet zu. Und Regieassistent Flo Stangel hielt uns alle bei Laune. Ein Typ mit dem man Pferde stehlen kann.

Ich war von der Disziplin des gesamten Film-Teams so sehr fasziniert, dass ich bis zum Schluss der Aufnahmen im Ulmer Theater blieb. Ich harrte mit anderen Begeisterten oder auch Verrückten bis 4.45 Uhr aus, dann war der letzte Dreh fertig. Die meisten der Komparsen „opferten“ sich nicht solange für die hohe Kunst des Films und durften nach Hause. Ich sah in jener Nacht zu, wie alle Beteiligten Zunehmens erschöpfter wirkten, aber immer noch hochkonzentriert am Set arbeiteten. Das Team verließ gegen 6 Uhr den Drehort. Am Sonntagabend erhielt ich nochmals eine E-Mail, ob ich Lust hätte zur HfG (Hochschule für Gestaltung) auf den Hochsträß/Ulm zu kommen. Man hat das Gebäude kurzerhand als Jobcenter umgestaltet. Neulich wurde dort bereits gedreht. Die Augsburger Allgemeine berichtete darüber. http://www.augsburger-allgemeine.de/neu-ulm/Schauspieler-spielen-Schauspieler-id27931102.html

Ich sagte spontan zu. Am späten Nachmittag war ich dann wieder einige Stunden am Drehort. Ich sah z.B. einen Mann, der sich im Gebäude auf eine Bank legte, anscheinend wollte er dort kurz ruhen. Später bemerkte ich erst, dass dies wohl der Schauspieler Paul Faßnacht gewesen sein muss. An mir liefen ganz unspektakulär bekannte SchauspielerInnen vorbei, die überhaupt keine Starallüren zeigten und dies finde ich ganz großartig. Paolo war auch wieder mit dabei. Er kontaktierte gegen 15 Uhr Gisela Glück-Gross, ob sie nicht als Komparsin einspringen könnte. Sie ließ ihre Gartenarbeit ruhen und verwandelte sich ca. zwei Stunden später zur Jobcenter-Sachbearbeiterin. Gisela ist die Vorsitzende der IGU (Initiative Grundeinkommen Ulm), weiß vermutlich keiner des Film-Teams. Ich habe Gisela während eines Workshops bei Radio free FM kennengelernt. Eine taffe Frau, die ich in mein Herz geschlossen habe. Sie brachte goldene Kronen aus Papier mit ans Set, eine aktuelle Aktion ihrer Initiative. Innen steht: „WENN JEDER SEIN EIGENER KÖNIG IST, MUSS KEINER DER KÖNIG DES ANDEREN SEIN!“ Zitat Michael Sennhauser, Schweizer Radio DRS http://www.grundeinkommen-ulm.de/wir-%C3%BCber-uns/

Ich lief als Jobcenter-Besucherin in Begleitung eines jungen Komparsen namens Karel durchs Bild. Er ist KFZ-Mechaniker von Beruf. Alle Beteiligten am Set zeigten sich wieder sehr diszipliniert.

Spät abends saß ich dann noch vor dem PC, um an einem Manuskript zu arbeiten, da entdeckte ich eine E-Mail von Flo, dem Regieassistenten. Er schrieb die Komparsen nochmals an, ob jemand am nächsten Tag bei einem Dreh in einer Ulmer Kneipe dabei sein könnte. Ich zögerte keine Minute und sagte zu. Gegen 10 Uhr sollte ich am Drehort sein. Vor der Kneipe „Rosebottle“ stand ein großer Laster für das ganze Equipment. In einer Seitenstraße parkte eine rollende Künstlerkantine, damit die Filmcrew bei den Dreharbeiten nicht verhungert. In der Kneipe wurde auf engstem Raum gedreht, ganz viele fleißige Menschen wuselten herum, die ihr Geld in der Filmbranche verdienen. Ich bekam quasi alles hautnah mit, war ganz dicht dran am Geschehen. Ca. sieben Stunden war ich vor Ort, dann musste ich zu einer Sitzung.

Unter dem Motto: „Ein schöner Rücken kann auch entzücken“, so verbrachte ich stundenlang an einem Tisch. Filmklappe für Filmklappe. Im Film wird man mich dann in dieser Kneipe nur von hinten sehen, da ich schon zuvor als Komparsin im Bild war. Der Film soll glaubwürdig bleiben. Ich mimte eine Frau, die mit zwei Männern am Tisch sitzt und sich köstlich amüsiert. Und dies stimmt tatsächlich, denn die männlichen Komparsen waren total witzig. Sie lernte ich an diesem Tag kennen.

Bekannte Ulmer Gesichter sah ich auch am Set, so z.B. Andreas Usenbenz von der Klangmanufaktur Ulm. Andreas ist von Beruf Soundingenieur und nahm schon meinen Gesang auf. Ich entdeckte ihn auch beim Dreh im Theater. In der Kneipe war er also auch den ganzen Tag mit dabei, sah zu wie Hauptdarstellerin Anna quasi den neuen Regisseur des Ulmer Theaters unter den Tisch säuft, also sie saßen beide am Dresen und taten so. Filmklappe für Filmklappe. Stundenlang, bis alles perfekt im Kasten war. Ulmer Gestalt Volker Miosga, Fotograf von Beruf, lief mir auch über den Weg. Volker fotografierte mich mit Jens Krijger vor der Kneipe. Beweisfotos für das nächste Ulmer Gestalten-Treffen? Abwarten...

Übrigens weiß ich nun, dass man alkoholfreies Bier, das schon ein bisschen länger im Glas verweilt mit einem Milchaufschäumer wieder in Szene setzen kann. Ich bin sehr froh und dankbar, dass in meinem Glas nur Wasser war. :-) Außerdem weiß ich nun, dass zum Beispiel Schauspielerinnen auf dem Klo in der Nähe des Drehorts keine Selbstgespräche führen, sondern ganz nebenbei laut ihren Text üben.

Fazit: Etliche Stunden Freizeit habe ich nun für die Filmindustrie investiert. Ich konnte hinter die Kulissen schauen und feststellen mit welchen Tricks, aber auch alltäglichen Hindernissen Menschen, die in der Filmbranche arbeiten, beim Dreh zu tun haben. Es steckt verdammt viel Arbeit in einem Kinofilm. Ein Knochenjob mit wenig Schlaf und viel Herzblut.

Chapeau! Das Film-Team hat mich beeindruckt.

Info

Drehbuch und Regie: Oliver Haffner
Produzent: Ingo Fliess
Kamera: Kaspar Kaven
Produktionsleitung: Jennifer Six
Ton: Rüdiger Fleck
Maske: Rebecca Koch
Szenenbild: Christine Bentele, Hannes Hartmann
Kostüm: Christian Röhrs, Juliane Maier
Montage: Anja Pohl
Redaktion: Ulrich Herrmann

Mit
Katharina Marie Schubert (Anna)
Adam Bousdoukos (Dimitri)
Canan Kir (Linda)
Rick Okon (Max)
Paul Faßnacht (Franz)
Rainer Furch (Hubert)
Maik Solbach (Alfred)
Marion Breckwoldt (Betty)
Katharina Hauter (Friederike)
und Eva Löbau als "Frau Schnallenberger"


Koproduktion mit dem SWR
Treatment und Drehbuch gefördert von der FFA
Produktion gefördert von der MFG Baden-Württemberg

Quelle: http://www.ifproductions.de/Projekte/Spielfilme/SPIEL-DES-LEBENS

Nachtrag: 6.12.2013

Ergänzung zur Kronen-Aktion

Gisela Glück-Gross hat mir heute geschrieben, dass es die Kronen-Aktion schon lange von www.kroenungswelle.net gibt, die verschiedene BGE-Initiativen nutzen dürfen, um das Thema Grundeinkommen in der Öffentlichkeit bekannt zu machen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Corina Wagner

Wer das Wort Alphabet buchstabieren kann, ist noch kein/e Autor/in. (C.W.)

Corina Wagner

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