KZ-Gedenkstätte Mauthausen

Wagners Randnotiz Mauthausen - ein Ort des Massenmordes, ein "Tatort"

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KZ-Gedenkstätte Mauthausen

Am Tag der Europawahl besuchte ich die KZ-Gedenkstätte Mauthausen. Bevor ich in Österreich Urlaub machte, nutzte ich für die anstehende Europawahl die Form der Briefwahl. Gerade diese Wahl war, wenn man sich so in und um Europa herum umschaut, keine „Larifariwahl“. Deshalb, so empfinde ich zumindest, sollte man als mündiger, wahlberechtigter Mensch vom Wahlrecht Gebrauch machen. Wer nicht zur Wahl geht, sich zuvor nicht richtig informiert und sich eventuell durch Halbwahrheiten manipulieren lässt, muss sich später nicht wundern, was da so in Europa passiert, vielleicht sogar in der eigenen Verwandtschaft, im Bekanntenkreis geschieht oder vor der nächsten Haustüre stattfindet. Bildung und Aufklärung ist das Wichtigste, um das Entstehen von Diktaturen zu vermeiden, die heutzutage in manchen Ländern wieder angestrebt werden.

Nun weiß ich natürlich, wie am 26. Mai 2019 in Deutschland, aber auch in Österreich und den anderen europäischen Ländern gewählt wurde. Im jetzt neu gewählten Europäischen Parlament hat sich inzwischen eine neue Fraktion gebildet, die von der rechtsradikalen italienischen Regierungspartei Lega angeführt wird. Dieser Fraktion gehören rechtsnationale und rechtspopulistische Parteien aus neun Ländern an. Dazu gehören z.B. auch die AfD und FPÖ. Manche finden diese neu gebildete Fraktion im Europaparlament prima, andere nicht oder haben überhaupt keine Meinung dazu. Es ist ihnen völlig egal, ob die neuen Rechten immer mehr an Macht gewinnen. Solche Menschen, denen alles egal ist, muss man aushalten können, aber keine „Hitlergrüße“ von Rechtsradikalen, denn diese sind verboten. In Deutschland ist der Hitlergruß eine Straftat. Wer diesen also öffentlich zeigt, macht sich strafbar(§ 130 StGB – Volksverhetzung). Die Hitlergrüße nehmen in der Öffentlichkeit zu. Viele sehen weg. Antisemitismus nimmt in der öffentlichen Wahrnehmung zu. Die deutsche Polizei hat deutlich mehr antisemitische Straftaten für 2018 verzeichnet. Die Zahl der antisemitischen Gewalttaten hat sich voriges Jahr fast verdoppelt. In Österreich haben antisemitischen Vorfälle ebenfalls zugenommen. Antisemitismus ist allerdings auch ein globales Problem.

Damals, nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten fing die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung, politischer Gegner und sozialer Randgruppen an. Deshalb wurde nach dem „Anschluss“ Österreichs als Standort für ein Konzentrationslager Mauthausen gewählt. Am 8. August 1938 kamen die ersten Häftlinge aus dem KZ Dachau dorthin.

Wenn man wie ich an einem sonnigen Tag wie jenem, dem Tag der Europawahl, mittags in Mauthausen mit einem Audioguide bestückt steht und zu Beginn des Rundgangs ins Tal auf eine Wiese mit Bäumen blickt, dann will man eigentlich die Ruhe genießen. Man hört friedlich Vögel zwitschern, sieht aber auch einige wenige Menschen, die sich still verhalten. Zunächst vermutet man dort nicht unbedingt Gräber, wenn man mit genügend Abstand vom Hügel aus hinüber hinsieht. Sobald man die Nummer eingibt, die auf einer Tafel für den Audioguide steht, sieht man diese hübsche Gegend mit ganz anderen Augen. Der schöne Schein der Landschaft erweist sich als trügerisch, befinden sich doch dort Tausende von Todesopfern der NS-Zeit. Wenn man ein Mensch mit Empathie ist, lässt die Gewissheit, dass dort nun überall viele Tote liegen, nicht kalt. Da denkt man mal über das eigene Leben nach, wie gut es einem geht, dass man zu jenen Personen der Weltbevölkerung gehört, die in Frieden aufwachsen konnten. Ich darf meine Meinung frei äußern und muss keine Angst haben, dass ich deshalb verhaftet werde. Auch jetzt im Jahr 2019 werden in vielen Regionen der Welt Kinder immer noch während eines Kriegs geboren. Kinder werden aber auch getötet. Sie sind Kriegsware. 2018 fanden weltweit 24 Kriege und 4 sogenannte bewaffnete Konflikte statt.

In den Konzentrationslagern Mauthausen und Gusen oder einem jener Außenlager wurden von 1938 bis 1945 ca. 190.000 Menschen aus ca. 40 Nationen inhaftiert. Mehr als 90.000 Menschen wurden dort umgebracht. Die SS vollzog systematisch Massenmord. Menschenleben wurden einfach ausgelöscht.

Im KZ Mauthausen gab es eine Gaskammer. Tausende Menschen wurden dort in den Jahren von 1942 bis 1945 mit Zyklon B getötet. Die SS entfernte kurz vor der Befreiung des Lagers die technischen Anlagen der Gaskammer. Sie wollten Spuren des Massenmords verwischen. Dies gelang ihnen keineswegs, vielleicht lag es auch daran, dass jenes KZ in Österreich als zentraler Ort für rassistische, politische und soziale Verfolgung durch die Nazis während des Dritten Reichs galt. Seit 1949 ist das ehemalige KZ Mauthausen nun die zentrale staatliche Gedenkstätte in Österreich. Allerdings trug diese Tatsache im Laufe der Jahre dazu bei, dass die Orte der Außenlager, gerade aber auch z.B. das KZ Gusen immer mehr in Vergessenheit gerieten. Wenn man junge, aber auch ältere Personen nach den Konzentrationslagern befragt, die es damals während des Dritten Reichs gab, werden die meisten vermutlich die Orte Dachau, Auschwitz und Mauthausen nennen. In diesem wenig bekannten Konzentrationslager Gusen waren jedoch mehr Menschen als im Hauptlager Mauthausen interniert.

Auf dem Gelände des Konzentrationslagers in Mauthausen, dort wo früher die SS-Quartiere standen, gibt es einen Denkmalpark. Ab 1949 entstanden dort viele nationale Denkmäler. Dieser Denkmalpark ist sehenswert, da er einzigartig ist. Die Denkmäler sprechen ihre ganz eigene Sprache. Über die jeweilige Außenwirkung, die diese Denkmäler auf Besucher ausstrahlen, kann man wahrlich debattieren. Läuft man durch diesen Denkmalpark, dann wird man auch mit dem Tod im Steinbruch konfrontiert. 1941 und 1942 wurden überwiegend holländische Juden von SS und Kapos von der Steinbruchkante aus in den Tod gestoßen. Damals schrieb man in die Lagerdokumente, das jene Getöteten Suizid begingen und somit wurde der „Freitod durch Sprung in die Tiefe“ eingetragen. Die SS-Leute nannten jene ermordeten Häftlinge zynisch „Fallschirmspringer“. Heute kann man als Besucher des Denkmalparks genau an jener Stelle von damals stehen, direkt am Abgrund. Allerdings wird man durch eine Glasscheibe aus Sicherheitsglas vor einem Absturz in die Tiefe geschützt. Die Natur hat sich im Laufe der Zeit den Steinbruch wieder zurückerobert und deshalb mildert die heutige Bepflanzung den direkten Blick nach unten im Gegensatz zu damals ein bisschen ab. Wenn man aber die Augen schließt und nur für einen Moment lang versucht, sich in einen Menschen hineinzuversetzen, einen KZ-Häftling, der von einem SS-Mann von dieser Steinbruchkante gestoßen wurde, dann ist man anschließend sehr froh, dass man in der Jetztzeit lebt und keine reale Todesangst aushalten muss, bevor man stirbt. In den KZ-Steinbrüchen in Mauthausen und Gusen arbeiteten im Jahr 1942 mehr als 3.300 Häftlinge. Sie unterstanden dabei einem SS-Kommandoführer und wurden von Mithäftlingen, sogenannten Kapos, zur Zwangsarbeit angetrieben.

Auf dem KZ-Gelände kann man all das Grausame aus dem Dritten Reich sehen, hören und lesen. Man kann z.B. die Ausstellung Der Tatort Mauthausen – Eine Spurensuche ansehen. Die Unmenschlichkeit spürt man überall, so auch in einem der historischen Lagergebäude, dem einstigen „Krankenrevier“. Dort ist das Museum. Die Ausstellung "Das Konzentrationslager Mauthausen 1938-1945" zeigt ungeschminkt die pure Vernichtung von Leben. Außer über 100 Originalobjekten, die die KZ-Geschichte verdeutlichen, gibt es z.B. ca. 30 Video- und Audio-Interviews. Überlebende des Lagers kommen in den Beiträgen zu Wort, aber auch Personen, die in der Nähe des KZ lebten.

Anna Bergman (geb. Kaudrová) ist eine der Überlebenden. Sie war zunächst in Theresienstadt, in Auschwitz und dann Freiberg, einem Außenlager des KZs Flossenbürg. Dann wurde sie im April 1945 evakuiert und überstand unter unmenschlichen Bedingungen hochschwanger eine dreiwöchige Fahrt in einem Kohlewaggon nach Mauthausen. Kurz nach der Ankunft wurde ihre Tochter Eva geboren. Das Baby wog 1,5 kg. Sie hatte großes Glück, denn an jenem Tag der Ankunft in Mauthausen war die Gaskammer nicht in Betrieb, so erzählt sie u.a. während des Interviews.

Zitat Anna Bergmann: „Ich war ein hochschwangeres Skelett“.

https://www.mauthausen-memorial.org/de/Wissen/ZeitzeugInnen/Anna-Bergman-(geb-Kaudrova)-Grossbritannien

Im Untergeschoss des Museums befindet sich der Raum der Namen. In diesem neugestalteten Gedenkraum werden alle Verstorbenen vom KZ Mauthausen/Gusen aufgelistet, die namentlich bekannt sind. Alle Namen wurden nach zufälliger Anordnung auf horizontal liegenden Glasplatten gedruckt. Gedenkbücher liegen dort aus. Nun besteht die Möglichkeit gezielt nach Personen zu suchen. Ca. 81.000 Tote sind bislang namentlich erwähnt, die in den Jahren 1938-1945 im KZ Mauthausen und seinen Außenlagern starben.

Ich war auch während meines Rundgangs in dem Bereich der Gaskammer. Ein beklemmendes Gefühl stieg in mir hoch, aber auch tiefe Traurigkeit und Empörung, da es immer noch Holocaustleugner gibt. An jenem Ort lag ein Buch für Besucher aus, um dort seinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Ich las dort z.B. die Forderung nach mehr "Frauenrecht". Ich trug mich auch ein. Es war ein sehr emotionaler Moment. Deshalb schrieb ich mit großer Schrift mein Gedicht "Schluss mit Rassismus" in das Besucherbuch, damit man jene Zeilen nicht übersieht. Obwohl ich nicht glaube, dass diese Zeilen Rassisten lesen werden. Sie verirren sich wahrscheinlich nicht dorthin oder etwa doch?

Schluss mit Rassismus

Heute, morgen, jederzeit - sei dafür bereit -

erhebe Deine Stimme gegen Hass, Diskriminierung,

Hetze, Verachtung, Erniedrigung, Beleidigung.

Zeige Zivilcourage, trau‘ Dich, so wie ich

heute, morgen, jederzeit - überall, weit und breit.

Sag‘ es laut: Stopp! Schluss mit Rassismus!

Dein Mut, mein Mut tut anderen Menschen gut.

Kein Rassismus

nirgendwo, nah und fern.

Eingebetteter Medieninhalt

Infos, Quelle: https://www.mauthausen-memorial.org/

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Corina Wagner

Wer das Wort Alphabet buchstabieren kann, ist noch kein/e Autor/in. (C.W.)

Corina Wagner

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