Lauf des Lebens

CoLyrik Wir laufen durchs Leben, das mal mehr oder weniger ziemlich humorvoll sein kann. Manchmal sehe ich Menschen, denen ich im Dunkeln nicht alleine begegnen möchte ...

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Der Totenkopf-Pfad

Immer wieder wird man vom Grauen des Zweiten Weltkriegs eingeholt, als wolle diese menschenunwürdige Zeit in einem nicht enden wollenden Marathonlauf gewinnen. Die Schrecken dieser Sekunden, Minuten, Stunden, Monate, Jahre haben grausame Spuren hinterlassen – kleben wie eklige Scheiße am Laufschuh vieler älterer Menschen. Manchmal tauchen Indizien auf, die dann bislang unbescholtene Leute von der Überholspur ins Abseits drängen, kratzt man am Profil der Sohle. Es gibt aber allerdings auch Auswertungen von Profilabdrücken jüngerer Menschen, deren Sohlen dermaßen mit extrem braunem Belag verkrustet sind, dass einem angst und bange werden kann. Zumal wenn man dann Kenntnis davon hat – in welchem Morast diese oftmals bis zu den Knien stecken, obwohl sie eigentlich Verbotsschilder lesen können, um auf dem regulären Weg zu bleiben.

Wenn es gut läuft, dann kommt man fast fehlerfrei, quasi ohne Naziparolen durchs Alltagsleben, auch ohne spezielles Schuhwerk, liegt wohl auch am persönlichen Umfeld.

Es kommt nicht immer auf die Laufsohle, sondern auf den Schritt, auch z.B. den Stechschritt an, was im Schuh steckt und vor allen Dingen dem Rest, der da dran hängt, welche Ideologien beim Laufen vertreten werden.

Nächste Generationen sollen weiterhin ermahnt werden, dass es keine Lappalien sind, wenn man Fehltritte auf Kosten von Unschuldigen begeht, die daran elendig zugrunde gehen. So sollte man meiner Ansicht nach auch an das Schuhläufer-Kommando erinnern, eine Strafabteilung im Konzentrationslager Sachsenhausen.

Schlecht ernährte Häftlinge liefen bis zu 48 Kilometern auf einer Schuhprüfstrecke und testeten Schuhe. Manche Häftlinge mussten schwere Säcke schleppen. Konservative Schätzungen ergaben, dass damals bei den Materialtests im Konzentrationslager täglich ca. 15-20 Häftlinge starben und dies in einem Zeitraum von fünf Jahren. Bekannte Schuhfabriken wie Salamander waren daran beteiligt. Bei Wind und Wetter mussten die unternährten Häftlinge über die 700 Meter lange Schuhprüfstrecke. Asphalt,aber auchSplit, Gras, Lehm, Schotter, Schlacke lagen auf der Strecke, die die Häftlinge im Auftrag der deutschen Schuh- und Leder-Ersatzstoff-Industrie bewältigten. Die Schuhe sollten bis zum völligen Verschleiß abgelaufen werden, passten oftmals nicht. Blasen und zerschundene Füße wirkten wie Folter an den Häftlingen. Den ganzen Tag liefen diese auf der Teststrecke. Wer seine Notdurft verrichten wollte, musste in die Schuhe pinkeln. Im Stehen gab es eine „Brühe“ als Mittagessen. Wer auf der Strecke umfiel, wurde oftmals mit einem Genick-Schuss von SS-Leuten getötet. Viele hielten diese Tortur nur wenige Wochen aus.

Läufer ist nicht gleich Läufer – und Trainer ist nicht gleich Trainer, so auch heute.

Primitive Springerstiefel können heutzutage durch teure Hightechnik-Laufschuhe ersetzt werden. Und dies birgt Gefahren. Den Nachkommen von hasserfüllten, totbringenden Läufern, diejenigen die ohne mit der Wimper zu Zucken auch über Leichen gehen oder laufen würden – und deren bislang unterschätzten Mitläufer kann man tatsächlich viele Stolpersteine in den Weg legen. Stolpersteine, die sogar Namen von verfolgten Menschen tragen, die während des Dritten Reichs starben und auch große Erinnerungsstätten bauen, die man eigentlich nicht übersehen kann, wenn man mit „Sieg Heil“ auf den Lippen durch Straßen und über Plätze läuft. Ein rassistisch wirkender Laufstil stoppt anscheinend jene Menschen nicht, deren Hirn manipuliert wurde. Sie marschieren weiter bis in Parlamente. Dort muss man sie dann wie schnaufende Zuchtbullen unter Kontrolle behalten, die oftmals mit den Hufen scharren, um Unruhe zu stiften. Keine leichte Aufgabe, wenn diese eine gute Kondition aufweisen und immer auf der Stelle laufen, um den Durchbruch, wo auch immer dieser liegt, zu schaffen. Gesunde Beine ersetzen nun mal keinen gesunden Kopf, wenn man quasi nicht weiß, wo es eigentlich langgeht, um in Frieden ohne Hass leben zu können.

Darüber spricht und schreibt man nicht gern – man weiß ja nie, wer einem im Dunkeln begegnet, wenn man absolut nichts gegen Ausländer und Homosexuelle hat. Es gibt Läufer, denen sieht man den puren Hass schon von Weitem an. Und andere laufen zunächst völlig unauffällig mit und schlagen dann wie von Sinnen zu.

Manche germanischen Läufer sind inzwischen so geistesgestört, dass und man sich fragt, was bei denen in im ersten Lauftraining schief gelaufen ist.

So und nun werde ich eine Runde drehen. Mal sehen, wer mir über den Weg läuft. Hoffe, dass mir tolerante Läufer begegnen und keine, die gerade vom Totenkopf-Pfad kommen.

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© Corina Wagner, April 2013

Manchmal muss man mutig sein und Texte veröffentlichen, die anderen Menschen überhaupt nicht gefallen!

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Geschrieben von

Corina Wagner

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