Mein Blusenknopf

CoLyrik-Kurzgeschichte Das Weltbild steht auf dem Kopf, denkt?

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Das Weltbild steht auf dem Kopf, denkt mein oberster Blusenknopf. Manchmal rastet er vor Vergnügen oder purem Entsetzen aus und springt völlig euphorisch auf, wenn ihm danach ist. Wegen ihm mache ich notfalls sogar einen Kopfstand, wenn es sein muss. Er hat mich völlig im Griff, aber nur dieses metallene Ding mit zwei Löchern, dass irgendjemand auf meine giftgrüne Bluse mit silbergrauem Nähfaden aufnähte, bevor ich das Teil ahnungslos im Internet bestellte. Diese Bluse ist etwas ganz Besonderes, sie ist eine Einzelanfertigung, wurde mir quasi auf den Leib genschneidert. Grün ist bekanntlich die Farbe der Hoffnung und diese Farbe steht mir besonders gut. Der schlichte, auf antik getrimmte Blusenknopf ist ein echter Eyecatcher sozusagen und deshalb nenne ich ihn sweety button. Manche sprechen mit Blumen, ihrem Goldhamster, Wellensittich, sogar mit ihrem Geliebten, andere mit einem Silberfischchen in ihrem Badezimmer und ich rede seit Monaten mit sweety button, der mir manchmal kontrovers antwortet. Und trotzdem möchte ich ihn nicht missen, sollten ihn auch andere dissen, die ihn unnütz finden, wenn sie mir aufs Dekolleté starren und sich fragen, warum ich plötzlich so zugeknöpft wirke. Mein Blusenknopf zeigt Charakterstärke und gewährt nicht jedem Einblicke und bleibt trotzdem ein Hingucker. Er gehört neuerdings zu meinem Leben dazu wie bei anderen eine Briefkastenanlage, ein Sprengstoffgürtel oder eine vorlaute Klappe. Auch werde ich das Gefühl nicht los, dass dieser Knopf in seinem Innenleben einen kleinen Chip besitzt, der fremdgesteuert wird. Man weiß ja heute nie, was man da im Internet eigentlich bestellt. Auf den ersten Blick macht es meist einen vernünftigen Eindruck, wie so mancher Bankenmensch, diese Sparkassenheinis und Volksbankentypen. Nicht das ich jetzt auf die Idee käme sweety button mit einem berechnenden Banken-Loser vergleichen zu wollen. Nee. Nee. Mit mir nicht. Ich hab‘ mich noch gar nicht vorgestellt. Für wen schreibe ich überhaupt? Für LeserInnen wie Du und ich? Für die Bundesregierung? Für Terroristen? Für Despoten? Für Idioten? Für Fremdgesteuerte? Seit einiger Zeit lebe ich unter Pseudonym, ist auch viel praktischer, wenn man im Internett surft. Unter dem Namen Angeklagter habe ich z.B. noch nichts bestellt, birgt ja auch irgendwie Misstrauen. Jetzt wo alles überwacht wird, sogar das Knutschen in der Straßenbahn. Ich habe tatsächlich ein handelsübliches Satire-Notfall-Pack unter dem Usernamen „Vorsicht Falle“ im Internet auf der Homepage: www.satirebau-sichererdurchsleben.de gekauft. Cooles Paket! Bewerten möchte ich es offiziell nicht, aber es würde von mir 5 Sterne bekommen. Die Gratis-CD ist der Hammer. Krisenvorsorge zu betreiben, ist wahrlich nicht hypochondermäßiges Handeln, also quasi so ein klassischer Verschwörungstheorie-Beruhiger vom Feinsten, sondern für Leute mit schrägem Humor überlebenswichtig. Ganz wichtig sind nicht nur Blusenknöpfe mit denen man vernünftig sprechen kann, sondern Fernbedienungen, Steuerungen mit jenen man per Codewort sofort menschenfeindlichen Äußerungen abstellen kann. Wenn z.B. ein Volldepp mit narzisstischen Neigungen den Mund aufmacht und man sich von jenem Geschwätz genervt fühlt, so dass man dann via Knopfdruck die Möglichkeit erhält, ihn zumindest für das eigene Gehör auszuschalten, ist dies nicht Papperlapapp, sondern ein echter Fortschritt. Diese Möglichkeit wäre herrlich und würde das Leben einfacher machen, denke da an bestimmte Persönlichkeiten in Führungspostionen und komme immer mehr zu der Meinung, dass es da noch andere Funktionen geben müsste, um nicht nur die Sprache samt Lautstärke auszuschalten. „Stimmt!“, murmelt in diesem Moment sweety button und springt auf, weil der Postbote mit Migrationshintergrund an der Tür klingelt. Ach wie schön. Er klingelt Sturm. Ich hab‘ mir das Buch:“Satirefreies Denken“ bestellt und bin schon total neugierig…

Tschüssi

Eure Thusnelda

© Corina Wagner, April 2016

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Corina Wagner

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