Piff, Paff, Puff...

CoLyrik - Seitenhiebe Aktuelles Hasengespräch oder doch nur Piff, paff, puff?

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Jetzt ist der 27. März 2016 und das Wort Ostern steht auf dem Kalenderblatt. Ostern! Wie schnell doch die Zeit vergeht. Ich traf mich gestern Abend zu sehr später Stunde mit einem völlig „ausgemerkelten“ Wesen auf dem Acker ganz in der Nähe meines Wohnortes. Vielleicht bin ich schlafgewandelt, habe es geträumt, vielleicht auch nur im Geiste erfunden. Man wird es mir nicht glauben wollen, aber ich habe mich heimlich mit dem wesensveränderten Osterhasen unterhalten.

Hasengespräche sind manchmal ganz aufschlussreich. Er, der traditionsgeliebte Osterhase, leidet immens durch das Flüchtlingselend, aber auch unter dem Terror in Europa und murmelte zunächst in Endlosschleife: „Wir schaffen das!“. Das hat mich ein bisschen erschreckt, muss ich zugeben. Jenes wie unter Droge stehende Getier. Ich verfasste mit ihm deswegen gemeinsam nicht etwa ein Pamphlet oder ein Freistil-Gedicht, denn es wurde plötzlich unglaublich hell und es ward Licht. Wow! Ich erschrak wieder ein bisschen. Ein ganz neues Gefühl in der Gegenwart des seelisch angeknacksten Osterhasen. Zunächst starrten wir uns wie auch im vorigen Jahr fassungslos an. Es war sehr mysteriös und Meister Lampe wurde deshalb extrem nervös. Dann schlug er einen Haken. Es wurde wieder Nacht und ich hatte deswegen auch einen Verdacht. Es war vielleicht ein Maximalschauer an Sternschnuppen oder nur ein Wink des Schicksals, eine Botschaft, die plötzlich für Licht auf dem Acker sorgte. Meine Taschenlampe sorgte keineswegs für gespenstische Atmosphäre. Es war, ist und bleibt eine Funzel. Der Osterhase setzte sich neben mich und wirkte alles andere als glücklich. Seine klugen Augen wirkten traurig und seine Löffel hingen ohne Elan herunter, aber seine Pfoten sahen aus wie eine Raute. Er wirkte massiv depressiv. Ich streichelte ihm behutsam übers Fell und stellte ihn mir währenddessen in einer von Cremè Double verfeinerten Rotweinjus vor. Das war geringfügig gemein von mir, aber ich esse nun mal gerne Fleisch vom Tier. Neulich habe ich gehört, dass im Wort Vegetarier auch “Arier” steckt. Mein Unterbewusstsein ist vielleicht daran schuld, dass ich immer noch gerne Fleisch esse, aber ich schweife nun vom Thema Osterhasen-Begegnung ab. Dann sah er mich an: der echte Osterhase und dies dermaßen fix und fertig. Es war so, als wären wenige Sekunden zuvor Außerirdische in Braunkack-Uniform vom Nazi-Planeten gelandet und wollten das Flüchtlingsdrama beenden. Unter dem Motto: „Wir wollen ja nur ein bisschen zündeln.“ Diesen angstvollen Blick des Osterhasen werde ich nie mehr vergessen. Es machte: Piff, paff, puff! Grelles Licht blendete mich auf die Schnelle an jener Stelle auf dem Acker. Und aus dem Osterhasen wurde ein Schaf. Ich traute meinen Augen nicht. Ich schloss sie, öffnete sie wieder, aber ich sah plötzlich ein Schaf, das auch noch feinstes Hochdeutsch sprach: „Mäh. Wären wir plötzlich alle nur Schafe in Europa, dann würden wir im Kollektiv blöken… Bei 500 Millionen Schafen fielen fünf Millionen neue Schafe, die zu uns nach Europa kommen würden, überhaupt nicht auf. Deshalb blöke ich nun als christliches Schaf ganz laut für Schafe und deren Schäfchen die vor Verfolgung flüchten, so dass mich alle hören können: Wir schaffen das! Seid human. Wir können gemeinsam satt werden, müssen nicht verdursten…“ Dann machte es wieder: Pfiff, paff und puff. Das humane Schaf war verschwunden, aber auch der depressive Osterhase. Ich lag mit dem Gesicht, mit meiner Nase auf meinem Bett und das war wirklich in jenem Moment nicht nett. Die einen würden jetzt von Verschwörungstheorien schreiben, die anderen von einer Metapher. Wer noch träumen kann, hofft auf eine bessere Welt ohne Terror, Rassisten und viel Empathie, denn Mitgefühl schadet bekanntlich nie.

Ich wünsche frohe Ostern!

Herzlichst

Corina Wagner

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Corina Wagner

Wer das Wort Alphabet buchstabieren kann, ist noch kein/e Autor/in. (C.W.)

Corina Wagner

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden