Planwagenfahrt

CoLyrik "Eine Seefahrt, die ist lustig ..." und eine Planwagenfahrt? Kommt wohl darauf an: wo und wie, vielleicht auch mit wem ... Haben Sie schon ...?

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Irgendwo an der Mosel

Einmal hin und zurück bitte…

Haben Sie schon einmal eine Planwagenfahrt absolviert? Wenn ja, dann auch durch irgendwelche Weinberge? Irgendwelche? Hm – Es kommt wohl darauf an, wie man zu solch einer Planwagenfahrt kommt. Es gibt Busunternehmen, die bieten gut durchorganisierte Wochenendreisen an und deshalb gibt es auch Menschen, die mit Vereinsfreunden solche Ausflüge in andere Regionen nutzen. Deshalb kann es auch vorkommen, dass man in einem Reisebus sitzt und sich so angeregt unterhält, dass man der Durchsage des Busfahrers ausnahmsweise nicht wirklich Aufmerksamkeit schenkt. Und letztendlich nicht mitbekommt – in welchem Winzerort man aussteigt. Weinreben überall, die man bereits zuvor bei der Busfahrt durch die Panoramafenster gesehen hat und ganz nebenbei Frauengespräche hielt. Es regnet und deshalb springt man nach dem Herdentriebprinzip aus dem Bus. Den anderen netten Menschen der Ausflugstour eventuell blindlings hinterher. Und landet ohne echte Kenntnisse der geografischen Lage in dem hinteren Planwagen von Dreien. Die Sicht nach Vorne wird durch sehr sympathische Menschen nur bedingt erlaubt, da eine dursichtige Folie Schutz vor Regen bieten soll. Man kann also eigentlich nur erahnen, was die anderen Personen vorne in den anderen Wagen unterwegs machen und hoffen, dass man nicht während der Fahrt urplötzlich abgehängt wird.

Schutz vor Sonne muss während solch einer Spritztour nicht nötig sein, eher vor dem Regen, der seitlich auf den Planwagen prasseln kann, wenn das Wetter Ausflügler fertigmachen will. Und deshalb wurden zum Beispiel an jenem Schlechtwettertag an der Mosel die Planen heruntergelassen. Wirklichen Durchblick hatte man also nur nach hinten, also quasi auf das, was man da so sah, wenn der ein oder die andere Person aus dem Planwagen guckte: Weinreben, viele Weinreben, sehr viele Weinreben, Schotterstraßen, die Mosel, Höhenunterschiede, steile Wege, enge Kurven, nette Moselaner, winkende Touris, einige Häuser, lustige Radler, den nassen Fahrbahnbelag einer Orts- bzw. auch Landstraße, fröhliche Autofahrer aus Holland und Belgien, Regentropfen, die auf die Wege und so weiter… Ja und zwischendurch kam sogar wie ein Wunder die Sonne durch die Wolkendecke. Kurz war es dann trocken und dann sah man wieder Regen. Und? Weinreben, immer wieder zu viele Weinreben. Einer behauptete doch tatsächlich während jener zweistündigen Fahrt – er hätte Bohnen von Türken gesehen. Wie bitte? Denn der Genuss von Wein kann vorübergehende Halluzinationen erzeugen. Und wussten Sie, falls sie noch nie eine Tour mit dem Planwagen durch die Weinberge getätigt haben, dass man dann dem Wein des Winzers völlig ausgeliefert ist? Sechs unterschiedliche Flaschen Wein für neun bis zwölf unterschiedliche Personen – je nach Planwagengröße und Körperbau der Probanden, die während dieser Fahrt überraschenderweise leckeren Moselweinen inklusive Probiergläsern ausgesetzt sind. Und dies ohne jegliche Kontrolle von außen.

Eine Planwagenfahrt durch die Weinberge bietet übrigens nicht nur eine schöne Aussicht trotz Regenwetters, wenn man auf Droge ist, also auf Weindroge, sondern auch interessante Dialoge. Den meisten Leuten wird bekannt sein, dass man durch den Genuss von Wein redselig wird. Bei zu viel Weinkonsum in kürzester Zeit kann es sogar zeitweilig zu grobmotorischen Handlungen und dem kurzfristigen Verlust der Muttersprache führen, so Erfahrungswerte in der Winzerbranche. Es wäre hilfreich zu wissen, ob Sie auch? Wenn Sie bereits in ihrem Leben eine solche Planwagenfahrt …?

Zurück zu den sechs Flaschen, den neun Personen und dem vor der Fahrt spontan gewählten Flaschenverwalter. Auf dem Tisch stehen stets angeschraubte Weinflaschenhalterungen. Der echte Planwagenfahrtenkenner wird wissen, warum Winzer diese Vorkehrungen treffen. Denn nur diese kennen die Schlaglöcher und Kurven auf den Wegen. Der ahnungslose Fahrgast ist bei schlechter Sicht und zunehmenden Alkoholkonsum dem Ganzen völlig unvorbereitet ausgeliefert, wenn man dann noch dem Gruppenzwang nachkommt, wird es mehr als lustig. Für Einige wird es zur Fleißaufgabe – ohne Weinverlust das Probierglas zu treffen. Spätestens nach der zweiten Flasche, die am Vormittag gelehrt wird, können sich auch schlagartig die Dialoge ändern.

Originaltonfall: „Du!“, sagt plötzlich einer zu dem Flaschenverwalter. „Du siescht so blass aus! Ich hab‘ heut früh noch nedd meine Blutdruggtablette genomme. Willscht Du die habe?“ Und eh der ernannte Flaschenverwalter antworten kann, kommt schon von der anderen Planwagenseite: I hätt noch eine Proschtatatablette.“ Ein andere Person im Planwagen fragt nach, ob er auch „Viagra dabei hätt.“ Und der Älteste im Wagen, Mitte Siebzig, dann: „I hab‘ se heut früh alle neidruggt.“

Da kommt dann noch ein zögerliches Fragen von dem mit der Proschtatatablette im Angebot, ob er die wie “ä Zäpfle genomme hätt“…

Zu jener Zeit war man übrigens gerade eine halbe Stunde mit den Planwagen unterwegs. Im dritten Wagen gab es kein Moselwasser, aber dafür noch vier Flaschen Wein, wenn Sie verstehen, was ich andeuten will, wenn es um die weiteren Dialoge geht.

Jener ältere Herr mit den „Neidruggten“ am frühen Morgen brachte einen jungen Holländer dazu, dass dieser in einem kleinen Stau im Winzerort aus dem Fahrzeug stieg und eine kleine Weinprobe einlegte. Vermutlich lag dies aber nur daran, so wurde später spekuliert, dass der junge sympathische Holländer und sein heiterer Beifahrer zunächst von Weitem meinten – es säßen Landsleute im letzten Planwagen. Denn „der mit dene Blutdruggtablette“ trug eine orange Mütze und eine farblich passende Jacke. Der vermeintliche Oranje entpuppte sich als Schwabe. Übrigens saßen im Planwagen Menschen aus Bayerisch Schwaben und welche mit Migrationshintergrund (geb. Saarländer). Integration auf engstem Raum ist wichtig, auch an der Mosel, wenn man bei einer Planwagenfahrt mitmacht. Wer sich mit unkontrollierten Lachanfällen nicht identifizieren kann, die bei diversen Planwagenfahrgästen spontan vorkommen können, wenn jene auf Weindroge sind, sollten solche Fahrten meiden. ;-)

Wohl bekomm’s!

© Corina Wagner, August 2012

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Geschrieben von

Corina Wagner

Wer das Wort Alphabet buchstabieren kann, ist noch kein/e Autor/in. (C.W.)

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