Querdenker und ihre Autokorso-Masche

Gefährliches-Mara Branda Was für eine Gaudi für die Corona-Leugner?

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Mara Branda meldet sich zu Wort.
„Wir wollen nur ein bisschen hupen!“ Was für eine Gaudi für die Corona-Leugner? Toll. Es durfte sogar gestern in Weiden/Oberpfalz gehupt werden. Ich bin begeistert. Alles ganz großartig.
Die Querdenker veranstalteten gestern schon wieder einen Autokorso in Ulm. Erst kürzlich machten sie mit Jana in Hannover ganz schön Reklame für sich. Allerdings nahm Jana vorige Woche nicht am Autokorso in Ulm teil. Schade eigentlich. Verglich sich doch die 22-Jährige mit Sophie Scholl. Jana wurde mit ihrem Auftritt weltbekannt. Eine junge, blonde Deutsche, die es als Holocaust-Leugnerin sogar in die Nachrichten der Fernsehsender und in diverse Tageszeitungen schafft. Was für eine Karriere für eine Studentin? Wow. Sie kann bestimmt in der AFD Karriere machen.
Zurück in die Stadt Ulm, in der einst die Geschwister Scholl aufwuchsen und im Dritten Reich von den Nazis umgebracht wurden. Ich weiß nicht, ob es jemand schon getan hat, aber ich empfehle Jana und den anderen Querdenkern die Dauerausstellung im westlichen Treppenhaus der Martin-Luther-Kirche in Ulm. Sophie Scholl war eine kluge, sehr mutige junge Frau, die stellvertretend für all diejenigen Menschen steht, die gegen das Nazi-Regime agierten.
Die multimediale Erinnerungsstätte Weiße Rose im westlichen Treppenhaus der Martin-Luther-Kirche in Ulm, im Aufgang zur Orgelempore und zum Paul-Gerhardt-Saal, setzt ein deutliches Zeichen des Mutes. Es ist eine authentische Stätte der Widerstandsgruppe Weiße Rose, die beeindruckt. Ca zweitausend Exemplare des fünften Flugblattes der Weißen Rose wurden in der großen Walcker Orgel versteckt und postfertig gemacht. Sophie Scholl hatte damals diese Flugblätter zuvor aus München mitgebracht. Im Treppenaufgang hängt an einer tristen weißen Wand z.B. ein großes Schild:
" Es muss ein sichtbares Zeichen des Widerstandes von Christen gesetzt werden. Sollten wir am Ende dieses Kriegs mit leeren Händen vor der Frage stehen. Was habt ihr getan?"
Was haben die Querdenker bislang getan? Menschen gefährdet, da die meisten von ihnen keinen Mund-Nasen-Schutz tragen und keinen Abstand einhalten. Zumindest einige haben gehupt und Fake News verbreitet. Toll. Das war bislang ganz großartig, wenn man sich dafür begeistern kann.
Das Hupkonzert hat den Querdenkern vorige Woche Montag anscheinend in Ulm so viel Spaß bereitet, dass sie es wieder taten. Das Verwaltungsgericht in Sigmaringen gab ihnen grünes Ampellicht dafür. Verständlich oder? Mitleid gehörte jedenfalls nicht zur Begründung.
Seine Meinungsfreiheit mit einem Autokorso auszudrücken, hat nichts mit Mut zu tun, eher mit Provokation, Störung des Straßenverkehrs, Lärmbelästigung und unnötiger Umweltbelastung, aber man darf es in Deutschland.
Das Gehupe kann das neue Sprachrohr von bedauernswerten Kreaturen unserer Gesellschaft sein, die sich anscheinend ohne genügend Allgemeinbildung gern mal mit Naziopfern vergleichen und auch nicht davor zurückschrecken, dass sie ihre Kinder instrumentalisieren.
Querdenker finden nicht alle prima. Klasse, so finde ich. Meinungsfreiheit ist unser höchstes Gut.
Wie die Querdenker liebe ich natürlich die Meinungsfreiheit, trage allerdings einen Mund-Nasen-Schutz, gehe mit Anstand auf Abstand. Ein Grund, warum ich denen im Moment nicht auf engstem Raum begegnen will. Man weiß nie, ob sie sich an Gesetze und Regeln halten. Trotz alledem will man ihnen gerne helfen. Man ist ja kein Unmensch.

Sollten die Querdenker jetzt jeden Montag ein Autokorso organisieren, ob nun in Ulm, Minden, Weiden oder sonst wo, weil es denen gut tut sich in Szene zu setzen, also im Schritttempo durch deutsche Innenstädte zu juckeln, dann sollten sie währenddessen gekonnt jubeln und kreischen.
Soll angeblich befreiend wirken, also dieses richtige Gekreische, hat mir irgend jemand neulich ins Ohr geflüstert. Wenn man richtig aus sich heraus geht, ohne auszurasten, aber mit lauter gefühlloser Stimme kreischt und währenddessen nicht wie ein eingeklemmtes Hampelmännchen auf dem Autositz ausharren muss, bis der Autokorso wieder aufgelöst wird, dann hat man es echt drauf. Man ist dann einer der besten Querdenker-Kreischer.
Obwohl mir persönlich ein Querdenker-Flüsterer lieber wäre, aber meine persönliche Meinung stelle ich jetzt für den guten Zweck zurück.
Beste Grüße
Eure /Ihre Mara Branda
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Mara Branda, zurzeit Fachfrau für Querdenker, hat für die Teilnehmer solcher Veranstaltungen einige Worte verfasst. Voraussetzung ist, dass es nicht an die große Glocke gehängt wird. Ehrenamtliche Hilfe nennt man so ein Angebot, damit quasi das Protestieren, Provozieren noch flüssiger, einstudierter wirkt. Branda empfiehlt folgende Slogans, Worte, die wie Entspannungsübungen in den Tag einzubauen sind, dann hat man sie bis zum nächstem Autokorso besser drauf. Das Ein-und Ausatmen dabei nicht vergessen.
„Wir sind das Volk! Wir sind das Volk! Wir sind das Volk der Querdenker!“ „Undundundundundund wir sind auch das Volk der Verschwörungstheoretiker und der Faschisten!“
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„Wir wollen einen Unrechtsstaat! Lügenpresse halt die Fresse!“
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„Wir sind das Volk! Wir sind das Volk! Wir sind das Volk der Mitläufer und Mitfahrer!
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„Wir sind das Volk! Wir sind das Volk der Polemiker, der Menschenverächter, der Antisemiten, der Gewaltbereiten und der ganz lieben Ungebildeten!“
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„Wer hupen kann, kann auch drohen! Trau Dich! Mach mit beim Mob! Wir sind das Volk!
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„Steigt ein, seid nicht allein. Unser Humor ist zwar grenzwertig, aber besser eine auf Sophie Scholl machen als einen auf Himmler. Haha!“
24. November 2020
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Geschrieben von

Corina Wagner

Wer das Wort Alphabet buchstabieren kann, ist noch kein/e Autor/in. (C.W.)

Corina Wagner

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