Segen oder Fluch? DSM-5

CoLyrik Bald erscheint das neue Handbuch für psychische Störungen ...

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

DSM-5

Ein Bericht von Frau Obligat geb. Gang und Gäbe

Jetzt mal ehrlich: so ganz unter uns. Kennen Sie schon das neue DSM-5? Nein! Dann sollten Sie keine Arztbesuche mehr tätigen. Mein Gott! – was man Ihnen und Ihren Familienangehörigen, Bekannten und Verwandten ab Mai 2013 alles diagnostizieren kann… Irre! Wow!

Nach fünf Minuten, soviel nimmt sich ja der Arzt für eine ausführliche Diagnose Zeit, kann er Ihnen nach dem neuen Diagnose-Handbuch Krankheiten mitteilen, da werden Sie ganz bleich im Gesicht. Sie gehen gesund zu einer Routineuntersuchung und dann sagen Sie nur ein unüberlegtes Wort …

… Oweia!

Sie sind nur eine Sekunde unkonzentriert und dies kann das ganze Leben verändern.

Das neue Handbuch für psychische Störungen DSM (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders ) wurde angeblich von rund 500 Psychiatern und Psychologen erarbeitet. Und nun? Ist es ausschlaggebend welche Symptome Sie dann beim nächsten Arztbesuch innerhalb weniger Minuten schildern. Vergessen Sie bitte ja keine Einzelheiten, wichtige Informationen, falls Sie als normal gelten möchten. Am besten dokumentieren Sie ihre Normalität, also den ganz normalen täglichen Wahnsinn schon jetzt, quasi zur Sicherheit. Besser ist es - rückwirkend tatsächlich noch Daten, eine Statistik aufzuführen.

Ärzte und Psychologen rechnen hierzulande mit dem ICD-10 ab, dem Diagnoseschlüssel der Weltgesundheitsorganisation WHO und deshalb ist es lebenswichtig, welcher Diagnoseschlüssel in Ihrer Akte steht. Die Pharmaindustrie freut sich nämlich immens, wenn der Arzt Ihnen die Normalität nicht bescheinigt. Sie wissen schon, diesen gesunden Menschenverstand mit ganz kleinen Abweichungen.

Sie können sich glücklich schätzen, wenn Sie die vergangenen Jahre keine Kinder in die Welt gesetzt haben. Dann müssen Sie auch nicht demnächst feststellen, dass Ihr Kind aus der Trotzphase nicht heraus kommt und dringend z.B. eine hohe Dosis des Wirkstoffs Methylphenidat benötigt. Beispiel: Stellen Sie sich vor, dass Ihr Kind neuerdings zu Wutausbrüchen neigt, reizbar erscheint und Mama oder Papa etwas depressiv anschaut, weil es schon wieder in die Ganztagsbetreuung muss. Es eigentlich nur deshalb ausrastet, weil Frau Dingsbums so fürchterlich unsympathisch ist, der neue Schulfreund doof agiert und Sie aber keine Zeit haben mit Ihrem Kind darüber zu sprechen. Dann wird sich bestimmt im neuen Handbuch einen Namen für den augenblicklichen Zustand Ihres Kindes finden lassen, einen Diagnoseschlüssel. Letztendlich freut sich dann auch die Pharmaindustrie, wie toll die Ärzte handeln.

Passen Sie gut auf sich auf, wenn Sie das nächste Mal einen Arzttermin haben, man weiß ja nie…

Mit zurechnungsfähigen Grüßen

Normaliane Obligat

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Corina Wagner

Wer das Wort Alphabet buchstabieren kann, ist noch kein/e Autor/in. (C.W.)

Corina Wagner

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden