TTIP geht uns alle an...

Wagners Randnotiz TTIP geht uns alle an. Wie bitte? BürgerInnen sollten "mutig" sein und nicht untätig zusehen...

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Das Transatlantische Freihandelsabkommen(Transatlantic Trade and Investment Partnership), besser unter der Abkürzung TTIP bekannt, wird seit Juli 2013 von Vertretern der Europäischen Kommission und der US-Regierung ausgehandelt. Das Freihandelsabkommen in Form eines völkerrechtlichen Vertrags soll nicht nur beim Abbau von Zollhürden wirken, sondern die Harmonierung von Regulierungen in Gesundheit, Medizin, Umwelt, Kultur und Lebensmittelsicherheit berühren. TTIP soll noch viel mehr beeinflussen, was je ein multilaterales Handelsabkommen bislang geregelt hat. Das Ganze liest sich zunächst nicht dramatisch. Bundeskanzlerin Merkel wirbt dafür. TTIP stärkt zum Beispiel die deutsche Autoindustrie, so ihre Aussage. Schön, denken viele, die der Kanzlerin und anderen Politikern vertrauen. Allerdings sorgt die mangelnde Transparenz immer mehr für Unruhe und dies aus berechtigtem Grund. Zumal die Verhandlungen zu TTIP von einer Konzern-Agenda bestimmt werden. Das Zauberwort heißt dort „Handelshemmnisse“, um diese abzubauen, sollen Standards von Produkten in Zukunft „gegenseitig anerkannt“ werden. Deshalb wird befürchtet, dass sich zum Schluss nicht die Qualität, sondern der jeweils niedrigere Standard durchsetzen wird. Investor-Staat-Klagen sind nicht schönzureden und darüber sollte man sich dringend Gedanken machen. Ihre Ausweitung wäre eine ernsthafte Bedrohung für die Demokratie. Investoren würden damit die Möglichkeit erhalten, vor undurchsichtigen Schiedsgerichten gegen soziale und ökologische Standards vorzugehen.

Neulich wurde zum Beispiel das Thema Amerikanisches Chlorhuhn in den Medien beleuchtet. Dass keiner nun in der EU befürwortet, will tatsächlich niemand auf dem Teller, ob in Deutschland oder einer der anderen Länder, die den Vertrag unterzeichnen würden. Wenn es bei den Verhandlungen nur um das Amerikanische Chlorhuhn gehen würde, dann wäre ja quasi alles zollfrei in Butter. Ist es aber nicht. Ich hab‘ ein bisschen recherchiert und war auch bei einer Veranstaltung gegen TTIP anwesend.

TTIP betrifft uns Deutsche nicht nur im Bereich des Warenhandels, sondern begegnet uns dann in Zukunft bei:

- der Teilhabe an öffentlicher Auftragsvergabe

- bei Patenten und Urheberrechten

- Nutzung von Land und Rohstoffen

- Handel und Dienstleistungen

- Nutzung von Land und Rohstoffen

- Bildungs- und Gesundheitswesen

- Kulturelle Dienstleistungen

- Kommunale und kulturelle Einrichtungen, wenn es

um Subventionsabbau geht...

- Veränderung von Verbraucher- und Umweltstandards

- Regelungen des Tarif- und Arbeitsrechtes

- Rechte und Arbeitsmöglichkeiten von Immigranten

- Veränderung von Sozialstandards

- Liberalisierung der Wasser- und Abwasserwirtschaft

- Verkehr und öffentlicher Nahverkehr

- Marktöffnungen für Energie und Transportwesen

Immer mehr Organisationen, aber auch PolitikerInnen, die sich mit dem Thema intensiv befassen, stehen TTIP sehr kritisch gegenüber und deshalb bildet sich nun immer mehr Protest in der Bevölkerung. Es gibt ganz viele Beispiele, die aufzeigen, wie negativ sich der Alltag in Deutschland verändern könnte. Die Verwaltung von Gemeinden könnte u.a. von transnationalen Konzernen fremdbestimmt werden. Wollen wir das wirklich? Der Preis um die deutsche Autoindustrie auf dem amerikanischen Markt zu fördern, ist meiner Ansicht nach zu hoch, den wir für den Abschluss des Vertrags für TTIP alle gemeinsam zahlen würden.

Inzwischen gibt es die Europäische Bürgerinitiative Stop TTIP. Bürger und Initiativen aus ganz Europa werden aufgerufen, um sich daran zu beteiligen. Mit einer europaweiten Unterschriften-Sammlung soll der Protest gegen das Freihandelsabkommen mit den USA deutlich gemacht werden. Diesen Widerstand gegen TTIP wollen nun 148 Organisationen aus 18 Staaten leisten. Eine Anhörung im Europäischen Parlament könnte dadurch erfolgen…

In Ulm veranstaltete die Radio free FM Redaktion „Mut“ für Protest und Partizipation im lokalen Raum am Montag, den 28. Juli 2014 im Club Orange der Ulmer Volkshochschule gemeinsam mit dem Politischen Stammtisch 13 Ulm und Mehr Demokratie e.V. eine Podiumsdiskussion zum Thema „Transatlantisches Freihandelsabkommen (TTIP) – Gefahr für die Demokratie?“. Angedacht war auch eine anschließende Grundsteinlegung für ein regionales Bündnis gegen TTIP, die tatsächlich erfolgte. Das Interesse an der Veranstaltung war enorm, so dass im Club Orange noch aufgestuhlt werden musste. Manche harrten sogar auf dem Flur der Volkshochschule aus, um den geladenen Podiumsgästen zuzuhören. Ca. einhundert Personen kamen, darunter vertreten waren insgesamt 29 Initiativen und Vereine des bürgerschaftlichen Engagements von A wie Amnesty bis W wie Weltladen. Doch auch aus der Politik gab es ZuhörerInnen. Kommunalpolitiker waren gekommen, auch ein Mitglied des Ulmer Stadtrats und ein Mitglied des Landtages.

Thomas Eberhard-Köster, Autor und Mitglied im Rat von Attac kam nach Ulm. Er ist Betriebswirt und Politikwissenschaftler. Er eröffnete den Abend mit einem Vortrag über TTIP und erklärte anhand von Beispielen sehr ausgewogen Vor-und Nachteile der umstrittenen und noch laufenden Verhandlungen. Während des Vortrags hatten die VeranstaltungsbesucherInnen Gelegenheit Fragen auf Karteikarten zu formulieren, die dann später in die folgende Podiumsdiskussion einflossen. Sarah Händel von Mehr Demokratie e.V. Baden Württemberg, aber auch Gabriela Schimmer-Göresz, stellvertretende Sprecherin des Bündnis STOPP TTIP Memmingen-Unterallgäu und Renate und Paul Hartwig, Begründer des Bürgerschulterschluss e.V. kamen zu Wort. Renate Hartwig, die bekannte Aktivistin aus der Region nahm kein Blatt vor den Mund und redete Tachels, was vermutlich vielen im Raum letztendlich bewies, dass TTIP auch im medizinischen Bereich erhebliche Nachteile für Patienten bringt. Sie informierte über die jetzt schon spürbaren Vorauswirkungen der verheerenden Privatisierungswelle, die sich aber durch das Transatlantische Freihandelsabkommen noch vervielfachen würde. Sarah Händel warb während der Veranstaltung für die Europäische Bürgerinitiative Stop TTIP, wie wichtig es ist, dass Bürger ihren Protest zum Ausdruck bringen.

Durch die Veranstaltung führten Gisela Glück-Gross, Initiatorin des Politischen Stammtischs 13 Ulm und Sprecherin der Initiative Grundeinkommen Ulm, und Rudolf Arnold, Radio free FM Redakteur und Moderator. Beide sind auch Gründungsmitglieder der neu gegründeten Redaktion „Mut“. Ein großer Dank gilt beiden, die mit dieser Veranstaltung tatsächlich Mut bewiesen haben, um auf Missstände aufmerksam zu machen, die sich aus der Arbeit der Bundesregierung gründet.

Während der Veranstaltung saßen unter den vielen Anwesenden nicht nur Gegner, sondern natürlich auch Befürworter von TTIP. Es gab deswegen auch Zwischenrufe. Eine Person verließ sogar frühzeitig den Saal. Es war eine Befürworterin des Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA. Schade, dass sie nicht bis zum Schluss ausgehalten hat. Dann hätte sie noch mitbekommen, dass der Grundstein für ein regionales Bündnis gegen TTIP gelegt wurde. Gabriela Schimmer-Göresz stand dafür beratend zur Seite. Kontakte wurden geknüpft. Drei Veranstaltungsbesucher haben sich dazu bereit erklärt, dass sie nun mit den gesammelten Daten und ihrem organisatorischen Engagement ein Gründungstreffen im August initiieren.

Ende dieser Woche wird im Programm von Radio free FM eine Aufzeichnung gesendet. Sie wurde von Klaus Schmidtke, Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für freie Medien Ulm/Neu-Ulm – Redaktion e.V., aufgezeichnet. Näheres darüber findet man auf der Homepage des Nichtkommerziellen Lokalradios.www.freefm.de

Die Sendung kann nach ihrer Ausstrahlung dann auch angehört und heruntergeladen werden.

Ich kann an dieser Stelle nur allen Bürgern raten, nachdem was ich jetzt gelesen und gehört habe, sich gegen TTIP auszusprechen und sich an Unterschriftsaktionen zu beteiligen.

Mit freundlichem Gruß

Corina Wagner

© Corina Wagner, 30.07.2014

Nachtrag, 01.08.2014
Die Aufzeichnung der Veranstaltung von Radio free FM (Redaktion Mut), Politischer Stammtisch 13 Ulm und Mehr Demokratie e. V. in der Ulmer Volkshochschule vom 28. Juli mit dem Thema "TTIP - Gefahr für die Demokratie?" kann nachgehört und runtergeladen werden:

http://www.freefm.de/node/19171

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Geschrieben von

Corina Wagner

Wer das Wort Alphabet buchstabieren kann, ist noch kein/e Autor/in. (C.W.)

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