Wer war Kaspar Hauser?

CoLyrik Der Fall Kaspar Hauser - "Ein Kind Europas" hinterließ nicht nur seine DNA. Ein Museumsbesuch in Ansbach bietet Einblicke in die Schicksalsjahre Hausers.

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Wer war Kaspar Hauser?

Eine Frage, die man heute noch immer nicht präzise beantworten kann. In der Kaspar-Hauser-Abteilung im Markgrafen-Museum in Ansbach entdeckt man Zeitdokumente, auch verschiedene Theorien, die über das geheimnisvolle Findelkind Auskunft geben. Die Ausstellung bietet z.B. ein selbst gefertigtes Zettelkästchen oder mehrere Farbzeichnungen Kaspar Hausers. In der Literatur findet man eine Fülle von Zeilen über Hauser, der am Pfingstmontag 1828 in Nürnberg auftauchte. Der damals etwa 16-jährige Junge fiel durch seine unsichere Gangart auf und konnte etliche Fragen nicht beantworten, die man ihm stellte. Er wurde zunächst in einem Gefängnissturm auf der Nürnberger Burg untergebracht. Es folgten intensive Untersuchungen der Polizei bzw. der Stadt. Einige Ärzte kamen zu der Überzeugung, dass es sich um einen komplizierten Kriminalfall handeln müsse. Der Findling sei während seiner Kindheit über einen längeren Zeitraum gefangen gehalten worden und dies ohne jegliche sozialen Kontakte zu Menschen.

Hauser wurde anfangs regelrecht zur Schau gestellt. Ein Gymnasiallehrer nahm sich seiner Erziehung an. Der junge Mann lernte schnell und fast ebenso schnell wurde das Gerücht verbreitet, dass Hauser der Erbprinz aus dem Hause Baden sei, den man wegschaffte, um den Thron freizumachen. Dieses Gerücht manifestierte sich, als im Oktober 1829 ein Anschlag auf Hauser verübt wird, den er überlebt und danach mehrfach den Wohnort wechseln muss, damit seine Sicherheit gewährleistet bleibt. Zu jener Zeit reiste ein englischer Lord an, der als sehr seltsam beschrieben wurde. Lord Stanhop wurde binnen kürzester Zeit nicht nur Gönner, sondern auch Hausers Vormund. Er veranlasste den Wohnortswechsel nach Ansbach im Dezember 1831. Zu jener Zeit war das ehemalige Findelkind bereits in Europa eine bekannte Persönlichkeit. So war es auch nicht verwunderlich, dass die Ansbacher Bevölkerung großen Anteil an seinem Schicksal nahm. Sogar der Präsident des Appellationsgerichts befasste sich mit Kasper Hausers Fall und verfasste die „Erbprinztheorie“. Dieser starb unter äußerst mysteriösen Umständen. Er wurde wahrscheinlich vergiftet. Hauser kam dann im Dezember 1833 in Ansbach ums Leben. Seine Biografie lässt etliche Spekulationen zu, so dass sie auch heutzutage Interessierte fasziniert. Deshalb gibt es wahrscheinlich auch über 3000 Publikationen, die sich mit dem Fall Kaspar Hauser beschäftigen.
Wurde er tatsächlich ermordet, weil jener Findling der „Erbprinz von Baden“ war? Soll Hauser ein badischer Prinz gewesen sein, der aus politischem Interesse von der zweiten Frau seines Urgroßvaters gegen einen sterbenskranken Säugling ausgetauscht wurde? Das Schicksal des Findelkinds bleibt auch heute noch für viele ein Rätsel. Die Filmbranche reizte dieses Thema bislang ebenso, wie auch die Tatsache, dass z.B. 1996 Schlagzeilen im „Spiegel“ erschienen. Das Nachrichtenmagazin recherchierte über das Schicksal Hausers und kam zu dem Ergebnis, dass Kasper Hauser nichts mit dem Hause Baden zu tun habe. Zwei Labors hatten zuvor an dem Beweisstück, einer Unterhose des Opfers Hausers, das Blut analysiert. Es wurde mit den lebenden Nachfahren von Großherzogin Stephanie verglichen. Und doch blieben viele skeptisch.

Im Museum entdeckt man hinter Glas nicht nur jene blutverschmierte Unterhose, die Hauser bei dem Mordanschlag damals trug, sondern auch die restliche Kleidung, die er an jenem 14. Dezember 1833 trug, als er unter einen Vorwand in den Ansbacher Hofgarten gelockt wurde. Seine Herkunft und den Namen seiner Mutter sollte er bei jenem Treffen erfahren. Den etwa 21-Jährigen traf ein gezielter Stich ins Herz. An den Folgen starb er drei Tage später. Nach seinem Tod meißelte man einen lateinischen Spruch in seinen Grabstein: “Hier liegt Kaspar Hauser, Rätsel seiner Zeit, unbekannt die Herkunft, geheimnisvoll der Tod.”

Viele Menschen halten Kasper Hauser für einen Hochstapler. Allerdings gibt es immer wieder neue Aspekte, die an der Theorie festhalten – er könne doch der Erbprinz von Baden sein. So verglichen z.B. Wissenschaftler aus Münster sechs DNA-Proben von Hausers Haaren und seinem Schweiß. Die Wissenschaftler, die im Auftrag von ZDF und ARTE arbeiteten, sind sich angeblich absolut sicher, dass die untersuchten zwei Haarlocken bzw. die Schweißreste vom Hutband des Zylinders und dem durchstochenen Hemd die originale DNA Hausers sei. Damit wurde 2002 von den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten ARTE und ZDF die Gen-Analyse des Nachrichtenmagins „Spiegel“ widerlegt. Jener untersuchte Blutfleck an der Museums-Unterhose, die Hauser beim Attentat trug, sei nicht authentisch. Das Blut sei nicht von Kaspar Hauser. 10 Jahre später, also im Sommer 2012, gab es nun Schlagzeilen, die das Hause Baden betreffen und indirekt auch das mysteriöse Ableben Hausers. Aus der Fürstengruft des Hauses Baden zu Pforzheim sind zwei Kindersärge verschwunden. Und dies aus einer verschlossenen Gruft. In einem jener Särge liegt der noch namenlose Erbprinz, der 1812 im Kindsbett verstorben ist. Dies bestärkt nun wiederum diejenigen, die glauben, dass Kaspar Hauser sich die Stichverletzungen nicht selbst zugefügt hatte, sondern tatsächlich ermordet wurde…

Kasper Hauser, eine Person, die wohl auf bemerkenswerte Art und Weise historisch verbürgt ist und meiner Ansicht nach immer noch interessante Fragen bietet. Die Kaspar-Hauser-Abteilung im Markgrafen-Museum beinhaltet übrigens die gesamte Hinterlassenschaft Hausers.

„Wolfskinder“ gibt es leider heute immer noch, die seit ihrer frühsten Kindheit irgendwo eingesperrt werden. Man mag sich nicht wirklich vorstellen, dass man z.B. ohne Ansprache und menschlicher Wärme in einem abgedunkelten Raum über Jahre hinweg als Kind dahinvegetieren muss …

Ohne Zeitgefühl

Schicksalsjahre etlicher Wolfskinder

Der Kindheit beraubt

Eingepfercht im Dunkeln,

oftmals gefesselt

wie eine fiese Kreatur

In völliger Isolation

verrinnt die Zeit

ohne Taktgefühl

auf der Lebensuhr

Kälte und Feuchtigkeit

prägen die Stunden

des Dahinvegetierens

Das Wecken

ist das Schlimmste

Das Zittern

erfolgt reflexartig

wie die Nahrungsaufnahme

Die Notdurft

kennt keine Hemmungen

und die Pein

kommt nie zu kurz

Das Böse

hat ewig die Macht

Die Stoppuhr fällt aus

Die Sprachlosigkeit

dreht am Rädchen

Der Zeiger steht still

Nichts bewegt sich,

außer der Gewaltbereitschaft

Sie funktioniert immer …

Die Erlösung

lässt lange auf sich warten,

wie ein gutes Stück Glück auf Erden

Die zermürbende Verwahrlosung

kennt Schlag für Schlag

das Böse im Menschen mit Namen …

© Corina Wagner, Oktober 2012

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Geschrieben von

Corina Wagner

Wer das Wort Alphabet buchstabieren kann, ist noch kein/e Autor/in. (C.W.)

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