Abschied und Neuanfang (2)

Abschied von Mindelo 2. Folge des Kapitels Mindelo aus dem Roman "Abschied von Bissau"

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/22/Old_postcard_SaoVicente1.jpg

Foto: Wikimedia Commons, Mindelo, erste Hälfte des 20ten Jh. zur Kinder- und Jugendzeit von Joaquím (im Hintergrund Hafen "Porto Grande" und "Monte Cara"

Mindelo (2)

„Ich weiß, dass ihr meine Familie seid. Aber manchmal muss ich an meinen Vater und meine Mutter denken, von denen mir Onkel Manuel erzählt hat. Ich war vorhin im Porto Grande, als ein Schiff nach Portugal auslief. Ich stellte mir vor, wie dort meine Eltern groß geworden sind, bevor sie nach Mindelo kamen. Warum sind sie so früh gestorben? Glaubst Du Teresa, dass sie jetzt im Paradies sind, wie der „padre“ in der Kirche behauptet?“

„Das weiß ich genauso wenig wie Du. Aber vielleicht hast Du Glück, und sie sind Deine Schutzengel geworden, die Dich überallhin begleiten, auch in der Ferne, und die Unheil von Dir abwenden.“

Der Gedanke, er könnte eines Tages von seiner Familie getrennt sein, erschreckte Joaquím. „Teresa, ich will aber doch immer bei Euch sein!“

„Joaquím, wir wissen nicht, was später aus uns werden wird. Du siehst, wie viele Nachbarn von hier fortziehen müssen, weil es nicht genügend Arbeit im Hafen gibt. Mama und Papa sagen immer, dass das Leben in den anderen Kolonien und in Nordamerika viel einfacher sei als hier. Wer weiß, was mit uns passiert, wenn wir einmal die Schule beendet haben? Vielleicht müssen wir dann alle von hier fortgehen. Du hast doch gesehen, dass Gustavo, der Bruder von Conceição, in der vergangenen Woche nach Angola abgereist ist. Er will dort eine Farm aufbauen, was er hier in São Vicente nicht kann. Und auf Santo Antão gibt es zu wenig fruchtbares Land in den Tälern. Außerdem regnet es selten, und man weiß nie, wie die Ernte ausfallen wird.“

Joaquím wusste sehr wohl um die Probleme der jungen Menschen in Mindelo, wenn sie ihre Schule beendet hatten. Fast alle mussten dann von der Insel fortziehen. Aber er wehrte sich gegen den Gedanken, einmal fern von ‚seiner‘ Familie leben zu müssen. Vielleicht hatte jedoch Teresa recht damit, dass seine Eltern ihn als Schutzengel im Leben begleiten würden. Er fühlte sich getröstet und nahm Teresa dankbar in den Arm.

Die kommenden Schulferien verbrachten Joaquím, Teresa und Fernando bei Verwandten auf der Insel Santo Antão. Onkel Rui, der die Tochter eines seiner schwarzen Arbeiter geheiratet hatte, bewirtschaftete dort eine Zuckerrohrfarm in einem kleinen Dorf im Innern der Insel. Vom Hafen „Ponta do Sol“, nahe der wichtigsten Ortschaft der Insel, „Ribeira Grande“, war es eine beschwerliche Vierstundenfahrt mit der Pferdekutsche, um zur Farm zu gelangen. Das Dorf bestand aus dem herrschaftlichen Farmhaus, einem Geschäft und den winzigen Lehmhütten der Farmarbeiter. Onkel Ruis drei Kinder besuchten die Grundschule in Ribeira Grande, wo sie in der Woche bei Bekannten unterkamen und nur am Wochenende auf die Farm zurückkehrten. Die Kinder der schwarzen Arbeiter indessen hatten keine Gelegenheit zum Schulbesuch. Der Weg nach Ribeira Grande war zu weit, um ihn zweimal am Tag zurückzulegen.

Joaquím, Teresa und Fernando aus dem städtisch geprägten Mindelo liebten die jährlichen Ferienaufenthalte auf der Zuckerrohrfarm. In dem malerischen Tal inmitten der Berge von Santo Antão gab es ausreichend Grundwasser, um die Zuckerrohrfelder zu bewässern. Der Ertrag der Felder wurde in der farmeigenen Brennerei zu „grogue“, einem schnapsähnlichen Getränk, verarbeitet und zu einem guten Preis vermarktet.

- - -

Und die dritte Folge folgt sogleich. CE

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Costa Esmeralda

35 Jahre Entwicklungsberater, Lateinamerika, Afrika, Balkan. Veröff. u.a. "Abschied von Bissau" und "Die kranke deutsche Demokratie".

Costa Esmeralda

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden