Die Liebschaften des Herrn Botschafter

Ecuador Von der Leichtigkeit und Schwere eines Staatsdienerlebens auf Kosten des Steuerzahlers

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Liebe dF-Community,

mir ist in Panamá zu Ohren gekommen, dass Ihr selbst gegen Ende Mai in der Heimat noch mehrere Kleidungsstücke übereinander auf Eure geschundenen Körper werfen müsst, um in der rauhen bundesrepublikanischen Vorwahlzeit nicht das grosse Bibbern zu bekommen. Da ich dergleichen nicht erleiden muss, nur per Internet und Deutsche Welle die Konterfeis unserer potenziellen Kanzleranwärter unter Schmerzen zu ertragen gezwungen bin, möchte ich Euch Erwärmendes zukommen lassen, falls Eure Phantasie das zulässt. Es ist ein kleiner Auszug aus einer "Anden-Saga", von der ich Euch bereits am 8. Mai, dem Internationalen Frauentag, erzählte. Vielleicht gelingt es mir ja, Euch trotz der tristen deutschen Stimmung einige Frühlingsgefühle durch die Knochen zu jagen.

LG, CE

Die Liebschaften des Herrn Botschafter

Politiker und Diplomaten haben eines gemeinsam: Beide leben auf Kosten ihrer Völker. Was sie trennt, ist die Abhängigkeit der Diplomaten von den Politikern, die aber mehr als aufgewogen wird durch die fehlende Kontrolle vonseiten der Gesellschaft und die dadurch eröffnete Gelegenheit eines diskreten, lustvollen Lebens, zumindest, was die männlichen Vertreter der Gattung Mensch anbelangt.

1. Yolanda

„Señorita Yolanda, bereite mir bitte zwei Spiegeleier mit Toast und Butter, eine Papaya mit Limone und einen ‚Naranjita-Saft‘ zu“

„Si, Señor, inmediatamente.“

Botschafter João T. lehnte sich genüsslich in seinem Stuhl am Essenstisch in der Küche zurück und nippte an seinem Kaffee, während er Yolanda bei der Arbeit zusah. Diese wendete ihm ihre verlockende Rückansicht zu, während sie am Herd und Tisch hantierte. In ihrer Arbeitskleidung, dem kurzen, eng anliegenden, dunkelblauen Rock, der hellblauen Bluse und der weißen Schürze versetzte diese junge Frau nicht nur ihn, sondern auch seine Diplomatenkollegen, wenn sie bei ihm zu Gast weilten, in Aufruhr. Wie immer war er gegen zehn Uhr morgens in der großen Küche mit geräumiger Essecke erschienen, um dort das Frühstück einzunehmen. Dabei hatte ihn das verheißungsvolle Aroma des Kaffees schon von der Treppe zum ersten Stock, wo das ‚Master‘-Schlafzimmer lag, in Stimmung gebracht und seinen schweren Kopf vergessen lassen. Obwohl er ein geübter Party-Löwe war, hatten die alkoholischen Getränke des Cocktails am Vorabend, den er mit ihm befreundeten Botschaftern in trauter Runde verbrachte, die übliche Wirkung gezeitigt.

Herr Botschafter war heute besonders gut gelaunt. Wie an jedem Arbeitstag blieb ihm eine ganze Stunde Zeit, bis ihn sein Fahrer Edgar zur Botschaft fahren würde. Und diese Stunde wollte er voll und ganz auskosten und ungestört in Gesellschaft seiner neuen Hausangestellten verbringen. Derweil war der Gärtner Rubén in dem parkähnlichen Garten mit der Pflege der Bäume, den Blumen und dem Rasen vollauf beschäftigt, und Edgar vertrieb sich die Zeit mit dem Putzen des Mercedes in der Garage. Yolandas Aufgabe bestand normalerweise in der Obhut seiner Garderobe und der Sauberhaltung des stattlichen Wohnsitzes des brasilianischen Botschafters. Doch einmal in der Woche, wenn seine Köchin Patricia ihren freien Tag hatte, musste Yolanda in der Küche aushelfen.

Seit der Señor auf Rubéns Drängen hin Yolanda eingestellt hatte, befand er sich in einer delikaten, innere Unruhe stiftenden Situation. Bis dahin, so befand er selbst, war seine Gemütslage eine ausgeglichene, sofern man das von einem Botschafter mit allabendlichen gesellschaftlichen Verpflichtungen und einigen Stunden Büroarbeit am Tage erwarten konnte. Patricia, die unersetzbare Herrscherin über sein leibliches Wohl, war schon einige Monate nach dem Amtsantritt des Herrn Botschafters in Quito zu seiner Maitresse avanciert. Ihr verdankte er sein körperliches Wohlbefinden, was sowohl auf ihre erlesene Küche als auch auf ihre sonstige Fürsorge, die sie ihm bereitwillig gewährte, zurückzuführen war.

Yolandas Ankunft im hochherrschaftlichen Haus scheuchte den Señor mit einem Schlag aus seiner selbstgefälligen Ruhe. Wie konnte das ihm passieren, der sich doch in Liebesdingen auszukennen meinte wie kein Anderer? Und das auf seiner letzten Mission vor dem verdienten Ruhestand! Mit Fug und Recht hatte er geglaubt, Patricia wäre seine letzte ‚Eroberung‘, bevor das Alter und das herannahende Ende seiner beruflichen Karriere auch das allmähliche Abklingen seiner unstillbaren Gelüste einläuten würde. Doch schon bei der Vorstellung der jungen Frau aus der ecuadorianischen Küstenprovinz Manabí begann sein Herz schneller zu schlagen. Als Rubén Yolandas wegen vorstellig wurde, hatte dieser felsenfest versichert, dass sie erfahren genug sei, um alle Haushaltstätigkeiten zur Zufriedenheit des Señors auszuüben, obwohl seine ‚novia‘ aus Manabí gerade einmal neunzehn Jahre zählte. Herr Botschafter, der neben den äußerlichen Vorzügen seines weiblichen Personals stets peinlich auf Zeugnisse und Empfehlungen pochte, vergaß angesichts der bloßen Erscheinung von Yolanda jegliche Überprüfung ihrer professionellen Eignung. Sofort war er mit ihrer Einstellung einverstanden. Seiner Schwäche gegenüber dem weiblichen Geschlecht durchaus bewusst beruhigte er sich bei dem Gedanken ihrer zukünftigen Anwesenheit in dem hochherrschaftlichen Hause damit, dass sie ja in festen Händen sei. Außerdem würde ihn seine erfüllte Beziehung zu Patricia derart in Anspruch nehmen, dass an etwaige andere Liebesabenteuer nicht zu denken sei. Andererseits - ein harmloser Flirt könnte gewiss niemals schaden!

„Yolanda, hast Du schon gefrühstückt? Wenn nicht, mach‘ Dir auch ein paar Spiegeleier und setz‘ Dich zu mir.“

„Gracias Señor, aber ich habe schon gekochten Maniok gegessen und ein Glas Orangensaft getrunken,“ antwortete Yolanda verwirrt. Die sonst so lebenslustige und mit reichlich ‚chispa‘ (‚Feuer‘) ausgestattete junge Frau aus dem feuchtwarmen Manabí reagierte in Gegenwart des Señors verschüchtert und wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte.

Zuerst hatte der ‚Señor Embajador‘, oder der ‚Senhor Embaixador‘, wie die Brasilianer zu sagen pflegen, die Idee, den unüberbrückbaren gesellschaftlichen Unterschied zu seiner Angestellten auf ein Vater-Tochter-Verhältnis herabzustufen. Doch dann fiel ihm ein, es wäre vorteilhafter, wenn er eine überbrückbare Beziehung herstellen könnte, eine Beziehung, wie sie sich durchaus auch zwischen fürsorglichen älteren Professoren und ihren bevorzugten Studentinnen zu entwickeln imstande ist. Beispiele hierzu kannte er zur Genüge aus seiner Studentenzeit.

In Anwesenheit von Patricia hätte er es nicht wagen können, Yolanda zum gemeinsamen Frühstück einzuladen, ohne die Eifersucht der Köchin zu erwecken. Patricia war eine gestandene, reife Frau von 45 Jahren, die mit ihrem Gehalt einen wegen Arbeitsunfall erwerbslos gewordenen Mann und zwei nahezu erwachsene Kinder, die sich noch in Ausbildung befanden, ernähren musste. Patricia war in den zwei Jahren, seitdem Señor T. als Botschafter in Ecuador residierte, nach und nach zu der Überzeugung gelangt, sie müsste, wenn auch heimlich, die abwesende Ehefrau an der Seite des Herrn Botschafters ersetzen. Frau Fonseca de T. lebte seit der Geburt des einzigen Kindes, einer Tochter, in Rio de Janeiro, wo sie ihrer erfolgreichen Karriere als Scheidungsanwältin nachging. Patricias Verhältnis zum Herrn Botschafter tat ihrer eigenen Ehe keinen Abbruch; diese konnte nicht schlechter sein, als sie ohnehin war. Seit ihr Mann behindert war, hatte er seinen Lebensmut verloren und gab sich zunehmend dem Alkohol hin.

Herr João T. musste seine Angestellte gehörig ermutigen, damit sie sich neben ihm am Essenstisch niederließ. Es war das erste Mal, dass sie Herrn ‚Embajador‘ so nahe war. Die Beschäftigung in der Residenz des Botschafters kam ihr selbst noch nach einem Monat Anstellung vor wie ein Märchen. Und bis auf das Einstellungsinterview hatte sie kaum ein Wort mit dem vornehmen Herrn T. gewechselt. Patricia, die neben ihrer Rolle als Köchin auch so etwas wie der gute Geist des Hauses und absolute Vertrauensperson des Señors war, hatte Yolanda in der ersten Woche alle Arbeitsvorgänge gezeigt und ihr angeraten, direkten Kontakt mit dem Señor möglichst zu vermeiden: Je unauffälliger sie ihre Arbeit verrichte, je mehr würde sie dafür geschätzt werden. Diese Empfehlung entsprang freilich Patricias eigenem Interesse und stimmte keineswegs mit der Meinung des Herrn Botschafters überein. Aber Patricias Aufmerksamkeit waren die versteckten Blicke ihres illustren Liebhabers nicht entgangen, die er der jungen Angestellten zuwarf, wann immer sie in seiner Gegenwart auftauchte.

„Señorita Yolanda, bist Du zufrieden mit Deiner Arbeit hier im Hause?“

„Si, Señor!“

„Ist Dir die Arbeit nicht zu schwer?“

„No, Señor!“

„Ich muss gestehen, dass ich bis jetzt sehr zufrieden bin mit Deiner Tätigkeit! Dein „novio“ hatte recht, als er mich bat, Dich einzustellen. Er meinte, Du wärest mit den Pflichten einer Hausangestellten bestens vertraut. Wo hast Du das so gut gelernt?“

„Ich habe drei Jahre im Haushalt eines Obersten bei den „Fuerzas Armadas“ gearbeitet. Seine Frau hat mir alles beigebracht und hier berät mich Patricia, wie ich Ihre Garderobe am besten in Ordnung hielte und welche Kleidung ich für die verschiedenen Anlässe vorbereiten müsste.“

„Wie kommst Du mit den anderen Angestellten zurecht?“

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So, hier ist erst einmal Schluss! Vielleicht werdet Ihr in Zukunft ab und zu weiter gequält mit meinen Geschichten. Nun sehe ich aber, dass in Deutschland das Frühstück auf Euch wartet. Es müsste 7 Uhr morgens sein. Dafür soll diese kleine Lektüre den Kaffee und das Butterbrot, oder wahlweise Müsli, begleiten und frohen Mut zur Tagesarbeit einflössen.

Liebe Grüsse aus Panamá, CE

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Costa Esmeralda

35 Jahre Entwicklungsberater, Lateinamerika, Afrika, Balkan. Veröff. u.a. "Abschied von Bissau" und "Die kranke deutsche Demokratie".

Costa Esmeralda

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