Gründung einer Garifuna-Uni (4)

"Freitag" als Pate? Das wäre wohl zu schön, wenn deutsche Zivilgesellschaft BERLIN zeigen würde, wie Entwicklung gemacht und Frieden gesichert wird

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Foto: Hermann Gebauer (10. März 2015), Grundschule in der Garifuna-Gemeinde Plaplaya, Moskitia, Honduras

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Liebe dFC,

ich stelle hier die Grundzüge einer Universität (UNAFAM) für die afrika-abstämmigen Völker Lateinamerikas an der Karibikküste von Honduras vor, die im Januar 2016 ihre Arbeit aufnehmen soll. (In vorherigen drei hier eingestellten Folgen ging ich auf die Unigründung bereits ein) Sie wurden gemeinsam mit den Garifunas erarbeitet. Aus der zusammenfassenden Projektbeschreibung geht der Charakter der Uni hervor, die mit klassischen Universitäten wenig gemein haben wird, da sie aus den Gemeinden im traditionalen Siedlungsgebiet dieser Völker hervorgeht und ein zukünftiges würdiges, selbstbestimmtes, solidarisches Leben und Arbeiten in diesem Gebiet ermöglichen soll, d. h. nicht nur zivile Menschenrechte, sondern vor allem ökonomische und soziale Wirklichkeit werden lässt (was selbst im reichen Deutschland in Generationen nicht zu erwarten ist). So ist zu hoffen, dass der nimmermüde Exodus aus der peripheren Heimat in die nördlichen Metropolen austrocknen möge.

Einige Universitäten aus Nord- und Lateinamerika haben wissenschaftliche Zusammenarbeit angekündigt. Könnte nicht "der Freitag" eine Patenschaft übernehmen und damit etwas unterstützen, was 60 Jahre deutsche Ausbeutungs-Hilfe, äh, Entschuldigung, ich meine selbstverständlich Entwicklungshilfe, nicht zustande gebracht hat? Das wäre zu schön, um wahr zu sein. Es ist doch so wohlig hinter dem Ofen bei Wein und Käse und besserwisserischem Geschwätz um den Sinn und Unsinn der BT-Parteien-Diktatur.

Begründung und Design einer Universität für die afrika-abstämmigen Völker Lateinamerikas - UNAFAM (Résumé)

1. Warum UNAFAM (Begründung)

(1) Afrika-abstämmige und indigene Völker Lateinamerikas und der Karibik leiden seit Kolonialzeiten bis heute unter den Folgen von Ausgrenzung und Diskriminierung, und das hauptsächlich wegen fehlender Nichteinlösung universaler Menschenrechte vonseiten der Regierungen der Region. Die diesen Völkern vorenthaltenen Menschenrechte sind nicht in erster Linie die zivilen sondern die sozialen und ökonomischen, die Vulnerabilität, Armut und Emigration verursachen und die Durchdringung des Kontinentes durch Drogenhandel erleichtern sowie schließlich in die Zerstörung sozialer Netze münden. Die afrika-abstämmigen Völker, die nach ihrem erzwungenen Exodus aus den Siedlungsgebieten ihrer Ahnen in Afrika in mühevoller Arbeit eine neue Heimat und Habitat im lateinamerikanischen Kontinent errichteten, sehen sich seit Jahrzehnten zu erneuter, diesmal „freiwilliger“ Emigration in die Fremde gezwungen, die ihnen fundamentale Menschenrechte auf ein würdiges Leben vorenthält.

(2) Das gegenwärtige System von Erziehung und Berufsausbildung, insbesondere für die afrika-abstämmige und indigene Jugend, schafft es nicht, neue Generationen so auszubilden, dass sie in der Lage wären, nachhaltige Perspektiven bezüglich Arbeit und würdigem Leben in ihrem traditionalen Habitat zu entwickeln. Der überwiegende Teil der Jugendlichen wird nicht in praktischen Berufsfeldern ausgebildet, um die natürlichen lokalen Ressourcen ausnutzen zu können und produktive Betriebe bzw. Kooperativen zu errichten. Andererseits verfolgt ein kleiner Teil der Jugendlichen, mehrheitlich der Mittel- und Oberklasse angehörig, eine rein akademische Ausbildung, um als zukünftige Elite des politischen und ökonomischen Systems in Lateinamerika, im Besonderen in Honduras, zu fungieren. Das Ergebnis dieser Situation ist das Fehlen einer produktiven und genuinen Entwicklungs- Dynamik der Staaten Zentralamerikas und der Karibik und deren totale Abhängigkeit vom globalen Merkt. Für Afrika-Abstämmige und Indigene ist dieses System von Erziehung und beruflicher Bildung darüber hinaus gekennzeichnet durch Entfremdung vom reichen kulturellen Erbe, welches ein unveräußerliches Recht darstellt und gleichzeitig Bedeutung als wertvoller Entwicklungsfaktor hat.

Das Grundproblem der Entwicklung für afrika-abstämmige und indigene Jugend ist:

Geringe Perspektiven hinsichtlich produktiver Tätigkeiten, Ausbildung, kultureller Entwicklung, Arbeit und Leben im eigenen Land.

Die Effekte des Grundproblems sind:

Emigration nach Nordamerika, Europa oder/und Beteiligung an illegalen Aktivitäten im Ursprungsland, was sich in frühzeitigem Schulabbruch und dem Ende der Träume eines reichen kulturellen Erbes ausdrückt und schließlich Identitätsverlust zur Folge hat.

2. Globales und Haupt-Ziel

2.1 Globales Ziel

Für die afrika-abstämmige Jugend Lateinamerikas ein Berufsbildungs-Modell entwickeln, das die Errichtung würdiger Lebensbedingungen im traditionalen Siedlungsgebiet sicherstellt (ohne Indigene und andere soziale Gruppen von der universitären Ausbildung in der UNAFAM auszuschließen) und die Emigration sowie die Vulnerabilität (soziale Unsicherheit) eindämmt.

2.2 Haupt-Ziel

Eine Modell-Universität für Afrika-Abstämmige gründen (ohne andere soziale ausgegrenzte oder nicht ausgegrenzte Gruppen auszuschließen), die folgende Bedingungen erfüllt:

Aufbauend auf dem kulturellen Erbe und dem traditionalen Siedlungsgebiet:

(i) Ausbildung und Forschung in Berufsfeldern, die die nachhaltige Nutzbarmachung lokaler Ressourcen erlaubt

(ii) Vervollständigung dieser Ausbildung durch das Wissen über die Errichtung von produktiven, nützlichen und wettbewerbsfähigen Unternehmungen auf lokalen und internationalen Märkten, d. h. Arbeitsplätze schaffen und Reichtum generieren im traditionellen Siedlungsgebiet und gleichzeitig zugunsten des Brutto-Inlandsproduktes

(iii) Schaffung eines Entwicklungs-Pols im Umkreis der Universität bestehend aus Unternehmungen der Solidar-Wirtschaft, die die gesamte Gemeinde mit einschließt

(iv) Positive Einwirkung der Universität auf die Qualität der Primar- und Sekundar- Ausbildung durch Praktika der Studenten und Dozenten der UNAFAM in diesen Ausbildungsstufen

(v) Lehre und Forschung in anderen Berufsfeldern der modernen Welt, die eine direkte Bedeutung für die Gemeinden haben können

3. Grundsätze der UNAFAM

(i) Die UNAFAM ist keine Universitätseinrichtung, die anderen bestehenden staatlichen wie privaten Universitäten von Honduras Konkurrenz zu machen beabsichtigt.

(ii) Die UNAFAM wird den Charakter einer hauptsächlich technischen Universität besitzen, die in afrika-abstämmige Gemeinden integriert ist. Einerseits wird sie das traditionale kulturelle Erbe bewahren und zum anderen darauf ausgerichtet sein, die nachhaltige Entwicklung der Gemeinden zu fördern.

(iii) Die UNAFAM wird keine Universität im klassischen Sinne sein, um Eliten innerhalb der Völker hervorzubringen, die wenig Bezug zu den Menschen haben. Im Gegenteil, die UNAFAM wird eine Universität sein, die sich direkt um die Grundbedürfnisse der Völker kümmert und die unter Zuhilfenahme der aktiven Beteiligung aller Mitglieder der Gemeinde errichtet wird, der Jugendlichen, Erwachsenen und Alten.

(iv) Die UNAFAM wird ein Modell für einen Entwicklungs-Pol sein, der Jugendliche beruflich qualifiziert und gleichzeitig ökonomische und kulturelle Aktivitäten der gesamten Bevölkerung im Umkreis der Institution fördert. Zusammenfassend: Die UNAFAM konzentriert sich auf die Wertschätzung aller menschlichen und natürlichen Ressourcen der afrika-abstämmigen Völker, um deren nachhaltige Entwicklung in den vererbten Siedlungsgebieten sicherzustellen.

(v) Durch die Integration von Studenten der indigenen Völker und anderen sozial ausgegrenzten Gemeinden strebt die UNAFAM an, einen Beitrag für die Ausbildung von qualifizierten Bürgern zu leisten, die sich verantwortlich fühlen für eine harmonische, gerechte und friedliche Entwicklung. Parallel dazu wird die Schaffung von „Denk-Zentren“ angestrebt, die für die Übertragung von Wissen zur Persönlichkeitsbildung verantwortlich sein werden.

(vi) Die UNAFAM wird den Charakter eines demokratischen Rechts-Staates haben, der die Menschenrechte achtet, die verantwortliche Verwaltung und Nutzung der Ressourcen sicherstellt sowie Allianzen und internationale Verbindungen in optimaler Weise gestaltet.

(vii) Schließlich: Die UNAFAM wird die Prinzipien einer Universität achten, deren Mission und Vision bedeutet, der Gemeinde den Charakter einer solidarischen, kooperativen Gesellschaft zu verleihen, die die nachhaltige Entwicklung der afrika-abstämmigen, der indigenen und anderen Bevölkerungen sicherstellt.

4. Die Realisierung der UNAFAM (Durchführung)

4.1 Institutioneller Rahmen

Die UNAFAM wird eine private Universität sein, die von der Stiftung FUNAFAM verwaltet wird. Diese Stiftung ist eine zivile Organisation internationalen Charakters, altruistisch, gemeinnützig, auf Gegenseitigkeit beruhend und deren Statuten sich am honduranischen Rechtssystem orientieren und gemäß der herrschenden öffentlichen Ordnung, Moral und den guten Sitten des Gemeinwesens ausgerichtet ist. Die Stiftung FUNAFAM wird als eigene Juristische Person konstituiert, die die Fähigkeit besitzen wird, alle notwendigen Akte zur Erfüllung ihrer Zielsetzung in Eigenverantwortung auszuführen.

4.2 Stufen der Durchführung

Die UNAFAM wird in zwei Studienstufen organisiert, deren Aufnahmebedingung der erfolgreiche Sekundarschulabschluss ist: Die erste Stufe von drei Jahren schließt mit dem technischen „Bachelor“ ab. Die zweite Stufe von zwei bis drei Jahren schließt mit der „licenciatura“ (Magister), dem „Master“ oder dem Ingenieurstitel ab.

In der ersten Stufe werden Techniker ausgebildet, die nach dem Studium unmittelbar in den Arbeitsmarkt einsteigen können, entweder als Angestellte und qualifizierte Arbeiter oder sie errichten ihre eigenen Unternehmungen, Kooperativen oder arbeiten auf eigene Rechnung. Dazu zwei Beispiele: Die Fakultät für nachhaltige Nutzung und Transformation lokaler natürlicher Ressourcen integriert u. a. (a) Herstellung von Lebensmitteln in enger Verbindung mit den Mitgliedern der Gemeinden innerhalb eines Zentrums für Produktion, Vorratshaltung und Kommerzialisierung und resultiert in vielfältigen ökonomischen Unternehmungen und Arbeitsplatzbeschaffung. (b) Holzressourcen wie Bambus werden in den Gemeinden gefördert, verarbeitet und kommerzialisiert in beispielhafter Weise durch die Universitätsstudenten im Verein mit der Gemeinde und dienen zur Herstellung von Möbeln, zum Hausbau mit lokalen Materialien, zu anderen Gebrauchsgütern wie auch zur Produktion von alternativer Energie.

Die zweite Stufe dient der Vertiefung der Kenntnisse, um zukünftige Leitungsfunktionen innerhalb des Universitätsbereiches, einschließlich Forschung, und allgemein innerhalb der wirtschaftlichen und kulturellen gesellschaftlichen Entwicklung wahrnehmen zu können.

4.3 Dezentralisierung der universitären Infrastruktur

Die Studienfächer der UNAFAM werden je nach zukünftigen beruflichen Aktivitäten der Studenten örtlich gebündelt:

Ein Teil der UNAFAM, in der Fächer für die urbane Bevölkerung gelehrt werden, wird in der Stadt La Ceiba eingerichtet.

Der andere Teil der UNAFAM wird in einer Garifuna-Gemeinde errichtet, um dort die Fächer für ländliche Entwicklung und nachhaltige Nutzung und Verarbeitung der natürlichen Ressourcen zu unterrichten. Sowohl im urbanen wie im ländlichen Bereich kümmern sich Studenten und Dozenten auch um die Förderung einer praktischen Unterrichtung in den letzten drei Jahren der Sekundarschulen um sicherzustellen, dass alle Jugendlichen ohne Ausnahme zukünftig beruflich qualifiziert und fähig sein werden, „gesunde“ Familien zu gründen.

Die Einrichtungen der UNAFAM werden mit Internaten ergänzt, um Studenten aus den verschiedenen Departements von Honduras aufnehmen zu können, so wie auch Studenten aus anderen Ländern Lateinamerikas und der Karibik. Die Internate können durch die Studenten und Dozenten miterbaut werden unter Verwendung lokaler Materialien. Beide universitäre Einrichtungen sollten über genügend Land verfügen, auf dass die Studenten die benötigten Nahrungsmittel und Mahlzeiten selbst produzieren und zubereiten können.

4.4 Die ersten Fächer der UNAFAM

Selbstverständlich beginnt die Universität mit wenigen „Schlüssel-Fächern“ für die beiden Studenten-Gruppen (städtische und ländliche), Fächer, die einen unmittelbaren Impact bzgl. Arbeitsplatzbeschaffung haben und die der zukünftigen Entwicklung der UNAFAM nützlich sind.

Die Fächer Informatik, Mikro-Ökonomie (Betriebswirtschaft) und Rechtswissenschaft (einschließlich Internationales Recht sowie Gewohnheits-Recht) werden für La Ceiba vorgeschlagen, während die Einrichtung einer Fakultät für Unterhaltung und Transformation von Natürlichen Ressourcen für den ländlichen Bereich vorgesehen ist. Diese Fakultät beinhaltet Studienfächer wie Organische Landwirtschaft, Fischverarbeitung, Schutz der Natürlichen Ressourcen, Lebensmitteltechnik, Verarbeitung anderer natürlicher Ressourcen wie Holz, Bambus, Kooperativ-/ Betriebs-Gründung, Kommerzialisierung, Marketing. Diese Fächer werden von der Garifuna-Bevölkerung präferiert, um zukünftiges Arbeiten und Leben im traditionalen Siedlungsgebiet zu ermöglichen.


5. Legalisierung und Finanzierung der UNAFAM

Die Legalisierung der UNAFAM und die Anerkennung der akademischen Studienfächer geschieht gemäß dem Prozedere und den Regeln des honduranischen Staates.

Ein starkes politisches und finanzielles Engagement des honduranischen Staates ist erforderlich. Darüber hinaus werden Allianzen mit anderen Universitäten und akademischen Institutionen sowie Forschungseinrichtungen in der ganzen Welt angestrebt. Verschiedene Universitäten und Einzelpersonen der akademischen Welt haben bereits Unterstützung zugesagt. Außerdem wird um technische und finanzielle Hilfe von bi- und multilateralen Gebern nachgesucht.

Es handelt sich bei der Gründung der UNAFAM um ein erstes akademisches Modell in der Welt, das in beispielhafter Weise versuchen wird, den Exodus von Jugendlichen aus peripheren Ländern durch eine nachhaltige Entwicklung von menschlichen Fähigkeiten innerhalb eines traditionalen, kulturellen Kontextes zu stoppen und würdiges Leben im ursprünglichen Siedlungsgebiet möglich zu machen.

LG, CE

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Foto: Hermann Gebauer (19. März 2015), Garifuna-Studentinnen in der Aula der Filiale der nationalen honduranischen Universität in La Ceiba

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Costa Esmeralda

35 Jahre Entwicklungsberater, Lateinamerika, Afrika, Balkan. Veröff. u.a. "Abschied von Bissau" und "Die kranke deutsche Demokratie".

Costa Esmeralda

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