HELDER YUREN

Nachruf Ein Seelenverwandter und kritischer Geist hat uns verlassen

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Ihre Freitag-Redaktion

Mein lieber Helder,

am 17. Februar schrieb ich Dir aus Panamá eine Mail; im Anhang die Einleitung meines in Arbeit befindlichen Buches über meine Wahlkampagne 2017 als Parteiloser, Realität und Fiktion. Ich wollte Dich an der Entstehung des Buches teilhaben lassen und freute mich auf Deine stets erhellenden Kommentare.

Seit wir uns über die dFC kennengelernt hatten, kristallisierte sich langsam aber sicher unsere geteilte Weltsicht und Freundschaft im Geiste heraus. Du hattest in der Vergangenheit immer sofort auf meine Texte geantwortet und mir Deine Sicht der Dinge übermittelt. Dieses Mal wartete ich vergebens auf Antwort. Ich kannte Deinen gesundheitlichen Zustand nicht. Umso erschütterter bin ich nun über die Nachricht Deines Todes.

Da ich mich seit der Bundestagswahl in der dFC rar gemacht habe, weil an meinem Buch arbeitend, hatte ich auch Deine Aktivitäten in der Community nicht weiter verfolgt, was ich nun im Nachhinein außerordentlich bedauere. Dein letzter Kommentar auf meinen letzten Beitrag in der dFC vor zwei Monaten bezüglich des Fazits meiner Wahlkampagne (hier) war der folgende:

lieber hermann,

du hast das desaster erwarten müssen nach dem, was du wusstest. wie waren deine träume, will sagen, wie hat dein unbewusstes, halbbewusstsein den langen stress verarbeitet. hast du von untergängen o.ä. geträumt?

ich bin mir ganz sicher, dass odysseus und till eulenspiegel etc. den koloss anders besiegt haben. oder ein spanischer torero, der geht auch nicht auf den stier zu, sondern ihm stets aus dem weg. es gibt sehr viele vorbilder dafür, wie eine/r mit der übermacht umgeht. erfolgreich.

und was sagen dir die pelikane nach deiner rückkehr zu ihnen? erhol dich gut von der stresstour! und genieße die costa esmeralda!

lg hy

Lieber Helder, wir beide hatten ähnliche Träume und Weltsichten. Vor allem zwei Dinge waren uns heilig, die politische FREIHEIT des Menschen und die LIEBE der Menschen untereinander und gegenüber der Natur. Das mit dem Unterschied, wie Du auch in Deiner Replik treffend sagtest, dass der „Koloss“, die „Übermacht“ (hier der bundesdeutsche Parteienstaat) nicht direkt angegangen werden sollte. Das befürwortete ich so nicht, da es mir als Praktiker immer darauf ankam, diesen „Koloss“ nicht nur theoretisch zu begreifen sondern an Haut und Haaren zu spüren, um herauszubekommen, wie dieser „Stier“ letztendlich an den Hörnen gepackt werden müsste.

Aber Du warst nicht nur ein scharfer Kritiker und Denker. Du hast in der Praxis die Liebe zu Menschen und Natur gelebt. Wir beide hatten uns einmal vorgenommen, einen größeren Kreis von Menschen zu gewinnen, um gemeinsam an einer Verhaltensethik in Deutschland zu arbeiten, ein Land, das seit Jahrzehnten, dank Parteienstaat, in Mediokrität und Untertanengeist verkommt. Eine solche Ethik als Grundlage eines harmonischen menschlichen Miteinanders sahen wir als Voraussetzung an, um aus der Weiterso-Gesellschaft herauszukommen und der aufwallenden Xenophobie im Lande die Stirn zu bieten.

Leider hatte ich wegen der Wahlkampagne nicht die Zeit für ein persönliches Treffen mit Dir in Deutschland gefunden, das wir uns verschiedentlich vorgenommen hatten. Es tut mir in der Seele leid, dass unsere Kommunikation dieses abrupte tragische Ende gefunden hat.

Auf welcher Reise Du Dich auch befinden magst - Du weißt ja, dass bei den Animisten nur die leibliche Hülle stirbt, die Seele aber weiter lebt - Du bist in Gedanken weiterhin präsent und geschätzt, und Deine wertvollen Kommentare werden mich beim Schreiben auch in Zukunft beflügeln.

Ganz liebe Grüße und eine Umarmung für Dich von der Costa Esmeralda,

Dein Hermann

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Geschrieben von

Costa Esmeralda

35 Jahre Entwicklungsberater, Lateinamerika, Afrika, Balkan. Veröff. u.a. "Abschied von Bissau" und "Die kranke deutsche Demokratie".

Costa Esmeralda

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