Im Namen der Demokratie:

NICHTWÄHLEN! Bewusste NICHTWÄHLER sind die Wichtigsten unter den Wahlberechtigten und unerlässlich zur "Heilung" der kranken deutschen Demokratie, vor und nach der Wahl

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http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/c7/Reichstag_building_Berlin_view_from_west_before_sunset.jpgSymbol der BT-Parteien-Diktatur

Foto: Wikimedia Commons, Reichstagsgebäude

Autor: Jürgen Matern, 4. 11. 2007

Liebe dFC,

wer meine Beiträge bezüglich der BT-Parteien-Diktatur seit meiner Teilnahme an der Online-Ausgabe von „der Freitag“ mitverfolgt hat, wird sich nicht über meinen

Aufruf zur Stimmenthaltung

wundern. Alle politischen Parteien veranstalten derzeit einen Propagandafeldzug, um politische Macht in der Republik, Macht über die drei Gewalten im Staate und damit über 80 Millionen Untertanen/Bürger zu gewinnen. Diese Macht auf Bundesebene wird nur über Abgeordnete im Bundestag erreicht, über deren Zusammensetzung am 22. September 2013 entschieden wird. Jeder, der an Mitbestimmung über seine persönlichen Lebensbedingungen und am Gemeinwohl im Lande interessiert ist, sollte deshalb an der Wahl teilnehmen, so sollte man meinen. Ich werde aber gerade das Gegenteil tun. Statt: „Sie haben die Wahl“, wie uns das Titelblatt des „der Freitag“ glauben machen will, behaupte ich:

„Sie haben KEINE Wahl!“

Ich werde hier keine weiteren hochtrabenden, intellektuellen Ergüsse vom Stapel lassen. Schon viel wurde über das leidige Wahlthema in verschiedensten Argumentationsketten berichtet. Doch: Das berüchtigte Sommerloch, aber auch die jämmerliche Verfassung der Republik, die auf den Hund gekommen ist, fordern geradezu heraus, das Thema ins Licht der Öffentlichkeit zu befördern. Das freut mich als überzeugten Nichtwähler selbstverständlich außerordentlich. Hier möchte ich nur noch einmal schlagwortartig meine Argumentation darüber loswerden, dass gerade derjenige, der an einer Bürger-Republik wahrlich interessiert ist und diese elende BT-Parteien-Diktatur und Seilschaften-Republik der Geschichte überlassen möchte, sozusagen die vaterländische Pflicht hat, der Wahl fernzubleiben.

Argumente fürs Nichtwählen

1. Seit Bestehen der Bundesrepublik haben es die BT-Parteien erfolgreich verstanden, sich als ausschließliche Gestalter des „Politischen Raumes“ in der Öffentlichkeit darzustellen, obwohl sie laut Verfassung nur ein Gestalter unter anderen (innerhalb der zivilen Gesellschaft) sind. Und sie haben diese Position abgesichert über Zuteilung von Wahlkosten-Rückerstattung, Bildung und Finanzierung von parteinahen Stiftungen aus öffentlichen Steuergeldern, und beinahe 100%ige Besetzung der Entscheiderstellen in allen drei Gewalten des Staates: Legislative, Exekutive und Judikative.

2. Die Untertanen/Bürger der Republik haben diesen politischen Machtanspruch, das Monopol über den Staatsapparat vonseiten der BT-Parteien, in kürzester Zeit widerspruchslos akzeptiert und als demokratisches, pluralistisches, repräsentatives, parlamentarisches System verinnerlicht, als sei damit nach leidvoller Vergangenheit endlich die Demokratie, die Volkssouveränität, wie das Grundgesetz so schön behauptet, erreicht, und das in Konkurrenz zum diktatorischen Einparteiensystem unserer Landsleute in der ehemaligen DDR. Mitnichten! Die Menschen in der BRD haben sich mit der bereitwilligen Übergabe des politischen Machtmonopols an die BT-Parteien selbst entmachtet und den Untertanenstatus zementiert. Die theoretisch mögliche Besetzung von 50% der Abgeordneten des BT via Erststimme (Direktkandidaten) wurde von 99% Nicht-BT-Parteienmitglieder nie ernsthaft ins Auge gefasst. Damit war die Degeneration der deutschen Demokratie von Beginn an besiegelt.

3. Die deutsche Demokratie ist krank, an Haupt und Gliedern. Als immer noch nicht von den Alliierten anerkannter souveräner Staat können sich unsere Landsleute aus der ehemaligen DDR nach der Wiedervereinigung nur beglückwünschen, aus einer Einparteien-Diktatur in eine Sechsparteien-Diktatur gewechselt zu haben. Besser geworden sind zwar z.T. die materiellen Lebensbedingungen und die Ausübung persönlicher Freiheiten, insbesondere der Meinungsfreiheit. Wer aber den gesteckten politischen und wirtschaftlichen Rahmen der BT-Parteien-Diktatur brechen will, wird materiell abgestraft und isoliert. Die BT-Parteien als politische Oligarchie haben im Verein mit der wirtschaftlichen Oligarchie die politische und wirtschaftliche Ordnung des Landes fest im Würgegriff.

4. Eine Beteiligung an der Wahl bedeutet Legitimation der bestehenden BT-Parteien-Diktatur. Nicht ein einziger Unabhängiger aus der Zivilgesellschaft wird Abgeordneter des Neuen Bundestages sein und damit wenigstens ein wenig das Volk, das doch nahezu 99% der Wahlberechtigen stellt, mit in den BT hineinnehmen. Die politische Oligarchie wird wie eh und je das staatliche Machtmonopol ausüben, in welcher Koalition auch immer und unter der Fuchtel der wirtschaftlichen Oligarchie sowie unter Ausschluss der zivilen Gesellschaft.

5. Kleine Parteien, die die BT-Parteien-Diktatur versuchen aufzubrechen, aber keine Chance haben, die 5%-Hürde zu überspringen, sind den BT-Parteien höchst willkommen. Ihre zahlreiche Teilnahme an der Wahl wird die BT-Parteien in ihrer Macht erst recht legitimieren.

6. Konsequenz für den unabhängigen Wähler: Er ist derjenige, der versuchen kann und der die Verantwortung hat, die Krankheit der deutschen Demokratie zu bekämpfen. Wie kann das geschehen? Solange die unabhängige Wählerschaft mit den etablierten BT-Parteien nicht unter gleichen Bedingungen in den Wahlkampf ziehen kann, sollte sie auf jegliche Wahlbeteiligung verzichten. Ein Formel I-Rennen kann nicht gerecht durchgeführt werden, wenn der neueste Mercedes neben dem ältesten Trabi auf die Piste geht. Deshalb sollte der Wahlkampf des bewussten Nichtwählers wie folgt geführt werden:

Wahlkampf des Nichtwählers VOR der Wahl

Die Hauptaufgabe sollte die aktive Einmischung in den Wahlkampf der Parteien sein und in der Weise erfolgen, dass mit möglichst vielen Gleichgesinnten verschiedenste Arten der Aufklärung über die Krankheit der deutschen Demokratie und die Existenz und das Wesen der BT-Parteien-Diktatur betrieben werden. Es sollten sich möglichst viele Wähler über die Verinnerlichung und widerspruchslose Hinnahme des Machtmonopols der BT-Parteien klar werden. Das Ohnmachtsgefühl gegenüber den BT-Parteien sollte von einem bestehenden Desinteresse an der Wahl in ein Interesse an bewusster Wahlabstinenz gewandelt werden. Dies mit der Hoffnung, in den kommenden vier Jahren durch Bildung von Bündnissen innerhalb der zivilen Gesellschaft eine außerparlamentarische aktive Opposition aufzubauen, die organisiert mit unabhängigen Direkt-Kandidaten den nächsten Wahlkampf aufnimmt, um die BT-Parteinen-Diktatur zu brechen.

Wahlkampf des Nichtwählers NACH der Wahl

Unmittelbar nach der Wahl sollte der „Wahlkampf“ für die folgende Wahl in vier Jahren beginnen. Dabei sind die gemachten Erfahrungen und die Analyse der vergangenen Wahl wichtig für die Strategie der politischen Arbeit in den kommenden Jahren. Wie bereits ausgeführt stehen dabei die Bewusstmachung über die Krankheit der deutschen Demokratie sowie die Notwendigkeit der Überwindung der Untertanen-Rolle in einer BT-Parteien-Diktatur im Mittelpunkt. Eine ausgezeichnete Einübung auf einen Wahlkampf in vier Jahren, und dann als Wähler von unabhängigen Direktkandidaten, kann die Bildung von zivilen alternativen Parlamenten sein, die die wichtigsten Zukunftsfragen unserer Republik debattiert und in denen sich zukünftige unabhängige Direktkandidaten von selbst herauskristallisieren.

Liebe Grüße, CE

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Costa Esmeralda

35 Jahre Entwicklungsberater, Lateinamerika, Afrika, Balkan. Veröff. u.a. "Abschied von Bissau" und "Die kranke deutsche Demokratie".

Costa Esmeralda

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