"Narco-Staat" in Zentralamerika

Honduras Ein liebenswertes Land in Zentralamerika wird durch den internationalen Drogenhandel in die Knie gezwungen, und die Welt schaut teilnahmslos zu.

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Honduras ist ja nur eine "Bananenrepublik" mit 8,5 Millionen Einwohnern. Wozu die Aufregung?

Trotzdem möchte ich der dFC zum Wochenende einen Bericht über dieses Land einstellen mit dem Titel:

Neueste Nachrichten aus Zentralamerika zum Wochenende

(angehängt ist der Epilog meines Romans "Abschied von Bissau", da er sich in der Moskitia-Region abspielt, eine von Honduras und Nicaragua geteilte Region, und da er die aufgeführten Nachrichten literarisch ergänzt)

1. El Heraldo (Tageszeitung in Honduras), Dienstag 28.5.2013 (Übers. aus dem Spanischen von CE)

Pakt zwischen jugendlichen Verbrecherbanden wird die Mordrate in Honduras herabsenken.

Auszüge: In der wichtigsten Wirtschaftsmetropole von Honduras, San Pedro Sula, wurde im dortigen Gefängnis ein „historischer Waffenstillstand“ zwischen den beiden wichtigsten jugendlichen Verbrecherbanden, der „Pandilla 18“ und der „Mara Salvatrucha (MS13)“ vereinbart, der nach allgemeiner Einschätzung die Mordrate herabsenken wird und die staatlichen Behörden zwingen wird, sich aktiv auf einen Pakt zur Befriedigung des Landes einzulassen.

In einer „historischen Erklärung“ boten die Sprecher der beiden Banden heute einen Waffenstillstand und eine Beendigung der Gewaltverbrechen an, baten die Gesellschaft und die Regierung um Verzeihung für den angerichteten Schaden. Des Weiteren riefen sie die staatlichen Behörden auf, einen Dialog zur Pazifikation des Landes einzuleiten unter Zuhilfenahme von Rehabilitationsmaßnahmen und Beschäftigungsgelegenheiten für ihre Mitglieder.

2. La Prensa (Tageszeitung in Honduras), Donnerstag, 30.5.2013 (Übers. aus dem Spanischen von CE)

Jährliche Geldwäsche in Honduras von 60 Mrd. Lempiras (enstpricht etwa 3 Mrd. US$)

Auszüge: Jährlich werden in Honduras Aktivposten des Organisierten Verbrechens in Höhe von ca. 3 Mrd. US$ gewaschen, die 20% der Gesamteinnahmen des Landes ausmachen. (laut Untersuchung des zentralamerikanischen Netzwerkes “laRed” (Forschungs-Zentren gesellschaftlicher Entwicklung)

Honduras belegt den dritten Platz in der zentralamerikanischen Geldwäsche, laut einer Untersuchung von „laRed“ (gesponsert von der Konrad Adenauer Gesellschaft – KAS – in Guatemala). Insgesamt beträgt die jährliche Geldwäsche 14 Mrd. US$. An der Spitze liegen Costa Rica und Panama.

Auswirkungen der Geldwäsche

Die illegale Geldwäsche erzeugt beträchtliche finanzielle Einkünfte und große Vermögen, die den kriminellen transnationalen Organisationen ermöglichen, in die Strukturen der öffentlichen Verwaltung, des Handels, legale Finanzinstitutionen und in alle Sphären der Gesellschaft einzudringen, sie zu vergiften und zu korrumpieren.

Das illegale Geld vermag Gerichtsurteile zu kaufen, in die parlamentarische Gesetzgebung einzugreifen, Schutz für Güter und Dienstleistungen zu finanzieren, öffentliche Gelder für illegale Aktivitäten abzuzweigen und politische Macht über die Finanzierung von politischen Parteien zu erkaufen.

Das organisierte Verbrechen und der Drogenhandel nutzen die Armut und das Fehlen von Beschäftigungsmöglichkeiten aus, unter denen die Gemeinden im Innern des Landes leiden, um diese so in ihre Aktivitäten einzubinden. Als Gegenwert dient der Erhalt von Geld, welches bei Weitem das übersteigt, was eine Person bei legaler Beschäftigung erhalten könnte.

Soweit der Artikel.

Kommentar von CE:

Gottseidank haben wir die Konrad Adenauer Stiftung (CDU), die aufmerksam hinschaut, was in den tausend Winkeln der Welt an kriminellen Machenschaften geschieht, u. a. in Honduras und Zentralamerika.

Man darf auch nicht vergessen, dass die anderen parteinahen Stiftungen Deutschlands von CSU, SPD, FDP (nach Rauswurf aus dem nächsten Bundestag nicht mehr. Dank an den Wähler im Voraus!), Grüne und Linke ebenfalls emsig bemüht sind, die 500 Millionen Euro jährlich aus dem Steuersäckel sinnvoll zu verbraten, um anderen Ländern auf die schmutzigen Finger zu schauen. Wenn all diese parteinahen Stiftungen doch mit derselben Sorgfalt auf die eigenen Finger, auf Korruption und Geldwäsche hierzulande schauen würden, wäre einiges gewonnen (siehe dazu Nachricht 3). Noch besser wäre es allerdings, dieses Geld in deutsch-internationale Ausbildungsstätten und internationale Universitäten zur Förderung von Friedenspolitik zu stecken, unter Verwaltung von unabhängigen Organisationen der Zivilgesellschaft.

3. Basel Institute on Governance publiziert den Länder-Risiko-Index über Geldwäsche (25. Mai 2013, Übers. aus dem Spanischen von CE)

Auszüge: Was misst der Baseler Risiko-Index?

Es werden nicht die aktuell existierenden Aktivitäten der Geldwäsche eines Landes gemessen, sondern die Grundlage für den Risiko-Grad erstellt, d. h. die Wahrscheinlichkeit von Geldwäsche-Aktivitäten anhand internationaler Standards (Risikofaktoren) errechnet. Zu diesen zählen u. a. die Geldwäschemöglichkeiten und Möglichkeiten zur Finanzierung von Terrorismus, Korruptionsanfälligkeit, Transparenz von Finanz-Transaktionen, Finanzierung politischer Parteien, Unabhängigkeit des Rechtssystems und andere Faktoren.

Ausgewählte Resultate:

Die Analyse von 144 Ländern ergab u. a.

Die 10 Länder mit dem besten Ergebnis: Norwegen, Estland, Slowenien, Schweden, Finnland, Neuseeland, Litauen, Chile, Südafrika und Frankreich.

Die 10 Länder mit dem schlechtesten Ergebnis: Iran, Kenia, Kambodscha, Haiti, Tadschikistan, Mali, Uganda, Paraguay, Belize und Zambia.

Lateinamerika bietet unterschiedlichste Ergebnisse.

Chile ist an achtbester Stelle. Unter den schlechtesten 25 positionierten Länder von 144 sind: Paraguay (8), Argentinien (12), Bolivien (15), Dominikanische Republik (17) und Ecuador (24). Dann kommen Venezuela (34), Costa Rica (38), Honduras (57), Guatemala (58) und Panama (60).

Kommentar von CE:

Interessant sind die Positionen der „reichen“ Länder: Da liegen Deutschland und die Schweiz auf ähnlichen Plätzen wie bspw. Honduras (57)und Panama (60): Deutschland (69) und Schweiz (72), d. h. beide europäischen Länder gehören in die schlechtere Hälfte der Länder mit Risiko für Geldwäsche. Aber das kennen wir ja aus der allgemein geduldeten Geldwäsche der Begüterten Schichten des Landes mit diskreter Hilfe des deutschen Bankensystems und der deutschen Politik (Helfen da die gemeinsamen Nobel-Essen im Kanzleramt nicht weiter?), die beide erst durch Fälle wie Hoeness aus ihrer Lethargie aufgescheucht werden müssen. Länder wie Peru, Kolumbien, Uruguay, Brasilien sind da weitaus besser positioniert als unsere Republik.

4. Honduras hat laut UN die höchste Mordrate der Welt

Eine ältere Nachricht vom 27. September 2012, aus Verständnisgründen hier angeführt (Übers. aus dem Spanischen von CE)

Auszüge: Honduras hat die höchste Mordrate der Welt, vor El Salvador und Elfenbeinküste. Die gewaltsamen Todesfälle steigen kontinuierlich an und haben sich innerhalb einer Dekade, die durch eine starke Zunahme des Drogenhandels charakterisiert ist, fast verdoppelt.

Die Mordrate stieg zwischen 2001 und 2011 von 51/100.000 Einwohner im Jahr auf 92/100.000, und überholte El Salvador mit 69/100.000 und Elfenbeinküste mit 57/100.000 pro Jahr, um zum gewalttätigsten Land in Zentralamerika und der Welt aufzusteigen. (laut UN-Bericht: „Organisiertes transnationales Verbrechen in Zentralamerika und Karibik: Untersuchung der Gefahren“.)

Anmerkung von CE: Die durchschnittliche Mordrate in der Welt liegt bei 9 Fälle zu 100.000 Einwohnern, d. h. Honduras hat eine zehnmal so hohe Rate. (Wer lebensmüde ist, oder wer nicht weiss, wie er seinen Suizid am besten organisiert, der geht am besten mit einem Handy in San Pedro Sula am helligten Tag spazieren, auf dass ihm geholfen wird.)

Kommentar von CE:

Diese erschreckende Entwicklung ist auf die Verhärtung des Drogenkampfes in Mexiko seit 2006 zurückzuführen, als das mexikanische Militär in den Antidrogenkampf massiv eingebunden wurde. Die organisierten mexikanischen Drogenkartelle “Las Zetas” und „Cartél del Pacífico“ waren gezwungen, in die Nachbarländer, Guatemala, El Salvador und Honduras auszuweichen. Dort verbündeten sie sich vor allem mit den Verbrecherbanden der „Maras“, die sich aus ursprünglich aus den USA ausgewiesenen jugendlichen Banden dieser Länder konstituiert hatten. Die Maras hatten bereits vorher ein ausgeklügeltes „Mafia-System“ etabliert, das besonders in Armenvierteln der Großstädte San Pedro Sula und Tegucigalpa aus einem ausgeklügelten System von „impuesto de guerra“ (Kriegssteuer) bestand, die von Haushalten, kleinen informellen Geschäften und Taxis wöchentlich zu entrichten waren. Die verhängnisvolle Allianz zwischen mexikanischen Drogenkartellen und lokalen Jugendbanden ließen Honduras rasch zur wichtigsten Kokain-Schaltstation zwischen Kolumbien und den USA werden. Diese Entwicklung wurde obendrein befeuert durch die Korruption von lokaler Polizei, Justiz und Politik.

Zum Schluss der Nachrichten über Honduras stelle ich den Epilog aus meinem Roman „Abschied von Bissau“ ans Ende des Berichtes, denn er erwähnt eine Episode in Honduras im Frühjahr 2006, als der Drogenkrieg von Mexiko aus vehement auf die Nachbarländer durchschlug, vor allem auf Honduras, das derzeit die schwächsten staatlichen Strukturen beim Transit in die USA aufweist und so prädestiniert für den internationalen Drogenhandel gworden ist, ähnlich wie Guinea Bissau (siehe auch meinen Beitrag über die Blutspur des Kokains in dF) in Westafrika beim Transit nach Europa. Beide Länder kann man als „Narco-Staaten“ und „failed states“ bezeichnen, die zu Schaltstellen des Transits von Kokain in die beiden großen Metropolen, USA und Europa, verkommen sind.

Epilog („Abschied von Bissau“)

Kurze Vorbemerkung: Der Epilog erwähnt die Moskitia Region, die ihre Fortsetzung in Nicaragua findet und die transportmäßig völlig isoliert vom Rest des Landes ist. Diese ökologisch einzigartige Region, die verschiedene indigene Völker und Nachfahren von ehemaligen Sklavengesellschaften beherbergt, ist heute bevorzugtes Drogentransitgebiet geworden. In dem Roman spielt diese Region eine wichtige Rolle wie auch Guinea Bissau und die Kapverdischen Inseln.

Die Hurrikansaison 2005 hatte für die Menschen in Honduras verheerende Folgen; besonders waren die autochthonen Völker in der Moskitia betroffen. Die Hurrikans ‚Beta‘ und ‚Gamma‘ im Oktober und November hatten etliche Todesopfer gefordert, weite Teile der Region wochenlang unter Wasser gesetzt, die Ernten vernichtet, Häuser und Schulen weggeschwemmt und Batalla, auf der Landzunge gegenüber von Palacios, in zwei Teile auseinandergerissen. Das Meer konnte jetzt ungehindert in die Lagune eindringen.

Beginn Dezember war Pedro, ein spanischer Freund von Carmen und Hans, mit einer Mission der Vereinten Nationen in der Region, um die Schäden festzustellen und einen Nothilfeplan auszuarbeiten. Im Januar 2006 kehrte Pedro nach Palacios zurück, um die ersten Hilfsmaßnahmen zu koordinieren. Per Schiff sollten von La Ceiba aus die Nothilfegüter nach Batalla transportiert werden. Pedro hatte Glück, dass der erfahrene Pilot das kleine Flugzeug heil zur Landung brachte. Die Piste war noch teilweise unter Wasser. Jeden zweiten Tag regnete es.

Pedro hatte Carmen und Hans zu Ende der neunziger Jahre bei ihrer gemeinsamen Arbeit in Bosnien während der Wiederaufbauphase nach dem Bürgerkrieg kennengelernt. Seitdem hatte er eine feste Freundschaftsbeziehung mit den beiden aufgebaut. Als er 2005 einen Vertrag bei den Vereinten Nationen in Honduras bekam, versprach er ihnen, Carmens Familie in der Moskitia zu besuchen. Hans riet Pedro auch zu einem Besuch in einem erst kürzlich erbauten anthropologischen Museum in Palacios, in dem Zeugnisse der verschiedenen in der Moskitia beheimateten Ethnien ausgestellt seien. Einen Teil der Sammlung hatte er zusammen mit Carmen und Führern dieser Ethnien in den achtziger Jahren zusammengetragen. Carmen und Hans, die inzwischen zwei Kinder hatten, waren wegen ihrer Arbeit in den letzten beiden Jahren nicht dazu gekommen, einen Heimaturlaub in Honduras anzutreten.

Pedro quartierte sich im Hotel, das am Anfang der Piste gelegen ist, ein. Gleich darauf machte er sich auf den Weg zum anthropologischen Museum, das nur fünfhundert Meter weiter längs der Landepiste lag und, wie ihm schon im Hotel berichtet wurde, durch die Einwirkung der Hurrikans schwer beschädigt sein sollte. Der hintere zur Lagune gelegene Teil sei durch das in die Lagune eingedrungene Meereswasser zusammengesackt. Tatsächlich machte das halbzerstörte, einst stattliche Holzgebäude, das mit Hilfe der GTZ erbaut worden war, auf Pedro einen bedauernswerten Eindruck. Die Einfriedung war verschlossen. Er konnte nicht in Erfahrung bringen, wie viele Stücke von der anthropologischen Sammlung über die in der Moskitia beheimateten Völker durch die Gewalt der Hurrikans verloren gegangen waren. Pedro versuchte vergeblich, einen Verantwortlichen für das Museum zu finden. Die zerstörerischen Folgen der Hurrikans hatten offenbar zur Einstellung von vielerlei Aktivitäten in weiten Gebieten der Moskitia beigetragen. Auch waren das Haus und die Werkstatt von Carmens Familie verwaist. Man sagte ihm, die Familie hätte wegen der verschlechterten Sicherheitslage Palacios verlassen und sei jetzt in dem benachbarten Department Colon zuhause.

Das Wetter in der Moskitia und in Palacios verschlechterte sich von Tag zu Tag. Pedro erfuhr über Radio, dass das Schiff mit den Hilfsgütern für die Garifuna, Miskito, Tawahka und Pech bisher nicht aus dem Hafen von La Ceiba ausgelaufen war. Die See war zu rau, um eine Überfahrt nach Palacios zu wagen. So saß er zwei Wochen in seinem kleinen Hotel fest. Jeden Augenblick, den das Wetter erlaubte, um in den Ort zu gehen oder nach Batalla überzusetzen, nutzte er, um die Gesetzmäßigkeiten des täglichen Lebens der Menschen in Palacios auszumachen. Diese mussten sich nach und nach mit Beendigung der Aktivitäten der „Contras“ gegen die „Sandinistas“ in Nicaragua, die von der Moskitia ausgegangen waren, herausgebildet haben. Von der offenen Diskothek in der Nachbarschaft des Hotels tönte die Latinomusik jede Nacht über die Lagune hinweg bis nach Batalla. Die Uferpromenade von Palacios wurde jetzt von den jungen „Pistoleros“ des örtlichen Drogenbarons beherrscht. Schon beim Frühstück auf der über dem Wasser der Lagune errichteten Terrasse des Restaurants saßen sie Karten spielend und Bier trinkend an Pedros Nachbartisch und hantierten ständig an ihren Colts herum. Ab und an ballerten sie damit in die Luft, wohl um der Bevölkerung und Fremden zu zeigen, wer Herr im Hause sei, und um den jungen Frauen zu imponieren. Ihr Chef, der Bruder des örtlichen Bürgermeisters, hatte sein luxuriöses Anwesen, in das Pedro nur einmal flüchtig hineinschauen konnte, hinter einer hohen Mauer versteckt. Es musste sein ungefähr zehnjähriger Sohn sein, der plötzlich aus der aufgestoßenen schweren Metalltür des Grundstücks auf einem dreirädrigen Motorrad herausgeschossen kam und mit donnerndem Getöse den einzigen Weg am Ufer rauf und runter jagte. Als Pedros einheimisches Geld zur Neige ging, und er in einem Geschäft fragte, ob er mit amerikanischen Dollars bezahlen könnte, holte der Ladeninhaber ein dickes Bündel von Hundertdollarscheinen aus der Kasse und meinte lässig, das sei die harte Währung im Ort.

Nach Tagen des Wartens kam endlich die Nachricht, das Schiff mit den Hilfsgütern sei auf dem Weg nach Palacios. Früh am Morgen des Vortages seiner Ankunft hörte Pedro beim Waschen ein lautes Sausen von der Piste her. Er lief neugierig zum Fenster und wurde Zeuge, als drei große schwarze Hubschrauber, wie sie täglich in den Nachrichten über den Irakkrieg zu sehen waren, in Formation über der Piste einschwebten. Generalstabsmäßig sprangen aus jedem Hubschrauber etwa zwanzig Elitepolizisten der Antidrogenpolizei, nahmen Aufstellung in voller Montur und mit automatischen Waffen und folgten ihrem Kommandanten in den Ort. Pedro machte sich schnell fertig und eilte ebenfalls in den Ort. Dort hatten inzwischen zwei Schnellboote der Polizei angelegt. Es schien, eine groß angelegte Jagd auf den florierenden Drogenhandel zwischen Kolumbien, Venezuela, der Moskitia, Mexiko, Jamaika und den USA sei im Gang. Am Hauptsteg von Palacios hatte ein verrosteter Kahn aus La Ceiba festgemacht, der Diesel und Benzin transportierte. In der Mitte der Lagune war ein größeres Schiff mit Konsumgütern vor Anker gegangen, die mit kleinen Booten an Land gebracht wurden. Eigentümlicherweise blieben beide Schiffe von Durchsuchungen verschont. Die „Pistoleros“ waren wie vom Erdboden verschwunden. Alles schien ruhig und in bester Ordnung. Die Diskothek war geschlossen.

Am nächsten Tag kam dann das von den Vereinten Nationen unter Vertrag genommene Schiff in der Lagune an und ging wie ausgemacht am Ufer von Batalla vor Anker. Pedro ließ sich sofort übersetzen und nahm Verbindung mit dem Kapitän auf. Vertreter der Garifuna, Miskito, Tawahka und Pech waren gekommen, um den Weitertransport der für sie bestimmten Hilfsgüter zu besprechen. Als nach kurzer Unterredung mit dem Kapitän und den Matrosen die Ausladung der Güter begann, kamen von Palacios die beiden Schnellboote mit jeweils zwanzig schwerbewaffneten Polizisten der von den USA unterstützten Antidrogeneinheit und dem Kommandanten herüber, legten an dem Transportschiff an und begannen ungefragt eine minutiöse Untersuchung. Auf Pedros Frage hin, was das sollte, antwortete der Kommandant, sie hätten Informationen über Drogenschmuggel. Als Pedro ihm entgegnete, das seien Hilfsgüter der Vereinten Nationen für die betroffene Bevölkerung, meinte er nur, alles sei möglich. Beim Drogenschmuggel wüsste man nie genau, welche Methoden angewandt würden. Nach der Durchsuchung, bei der nichts herauskam, kehrten die Polizisten zurück. Der Kommandant meinte zum Abschied, die Situation sei tatsächlich friedlich, sie könnten ihre Mission beenden. Keine viertel Stunde später verschwanden die Schnellboote aus der Lagune und die Helikopter hoben ab. Als die Hilfsgüter nach drei Stunden ausgeladen und in dem neuen Verwaltungsgebäude von Batalla untergebracht waren, fuhr Pedro wieder hinüber nach Palacios. Er wollte bei einem schönen Sonnenuntergang frischen gegrillten Fisch über der Lagune genießen. Und siehe da, am Nachbartisch waren die „Pistoleros“ schon wieder am Kartenspielen und Biertrinken. Die Pistolen saßen locker. Die Salsamusik war auf voller Lautstärke. Bis auf den örtlichen Drogenchef, den Bürgermeister und den Kommandanten der Elitetruppe wusste niemand, wie viel Bestechungsgeld den Besitzer während der letzten beiden Tage gewechselt hatte.

Pedros Mission in Palacios war beendet. Die Garifuna, Miskito, Tawahka und Pech mussten jedoch noch auf die Verteilung der Hilfsgüter warten, denn eine Woche später flog der neu gewählte Präsident der Republik ebenfalls mit einem Hubschrauber nach Palacios, um die Katastrophenhilfe der Vereinten Nationen persönlich und unter allgemeinem Beifall der betroffenen Bevölkerung zu verteilen.

Pedro fragte sich bei seinem Abschied aus der Region, was wohl aus den Völkern der Moskitia unter den Bedingungen des internationalen Drogenhandels werden würde. Könnten sie ihre Identität und ihre einzigartige Umwelt bewahren? Was sollte er Hans und Carmen bei einem Wiedersehen antworten, wenn sie ihn nach den Verhältnissen in der Moskitia fragten? Angesichts der immer häufiger auftretenden Naturkatastrophen und dem Unvermögen der nationalen und internationalen Politik überkamen ihn große Zweifel an einer selbstbestimmten, nachhaltigen Entwicklung der alteingesessenen Völker der Moskitia, die allmählich zum Spielball der internationalen Drogenkartelle gerieten. Es waren auch die Zweifel an der Nützlichkeit des persönlichen Einsatzes um die Überwindung von Armut, Rassismus, Ausgrenzung von Andersdenkenden und Zerstörung der Umwelt, die er, Hans, Carmen und einige Freunde in ihren Diskussionen im kriegszerstörten Bosnien immer wieder auf den Tisch gelegt hatten. Einzig die Tatsache der beispielhaften Beziehung zwischen Hans und Carmen und ihr ungebrochener Einsatz bei ihrer Arbeit machten auch Pedro immer wieder Mut, nicht in Resignation und Zynismus zu verfallen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Costa Esmeralda

35 Jahre Entwicklungsberater, Lateinamerika, Afrika, Balkan. Veröff. u.a. "Abschied von Bissau" und "Die kranke deutsche Demokratie".

Costa Esmeralda

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