Vorschlag: Piraten-Partei Auflösen!

Besser: Bewegung! Das einigende Band der Piraten ist die Weiterentwicklung der repräsentativen Demokratie hin zu einer direkten. Das kann aber nur eine Bewegung leisten.

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Vorschlag: Die Piraten sollten sich als Partei auflösen und weiter arbeiten als Verein bzw. Bewegung zur Förderung der Direkten Demokratie. Die bisher gesammelte Erfahrung der Organisation der direkten Beteiligung ihrer Mitglieder an politischen Entscheidungen könnte dazu beitragen, in Zukunft nicht als Partei sondern als Bewegung Unabhängige aus den eigenen Reihen erfolgreich als Direkt-Kandidaten in den Bundestag zu schicken. Die "Piraten-Bewegung" würde horizontal strukturiert bleiben und die Unabhängigen im Bundestag würden von der Bewegung permanent unterstützt aber auch kontrolliert werden.

Begründung: Das Unbehagen an unserem politischen und wirtschaftlichen System wächst allerorten. Der Normalbürger sieht sich hilflos zwei Krisen ausgesetzt, die sein Leben materiell entscheidend beeinflussen, und zwar in negativer Weise: die Euro-Krise und die soziale Krise. Beide Krisen werden von den Bundestagsparteien nicht nur unzulänglich angegangen, sondern auf die Spitze getrieben.

Das Gefühl der Ohnmacht gegenüber wirtschaftlichen und politischen Seilschaften (Bundestagsparteien), deren eigentliche Aufgabe die Repräsentanz der Interessen des Bürgers ist, die aber immer unzureichender wahrgenommen wird, führt zu wachsender Stimmenthaltung und De-Legitimation des Parlaments und trug entscheidend zur Gründung der Piraten-Partei bei.

Bis vor Kurzem gelang es den Piraten, einen grossen Teil der vor allem jungen Wählerschaft aus der Mittelschicht an sich zu binden. Die fehlende Programmatik der Partei war nicht eintscheidend. Sie wurde wahrgenommen als Protestpartei gegen die Seilschaften und Partei für mehr direkte Demokratie. Auch der Eindruck einer "horizontalen" Organisationsstruktur mit Einflussmöglichkeiten aller Mitglieder auf Entscheidungen schien der "Sehnsucht" nach direkter Partizipation des Bürgers zu entsprechen.

Vor dem Einzug in den ersten Landtag "kämpfte" die Partei mit ihren begrenzten finanziellen Mitteln. Doch die Stimmen flogen ihnen mittels Internetwahlkampf nicht nur aus der Mittelschicht sondern auch von Menschen aus dem "sozialen Verliererkreis" der Republik zu. Das setzte sich von Wahl zu Wahl fort. Die Partei kam in Umfragen auf den dritten Platz. Die Parteienfinanzierung begann zu fliessen und die Aussicht auf den Einzug in den Bundestag liess die Mitglieder schon an der Abzocke der Altparteien schnuppern. Mit guten zehn Prozent würden sie wie auch Grüne, FDP, CSU und Linke mindestens 100 Millionen Euro jährlich aus öffentlichen Töpfen schöpfen können und auch mit etwa 1000 wohlbestallten Beamten und Angestellten (mit Jahresgehältern von über 100.000 Euro) sowie mit einer beträchtlichen Menge Stipendiaten für den Parteinachwuchs rechnen können (Die Seilschaften-Republik macht's möglich).

Eine solche Aussicht auf Teilhabe am Berliner Korruptionssumpf brachte die Partei ins Straucheln. Ein überzeugendes Programm musste her und selbstverständlich auch eine hierarchisch fest geordnete Parteistruktur. Beide Punkte konnten die Piraten bisher nicht abhaken. Aber selbst wenn sie es in Zukunft könnten, hätten sie in den Augen der Wähler schon verloren. Denn eine Weiterentwicklung der repräsentativen Demokratie hin zu einer Demokratie mit Volksouveränität ist nun einmal nur mit Unabhängigen und einer Bewegung (die von Vereinen getragen werden kann), nicht aber mit einer neuen Partei zu bewältigen, die in kürzester Zeit in vertikalen Strukturen und Korruption verkäme. Die Grünen in Deutschland sind das beste Beispiel für eine solche Degeneration einer ursprünglichen Bewegung und Idee für mehr politische Freiheit und aktiver Teilhabe des Bürgers an politischen Entscheidungen. Wenn die Piraten den umgekehrten Weg von der Partei zur Bewegung gehen würden, mit Teilnahme von Mitgliedern als unabhängige Direktkandidaten, würden sie nicht nur dem Schicksal der Grünen entgehen, sondern einen tatsächlichen gesellschaftlichen Fortschritt mit anschieben helfen, hin zur Bürger-Republik. Ich bin mir sicher, die Wähler würden das honorieren.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Costa Esmeralda

35 Jahre Entwicklungsberater, Lateinamerika, Afrika, Balkan. Veröff. u.a. "Abschied von Bissau" und "Die kranke deutsche Demokratie".

Costa Esmeralda

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