Borkige Astträger-Gesellschaft

Wald(nutzung) Von (Ur)Wäldern, Forstwirtschaft, Besitzverhältnissen, Auswirkungen und Siegeln.

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Deutschland zählt zu den waldreichsten Staaten der Europäischen Union. Etwa ein Drittel der Landesfläche ist bewaldet. Inzwischen jedoch wird fast so viel Holz geerntet, wie jährlich nachwächst. Die intensive forstwirtschaftliche Nutzung, der Klimawandel sowie Schad- und Nährstoffeinträge gefährden das Ökosystem. Das geht aus dem aktuellen Umweltgutachten des Sachverständigenrats für Umweltfragen (SRU)[1] hervor. Nur 35 Prozent unserer Wälder würden als natur- oder sehr naturnah bezeichnet.

Mehr als ein Viertel der Bestände wiesen im vergangenen Jahr deutliche Verluste an Blättern und Nadeln in den Baumkronen auf. Insgesamt habe sich der Zustand der Wälder im Vergleich zu 2000 und 2010 verschlechtert. Nahezu unverändert seien die Zustände der Kiefern und Fichten. Demgegenüber stiegen die Kronenverlichtungen der Eichen, und besonders der Buchen, an. Ursächlich dafür seien vor allem Luftschadstoffe wie Ozon, Stickstoff- und Schwefelverbindungen. Hinzu komme der Klimawandel. Außerdem hätten Wildbestände einen bedeutenden Einfluss auf die Wälder. So würden sie die jungen Bäume anfressen und sie am Aufwuchs hindern.

Auch können Stickstoffeinträge aus der Luft und benachbarten, landwirtschaftlich genutzten Flächen die Artenzusammensetzung der Wälder beeinflussen. Ferner mache es einen Unterschied, ob ein Wald bewirtschaftet wird oder nicht. Erstere seien in der Regel aufgeräumter, haben also einen geringeren Anteil an liegen gelassenen, umgestürzten Bäumen und abgebrochenem Astwerk. Jenes sogenannte Totholz stehe in direktem Zusammenhang mit der Artenvielfalt. So kämen beispielsweise in den den unbewirtschafteten Buchenwäldern Nordrhein-Westfalens 121 brütende Vogelpaare pro 100 Hektar vor, wohingegen es in den bewirtschafteten 71 seien.

Gleichsam nehme die Nutzung des Waldes rasch zu. Im Durchschnitt würden jährlich 93 Prozent der nachgewachsenen Bäume gefällt. Genutzt werde das Holz bisher überwiegend stofflich. Zudem werde fast die Hälfte energetisch verwendet – Tendenz steigend. Momentan falle hier der größte Anteil auf die Wärmeerzeugung in privaten Haushalten. Mit steigender Nutzung, damit verbundenem Holzeinschlag und der Entnahme von Ernteresten erhöhe sich der Nährstoffaustrag aus den Wäldern. Ferner sinke der Totholzanteil.

Dies wiederum könne zu vermehrten Importen holzartiger Biomasse führen. Damit verbunden seien erhebliche negative Folgen für die Umwelt in den Exportländern. Es fehle schlicht an verbindlichen Standards zum nachhaltigen Anbau und der Nutzung. In Deutschland werden schon heute große Menge an Holzprodukten und Rohholz eingeführt, schreiben die Autoren des Umweltgutachtens. Besonders halb- und fertig verarbeitete Holzwaren kämen aus Ländern außer- sowie innerhalb der EU. Ausgedrückt in Zahlen mache das über die Hälfte des gesamten Holzaufkommens und mehr als das Doppelte des deutschen Rohholzeinschlags aus.

Ursprünglich beherrschten Laubbäume die Wälder Deutschlands, insbesondere die Buche. Auf gut 80 Prozent der Waldfläche müssten sie natürlicherweise vorkommen. Doch bis auf wenige urwaldähnliche Reste gäbe es hierzulande keine Urwälder mehr. Gegenwärtig fänden sich in den deutschen Wäldern 72 Baumarten. Zwölf von ihnen hätte die Forstwirtschaft etabliert, zum Beispiel die nicht einheimische Douglasie. Etwa 75 Prozent der Bäume seien Fichten (28 %), Kiefern (23 %), Buchen (15 %) und Eichen (10 %).

Die Besitzverhältnisse der ‘Astträger-Gesellschaften’ stellen sich wie folgt dar: Nahezu die Hälfte der Waldfläche sei in Privatbesitz. Dem Staat gehören ungefähr 33 Prozent. Kommunen und Körperschaften des öffentlichen Rechts besäßen circa 20 Prozent. Doch vor allem Privatwälder seien im Vergleich zu staat- und körperschaftlichen Wäldern in einem schlechteren, weniger naturnahen Zustand.

Da in Deutschland 26 Prozent aller Rotbuchenwälder stünden, hätten wir eine besondere Verantwortung in Europa. Weiterhin befänden wir uns im Zentrum des Gesamtgebietes. Um die Wälder zu erhalten, deren konkurrierende Nutzungsansprüche abzufedern und eine umweltgerechte Waldnutzung zu ermöglichen, seien Maßnahmen notwendig. Zum Beispiel müsse die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt „dringend“ umgesetzt werden. Dort sei unter anderem vorgesehen, dass sich die Natur bis 2020 auf zwei Prozent der Fläche Deutschlands frei entfalten kann. Der Flächenanteil mit natürlicher Waldentwicklung solle bis dahin fünf Prozent betragen.

Für die komplette Waldfläche müssten ökologische Mindeststandards gelten. Dafür wäre eine genaue Erläuterung des vage beschriebenen Begriffs “ordnungsgemäße Forstwirtschaft” aus dem Bundeswaldgesetz hilfreich. Darüber hinaus solle mindestens 80 Prozent des Waldes auf Grundlage eines hochwertigen Siegels zertifiziert werden. Infrage kämen nach Ansicht des SRU dafür die Zertizierungssysteme des Forest Stewardship Council (FSC) und Naturland. Das Siegel des Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes (PEFC) sei hingegen nicht geeignet.

Zu den Funktionen des Waldes finden Sie hier eine Grafik.

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Grafik zu den Funktionen des Waldes: hier.

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[1] Der Sachverständigenrat für Umweltfragen, kurz SRU, ist eine Expertengruppe, die die Bundesregierung in umweltwissenschaftlichen Fragen beraten soll. Alle vier Jahre erstellt die Gruppe ein Gutachten. Hinzu kommen Sondergutachten zu speziellen Themen. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ernennt unter Zustimmung der Bundesregierung die Ratsmitglieder für jeweils vier Jahre. Berufen werden Professorinnen und Professoren unterschiedlicher Fachrichtungen. (SRU 2008)

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Geschrieben von

cyberling

Wissenschaft kompakt. Themen: Energie, Ernährung, Klima,Medizin, Psychologie, Tiere,Umwelt & Wirtschaft.Zuvor veröffentlicht auf Wissenschaft&Schreie.

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