Tierversuchs-Norm weltweit nicht beachtet?

Tierversuche Die internationale Tierversuchs-Richtlinie '3R' soll das Leiden der Versuchstiere mindern. Nun säen Forscher Zweifel an ihrer korrekten Einhaltung.

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Tierversuche sind umstritten. Weltweit geregelt werden sollen sie durch das sogenannte 3R-Prinzip. Diese Richtlinie soll den ethischen Erwartungen der Bevölkerung entgegen kommen und das Leiden der Versuchstiere reduzieren. Eingeführt wurde sie von zwei Wissenschaftlern. Seit gut 50 Jahren besteht sie nun. Doch in der Praxis scheint die Regel nicht angekommen zu sein. Das jedenfalls legt eine aktuelle Studie nahe. Ihr zufolge fanden US-Forscher keine Hinweise auf ihre Beachtung. Und das, obwohl die meisten Tierversuche zuvor von einer Genehmigungsbehörde zugelassen wurden. Das Forscherteam untersuchte 55 zufällig ausgewählte, tierexperimentelle Arbeiten. Erschienen, ist die Veröffentlichung in dem wissenschaftlichen Fachmagazin Journal of Applied Animal Welfare Science.

In den erforschten Arbeiten ginge es um Experimente, in denen Mäuse anhaltende Schmerzen hatten. Mindestens 14 Tage lang. Die Zahl derartiger Versuche sei bedeutend gestiegen im Laufe der letzten zehn Jahre, schreiben die US-Wissenschaftler. Dazu beigetragen hätte auch die vermehrte Forschung mit genetisch veränderten Mäusen. Nicht verändert hingegen, hätte sich die Anzahl der verwendeten Mäuse pro Studie.

3R steht für ‘Replacement’, ‘Refinement’ und ‘Reduction’. Ersteres meint den Ersatz von Tierversuchen sooft wie möglich durch alternative Methoden. Zum Beispiel mittels Tests in Reagenzgläsern (in-vitro) und Computermodellen. Ferner sollen Lebewesen höherer biologischer Ordnung durch niedere Arten ersetzt werden. Demnach könnten beispielsweise nach Möglichkeit Wirbellose anstatt von Säugetieren verwendet werden. Unter ‘Refinement’ ist die Verbesserung des Tierwohls, dort, wo Tierversuche „unvermeidbar“ seien, zu verstehen. Dann gehe es darum, Schmerzen sowie Stress für die Tiere zu mindern. Der letzte Begriff steht für die Reduzierung der benötigten Tiere. Dabei sollen die selben Information mit weniger Versuchstieren erlangt werden. Oder aber die Wissenschaftler sollen mehr Erkenntnisse mit einer gleichbleibenden Zahl von Tieren gewinnen.

Auch andere Autoren üben Kritik an der Umsetzung der 3R-Richtlinie. Die Zahl der Versuchstiere weltweit ist unverändert oder sogar steigend seit den 1990er Jahren, laut einer internationalen Forschergruppe. Das deute darauf hin, dass keine absolute Reduzierung mehr stattfinde. Daher werde ‘Reduction’ mittlerweile oftmals so beschrieben wie oben – in relativen Zahlen. Ihre Studie wurde in dem wissenschaftlichen Fachblatt Alternatives to Animal Experimentation veröffentlicht.

Auf etwa 115 Millionen schätzen Forscher die Zahl der weltweiten, jährlichen Tierversuche. Und bei konservativer Schätzung auf 58 Millionen. In Österreich waren es 2010 ungefähr 115 000 und in der Schweiz 2011 circa 660 000. Im selben Jahr belief sich die Zahl in Deutschland auf 2,9 Millionen. Ein Großteil der Experimente dienen der Grundlagenforschung. Knapp 840 000 Wirbeltiere werden hierzulande zu wissenschaftlichen Zwecken getötet. Mit Abstand am häufigsten verwendet werden Mäuse, gefolgt von Ratten und Fischen. Doch auch Meerschweinchen, Katzen, Pferde, Hunde und andere Arten zählen zu den Versuchstieren.

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Geschrieben von

cyberling

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