50 Jahre iranische Volksmodjahedin

Opposition Ein außergewöhnlicher Weg der außergewöhnlichsten Oppositionsgruppe der Gegenwart. Diese Opposition hat die die zeitgenössische Geschichte des Iran stark geprägt.

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Zu Hunderttausenden wurden sie gehängt, ermordet, gefoltert und vertrieben, von drei Regimen in 50 Jahren massakriert, mit Blockaden und Schauprozessen belegt und dennoch ist die Kraft der iranischen Freiheitskämpfer in 50 Jahren nach ihrer Gründung nie erloschen. Der Gedanke an einen demokratischen und gleichberechtigten Iran hat Iraner in aller Welt für die Idee der iranischen Volksmodjahedin (MEK/PMOI) und den 1981 gegründeten Nationalen Widerstandsrat Iran begeistert und er hat auch Tausende westliche Politiker sowie Menschenrechts- und Frauenaktivisten in seinen Bann gezogen. Man kann heute ohne Übertreibung sagen, dass die iranischen Volksmojahedin eine der größten Oppositionsbewegungen der Gegenwart sind.

Die Volksmodjahedin wurden nicht nur in der Zeit des Schahs von Persien und ab 1979 von den iranischen Mullahs verfolgt, auch im Irak litten die Freiheitskämpfer der PMOI (englische Abkürzung) unter dem irakischen Diktator Nuri al-Maliki, der zwischen 2009 und 2012 sechs Massaker an 3500 iranischen Volksmodjahedin verüben ließ, bei denen 116 PMOI-Mitglieder starben und Hunderte verletzt wurden.

Die PMOI hat die gesamte Freiheitsbewegung und damit die zeitgenössische Geschichte des Iran stark geprägt. Bei der breiten Masse im Iran – ob es sich um Befürworter oder Widersacher handelt – gelten die PMOI-Angehörigen als Personen mit großem Engagement für die Ideale der Freiheit. Sie sind Personen, die sich sehr anstrengen und bereit sind hohe Preise für ihre Ziele zu zahlen. Zusammengefasst heißt das: sie geben nicht auf. So haben sie sich zum Symbol gemacht für die unzufriedenen Massen im Iran, die die Ära der Fundamentalisten satt haben.

Die Bewegung der Volksmodjahedin im Irak ist eng verbunden mit Camp Ashraf, einer Stadt, welche die PMOI seit 1988 in unermüdlicher Eigenarbeit aufgebaut hat. Camp Ashraf ist einmalig auf dieser Welt. Nirgendwo anders auf diesem Globus haben Flüchtlinge mit ihren eigenen Händen und der unermüdlichen Hingabe ihrer Sympathisanten eine derart moderne Stadt in der Wüste aufgebaut. Camp Ashraf besaß vor dem Abzug der US-Truppen 2009 blühende Gärten, eine Sportarena, eine Konzertarena, eine moderne Infrastruktur, ein eigenes Krankenhaus und vieles mehr. Doch Camp Ashraf war für die Volksmodjahedin vor allem ein Symbol, die Vision eines freien Iran, eines Iran, in dem Männer und Frauen gleichberechtigt nebeneinander leben, in dem Freiheit und Demokratie herrschen. Camp Ashraf wurde in all den Jahren für alle freiheitsliebenden Menschen ein einmaliges Symbol für Frieden und Freiheit, wie es auf der Welt nirgendwo sonst existierte, ein Denkmal, in dem über 3500 Menschen lebten.

Doch der Weg der iranischen Volksmodjahedin im Irak ist auch der Weg einer gescheiterten Politik des Westens im Mittleren Osten. Es waren US-Bomber, die Camp Ashraf 2003 bei der Invasion des Irak bombardierten, ohne dass die Volksmojahedin je einen Schuss abgefeuert hatten und es war das gefälschte Dossier eines deutschen UN-Sonderbeauftragten Martin Kobler, der das Ende von Camp Ashraf und die Vertreibung seiner Bewohner in ein verwahrlostes und gefängnisähnliches Camp Liberty bedeutete. Und es waren westliche Regierungen, die für Verhandlungen mit den Mullahs über deren Kernwaffenprogramm die Menschen der PMOI über ein Jahrzehnt lang (von 1997 bis 2012) ohne rechtliche Grundlage als Terroristen brandmarkten. Gegen diesen Umgang von Regierungen mit dem iranischen Widerstand, der das verstörende Bild von Vernachlässigung der betroffenen Personen, Verwahrlosung der Gesinnungen und feiger Nachgiebigkeit bietet, hat eine stetig wachsende Zahl von namhaften westlichen Politikern, Menschenrechtsaktivisten, parlamentarischen Gruppen in aller Welt protestiert. Zuletzt haben höchste westliche Gerichte dem Spuk nach und nach ein Ende bereitet. Heute sind die Volksmodjahedin rehabilitiert, auch wenn sich bis heute keine westliche Regierung für diesen fatalen Fehler, der den Widerstand Hunderte von Menschenleben gekostet hat und seine Arbeit um Jahre zurückwarf, offiziell bei der iranischen Oppositionsgruppe entschuldigt oder Kompensationen dafür geleistet hat.

Vor allem zu den beeindruckenden jährlichen Treffen der Mitglieder, Sympathisanten und Anhänger der Volksmojahedin nahe Paris – wo der Nationale Widerstandsrat auch seinen Hauptsitz hat –, bei dem regelmäßig über 100.000 Menschen zu einer der weltweit größten Massenkundgebungen kommen, erscheint Maryam Rajavi jedes Jahr persönlich und legt dort als Hauptrednerin neben Persönlichkeiten wie Rudy Giuliani oder Günter Verheugen ihr Bekenntnis für einen demokratischen Iran ab.

Seit ihrer Vertreibung aus dem Iran befinden die Volksmodjahedin sich in einem Krieg der Worte mit bezahlten Mitarbeitern der Mullahs und mit Tarnorganisationen des iranischen Geheimdienstes. Vom AWAA e.V. bis hin zu einigen mächtigen Stiftungen der Konzernwirtschaft wurde diese Widerstandsbewegung nacheinander als Sekte, als Gruppe von Terroristen und Fanatikern beschimpft oder bei Diskussionsrunden über einen zukünftigen Iran kategorisch ausgeschlossen. Dabei spricht gerade die Zahl von 120.000 getöteten PMOI-Angehörigen in den 50 Jahren ihrer Existenz für ein eindeutiges Mitspracherecht an der Zukunft des Iran, denn niemand hat einen solch hohen Preis für seine Freiheit bezahlt wie sie und ihre Sympathisanten. Vor allem das unfassbare Massaker an 30.000 politischen Gefangenen 1988 gilt mit Recht als trauriger Höhepunkt der Aggressionen, die das Regime den Volksmodjahedin antat. Damals ließ Ajatollah Chomeni mit einer Fatwa die Volksmodjahedin und andere politische Gegner zu „mohareb“, zu Feinden Gottes, erklären und verurteilte sie summarisch zum Tode. Bis heute werden Volksmodjahedin unter diesem Anklagepunkt im Iran hingerichtet.

Die Volksmodjahedin haben der Hetzkampagne der Mullahs eine starke Stimme der Vernunft entgegengestellt. Zahlreiche parlamentarische Gruppen wie das Deutsche Solidaritätskomitee für einen freien Iran (DSFI), dem viele Parlamentarier fraktionsübergreifend angehören, und zahllose Aktivisten aus aller Welt begeistern sich für die Vision eines Wandels im Iran, der vom iranischen Volk herbeigeführt wird und setzen damit auch ein Zeichen gegen eine militärische Intervention im Iran, so wie es die PMOI ebenfalls tut. Sie und ihre Sympathisanten wollen einen Wandel durch das Volk, sie wollen einen eigenen Weg zur Demokratie finden und damit das Werk des national gesinnten Premierministers Mohammad Mossadeq vollenden, welches dieser in den 50er Jahren im Iran begonnen hatte. Die iranische Widerstandsbewegung macht in einem 10-Punkte-Plan deutlich, wie das iranische Volk selbst den Wandel vollzieht, den Wandel zu einer freien Gesellschaft mit freien Wahlen, Marktwirtschaft, Gleichberechtigung der Geschlechter, Trennung von Kirche und Staat, einen Iran ohne Atomwaffen und Finanzierung von Terrorgruppen.

Die Volksmodjahedin sind und bleiben – trotz aller Propaganda des iranischen Regimes – vor allem eine iranische Oppositionsgruppe, die im Land aktiv ist. Dafür sprechen unter anderem die zahlreichen Spenden aus dem Iran an den oppositionellen Fernsehsender INTV, der jedes Jahr im Rahmen eines Spendenmarathons so viel Geld einnimmt, dass er seine Sendungen problemlos finanzieren kann. Millionen Iraner sehen über Satelliten-TV trotz Verbotes der Mullahs mit Begeisterung seine Sendungen, die nicht nur aus politischen Beiträgen bestehen, sondern auch einen hohen künstlerischen Anteil aufweisen. Für diese Leidenschaft gehen Iraner jedes Jahr ein großes Risiko für Leib und Leben ein; so wurde erst kürzlich ein Sympathisant und Spender für den Sender aus dem Iran für seinen Einsatz mit dem Tode bestraft und hingerichtet.

Besucht man die Geschäftstellen des Nationalen Widerstandsrates in Paris oder in Berlin, dann sieht man, dass die treuesten Anhänger der PMOI offen für jeden Menschen sind, der sich für ihre Geschichte interessiert. In den Zentralen wird jeder Mensch sehr herzlich empfangen und wenn man den Geschichten der Mitglieder lauscht, dann sieht man in ihren Augen eine menschliche Wärme und Güte, die alle Besucher bewegt, manche sogar so sehr, dass sie sich entscheiden, ihre Kraft und Zeit für die Werte der PMOI zu opfern, auch wenn sie selbst keine Iraner sind.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Javad Dabiran

NWRI-Deutschlandsprecher - Iran- und Nahost-Experte.

Javad Dabiran

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