Deutsche Welle und falsche Reformer im Iran

Manipulation – Soll mit gezieltem Journalismus versucht werden, die fundamentalistischen Mullahs als „reformfähig“ darzustellen?

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Die „Deutsche Welle“ hat einen Artikel unter dem Motto: „Langer Weg zu effektiver Opposition im Iran“

https://www.dw.com/de/langer-weg-zu-effektiver-opposition-im-iran/a-52278119

von der Autorin Shabnam von Hein veröffentlicht, der nur den Zweck verfolgt, den Willen der iranischen Bürger für einen Regimewechsel zu ignorieren und als „unrealistisch“ darzustellen. Es soll suggeriert werden, dass die Mullah-Herrschaft „reformfähig“ ist. Zudem beinhaltet dieser Artikel mehrere falsche und ungeprüfte Informationen.

Eingebetteter Medieninhalt

Die Autorin der „Deutschen Welle“ stellt in dem Artikel einen gewissen iranischen Journalisten „Ahamd Seidabadi“ in ein günstiges Licht und nennt ihn einen „Kritiker, der im Gefängnis saß“, ohne offenzulegen, dass er zu regimeinternen Cliquen gehört und auch im Rahmen der Machtkämpfe innerhalb des Regimes und nicht etwa wegen der Sache der demokratischen Freiheiten in Haft geriet.

Ahmad Seidabadi – Ein weitere Stimme des Mythos der „fehlenden Alternative“ zum iranischen Regime

In dem Artikel führt Frau von Hein ein Gespräch mit Ahmad Seidabadi, ein Journalist in Teheran. Dieser Artikel ist ein weiteres Lehrstück dafür, wie das iranische Regime und seine Verfechter der Weltöffentlichkeit weis machen wollen, dass es keine Alternative zum klerikalen Regime gibt.

Das Märchen vom „reformfähigen Regime“ im Iran ist so alt, wie die Beschwichtigungspolitik gegenüber Teheran und sie hat nach dem Massaker an Tausenden Iranern, nach den Aufständen 2017/2018 und im November 2019 große Erklärungsnöte, denn dort machten Hunderttausende Demonstranten deutlich, dass sie genug vom Regime in Gänze haben.

Die Hoffnungen auf eine Reform durch das Regime sind spätestens seit der Wahl des angeblichen „moderaten Mullahs“ Rouhani völlig zerstört worden und dies ist bei der breiten Masse des Volkes auch in den Köpfen angekommen. Nicht nur die Tatsache, dass im Kabinett von Rouhani zwei Justizminister sind und waren, welche bei dem Verbrechen gegen die Menschlichkeit 1988 in sogenannten „Todeskomitees“ 30.000 politische Gefangene hinrichten ließen, ließ das iranische Volk aufwachen. Rouhani’s Politik brachte Tausenden Menschen den Tod und sie hat die legitimen Proteste brutal nieder schlagen lassen. Wenn es um die Bekämpfung der demokratischen Kräfte im Iran und den Export von Terrorismus ins Ausland geht, sind sich alle Fraktionen im Regime einig, ohne Ausnahme.

Seidabadi vermittelt den Eindruck, als würde im iranischen Regime eine Art Flügelkampf existieren. Dies ist nicht der Fall. Rouhani zum Beispiel durchlief alle Stationen im Apparat des Regimes, vor allem im Bereich der Unterdrückung des Volkes und bei der Planung von Terroranschlägen im Ausland. Er rief bei den Studentenprotesten 1999 zu öffentlichen Hinrichtungen auf und nannte die Verhängung von Todesurteilen eine „Anweisung von Gott“. All diese Dinge lassen sich – im Gegensatz zu den unbewiesenen Behauptungen von Seidabadi – sehr gut belegen.

Die wahren Realitäten im Iran

Seidabadi und sein gleichgesinnter Alidschani sprechen im DW-Beitrag über das Anerkennen von Realitäten. Daher sprechen wir auch über die Realitäten. Diese sehen zum Beispiel im Hinblick auf die kommenden Parlamentswahlen im Iran wie folgt aus:

  • Ein religiöser Wächterrat prüft alle Bewerbungen von Kandidaten
  • Dieser Wächterrat besteht aus Klerikern, die sehr loyal zum obersten Führer Ali Khamenei stehen
  • Khamenei nimmt direkten Einfluß auf die Entscheidungen
  • Alle Bewerber müssen sich der absoluten Treue gegenüber dem obersten Führer und den Prinzipien des velayat-e faqih (Herrschaft des Klerus) verpflichten. Wer in eine Regierungsposition kommen möchte, muss zudem in seiner Laufbahn im Regime bewiesen haben, dass er nicht davor zurückschreckt, das Volk zu unterdrücken und den Terrorismus in der Welt zu fördern.

Unter diesen Voraussetzungen überhaupt an eine Reformwilligkeit hin zu Demokratie und Menschenrechten durch das Regime auch nur zu denken, klingt ähnlich realistisch, wie mit dem Fahrrad zum Mond zu gelangen!

Seidabadi spricht auch über die größte organisierte Opposition im Iran, die Volksmudschahedin Iran (PMOI/MEK). Seine Aussagen spiegeln ein immer gleiches und altes Bild wieder, welches das Regime viele Jahre lang immer wieder verbreitete und welches es nun revidieren musste: „Die MEK spielt keine Rolle im Volk“, war jahrelang eine beliebte Aussage des Regimes, um die Arbeit der Opposition im Iran und im Ausland zu limitieren. Die MEK wurde gar viele Jahre lang vom Regime oft als „Grüppchen“ bezeichnet.

Doch nach den Protesten 2017/2018 und im November 2019 ist die Realität beim Regime und seinen Vertretern mehr angekommen, als bei Seidabadi. Selbst der oberste Führer Ali Khamenei nannte offen die Volksmudschahedin als treibende Kraft hinter den Protesten. Die Widerstandszellen der MEK standen bereits als Organisatoren hinter der großen Protestwelle 2017/2018 und koordinierten den großen Massenstreik der Truckerfahrer 2018.

Eingebetteter Medieninhalt

Die MEK wird immer gefährlicher für die Existenz des Regimes

Wie gefährlich das iranische Regime die MEK hält, zeigt nicht nur das Massaker von 1988, wo fast alle der 30.000 hingerichteten politischen Gefangenen MEK-Angehörige waren. Der Nationale Widerstandsrat (NWRI) und die MEK entgingen 2018 in Paris und Albanien nur knapp zwei Terroranschlägen, die von „Diplomaten“ des Regimes in Europa organisiert wurden. Warum riskiert das iranische Regime nur seine internationale Ächtung, wo die MEK doch keine Rolle spielt?

Der Grund dafür, dass die Volksmojahedin Iran eine immer größere und bedrohlichere Rolle für die Existenz des Regimes spielen, ist zum einen die Erkenntnis des iranischen Volkes, dass das Regime nicht reformfähig und reformwillig ist. Vor allem die jungen Iraner und iranische Frauen haben genug von all den Diktaturen und sie haben – im Gegensatz zu den Behauptungen von Seidabadi – auch genug vom Schah und seinen Nachfolgern. Bei den Protesten riefen die Demonstranten nicht umsonst: „Keine Unterdrücker mehr, egal ob sie Schah oder oberster Führer heißen“.

Der Erfolg der MEK im Iran und im Ausland war auch über die neuen digitalen Kommunikationstechniken möglich. Teheran kann nun nicht mehr jede kritische Stimme ausschalten. Selbst die komplette Internetsperre bei den November - Protesten ließ die digitale Stimme des Regimesturzes nicht mehr verstummen. Außerdem können sich darüber die Widerstandseinheiten schneller und gezielter austauschen und so Proteste und Streikaktionen besser koordinieren.

Seidabadi gibt im Grunde 1:1 all das wieder, was das Regime schon seit vielen Jahren verbreitet und das erklärt auch, warum er weiter in Teheran arbeiten kann. Seidabadi beklagt, dass jeder Iraner gleich in die Ecke des Regimeverteidigern oder Regimegegnern gepackt wird, aber wie soll man seine Aussagen auch anders werten, wenn sie genau die Agenda verfolgen, welche das Regime jahrelang verfolgt?

Zu dem Potpourri der meist unbelegten Argumente der Verfechter der „Keine Alternative zum Regime“ gehört auch immer wieder der Kontakt diverser Politiker zum Nationalen Widerstandsrat Iran. Dazu lässt sich sagen, dass nicht nur ehemalige Vertreter aus dem Kreis der Trump Administraion dort reden, sondern auch frühere Vertreter aus der Obama Administration oder der Bush Ära. Sogar Patrick Kennedy redete auf deren Veranstaltungen, ebenso Friedensnobelpreisträger, Vertreter von Kirchen oder Menschenrechtsgruppen aus aller Welt. Welche Aussage mag das alles haben? Nun, die Antwort ist einfach. Der Wunsch nach einem Ende der brutalen und menschenverachtenden Diktatur hin zu einem freien Iran ist in aller Welt, über alle Parteien hinweg, ein universeller Wunsch. Und wer diesen Wunsch bei den Veranstaltungen des iranischen Widerstandes kund tun möchte und die echte Alternative zum Regime unterstützen will, der kann dies gerne tun.

Eingebetteter Medieninhalt

Falsche Fakten der DW-Autorin

Die DW-Autorin Shabnam von Hein unterstützt diese Manipulation auch weiter, indem Sie die Fakten verdreht oder Halbwarheiten sagt. Sie behauptet: „Laut einem Bericht der amerikanischen Nachrichtenagentur Bloomberg von Anfang Januar hat US-Außenminister Mike Pompeo US-Diplomaten angewiesen, Kontakte mit iranischen Oppositionsgruppen zu begrenzen. Andernfalls könnten die Bemühungen der USA um eine umfassende Vereinbarung mit der iranischen Führung gefährdet werden, mit der die USA hoffen, das "destabilisierende Verhalten" Irans einzudämmen.“ Frau von Hein sagt aber nicht, dass wenige Tage darauf diese Anordnung vom US-Außenministerium öffentlich zurückgezogen wurde. Weiter behauptet sie: „Die iranische oppositionelle Volksmuschahedin (MEK) unterstützten im achtjährigen Iran-Irak-Krieg den Irak.“ Das ist eine reine Behauptung des iranischen Regimes zur Diffamierung der Opposition. Sie liefert dafür keine Belege und sieht sich auch nicht verpflichtet, die Opposition der MEK im Vorfeld um eine Stellungnahme zu bitten, weil anscheinend die Antwort der MEK nicht in ihr Konzept passen könnte.

Die Verfechter der Beschwichtigung der Mullahs im Westen müssen endlich verstehen, dass es mit der Illusion der Reformierbarkeit der Mullahs, die faktisch Verbrechen gegen Menschlichkeit im Iran begangen haben, vorbei ist. Das ist die Botschaft von 1500 ermordeten Demonstranten der jüngsten Bürgerproteste im Iran. An dieser Tatsache kann auch der gezielte Journalismus nichts ändern.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Javad Dabiran

NWRI-Deutschlandsprecher - Iran- und Nahost-Experte.

Javad Dabiran

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden