Irak: Parlament kann keine Wunder vollbringen

Irakkrise Ungeachtet wachsenden Drucks aus dem In- und Ausland lehnt Iraks Ministerpräsident Nuri al-Maliki einen Verzicht auf eine dritte Amtszeit ab.

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"Ich werde niemals auf meine Kandidatur für den Posten des Ministerpräsidenten verzichten", erklärte er. Nach der Wahl eines sunnitischen Parlamentspräsidenten – Salim al-Jubouri – wittert Premier Maliki überall Intrigen. Ausländischen Diplomaten in Bagdad warf er eine Verschwörung vor. Der umstrittene Regierungschef reagiert zusehends nervös.

Der Irak ist in seiner schwersten Krise seit der US geführten Invasion 2003. Alle Hoffnungen einer Einheit unter den irakischen Stämmen und Glaubensrichtungen ist dahin und die USA haben ein politisches und militärisches Trümmerfeld hinterlassen, welches seinesgleichen sucht. Das zeigt sich auch im irakischen Parlament, welches nicht weniger chaotisch ist, als die Schlachtfelder des Landes. Das Land ist auch politisch völlig zerrissen und hat die Nase von Premier Nuri al-Maliki derart voll, dass nicht einmal ISIS, die Trumpfkarte der Angst, mehr zieht. Das Land fällt mit jedem Tag weiter in den Abgrund und das iranische Regime und die Inaktivität des Westens gießen weiteres Öl ins Feuer.

Der einzige Weg kann nur ein Rücktritt von Nuri al-Maliki sein. Es wäre der erste Schritt hin zu einer Versöhnung der nationalen Kräfte, aber dies scheint auch nach der zweiten Sitzung im Parlament nicht möglich zu sein, denn der Iran hält mit aller Macht an einer dritten Amtszeit von Nuri al-Maliki fest und vor allem die letzten vier Jahre haben den Einfluß Teherans dermaßen im Land zementiert, dass ein politischer Weg fast aussichtslos erscheint.

Kurden und Sunniten und die mächtige schiitische al-Sadr Gruppe fordern schon lange al-Malikis Rücktritt, bereits vor dem Ausbruch der Kämpfe war ihre Blockadehaltung deutlich, denn alle Gruppen zogen sich bereits vor den Wahlen aus der Regierungs- und Parlamentsarbeit zurück, nachdem al-Maliki das große Bündnis nach der Wahl 2009 verraten hatte und sich statt dessen an die Machthaber von Teheran anlehnte. Dieser Prozeß der Ablehnung von Maliki hat demnach weder etwas mit dem Vorrücken von ISIS zu tun oder etwas mit dem Umgang von Maliki mit den Aufständen. Das Volk hat genug von einem neuen Diktator, welcher die Bürger in Gefängnissen foltern läßt, politische Gegner exekutieren und ermorden läßt und welcher mehr auf Ali Khamenei als auf die Stämme des Landes hört und in einem paranoiden Wahn gegen die Sunniten aufgrund seiner Vergangenheit lebt. Die Zeit von Maliki ist abgelaufen.

Ähnlich wie in Syrien begann auch im Irak der Protest gegen den Diktatoren mit friedlichen Protesten der moderaten Kräfte, welche dann massiv unterdrückt wurden. Die Teheraner Machthaber haben dabei mit ihren Kräften starke Hilfe geleistet, mit der Hisbollah in Syrien und mit ihren terroristischen Qods-Einheiten im Irak. Hierbei geht es um eine destruktive Kraft, weil hinter ihr jahrzehntelange Terrorerfahrung und Milliarden an Dollar aus Ölverkäufen stehen, aber vor allem hat das Regime die Länder jahrzehntelang massiv unterwandert, von Koranschulen bis hin zu regionalen Kräften, wie Polzeichefs oder Gouverneursräte. Der iranische Widerstand gab zum Beispiel weit vor Ausbruch der Kämpfe bekannt, dass 32.000 Söldner des iranischen Regime auf den Posten in der irakischen Verwaltung, den Sicherheitskräften und in politischen Ämtern sitzen. Sie sind es – neben der iranischen Botschaft in Bagdad – welche das Land seit 2009 destabilisiert haben.

Die letzte Wahl mag zwar das Bündnis von al-Maliki als stärkste Kraft hervor gebracht haben, aber auch hier ist äußerste Vorsicht geboten. Zum einen stimmten Hunderttausende in den umkämpften Gebieten nicht ab, zum anderen ist Maliki schon 2009 wegen massiven Wahlbetrug aufgefallen. In dieser Situation sind daher die parlamentarischen Regeln der Mehrheitspartei als Regierungsauftrag gescheitert, denn der Irak wird nur mit einer großen nationalen Koalition der Vereinigung von Sunniten, Schiiten und Kurden eine Zukunft haben und dann werden auch islamistische Terroristen keine Rolle mehr spielen, denn ohne Diktatoren keinen Hegemonialkampf in der Region und ohne iranische staatliche Einmischung keine Destabilisierung im Land. Die Lösung kann und muss politisch erfolgen und sie muss ohne Maliki und Teheran erfolgen und ohne Diktatoren in Damaskus und Bagdad.


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Geschrieben von

Javad Dabiran

NWRI-Deutschlandsprecher - Iran- und Nahost-Experte.

Javad Dabiran

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