Iran bricht Gabriels Reise ab

Mit einem Affront So endet Gabriels Reise in den Iran - Debatte im Bundestag und in der Öffentlichkeit über Transparenz und Strategie im Umgang mit dem iranischen Regime dringend notwendig

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In der vorigen Woche reisteBundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) nach Teheran. Mit ihm im Flieger saßen Vertreter der DAX-Konzerne Deutschlands, unter anderem von Siemens, VW und der Deutschen Bank, dessen Konzernspitze Gabriel erst kürzlich öffentlich kritisiert hatte. Mehr als 100 Wirtschaftsvertreter wollen nach der Aufhebung der internationalen Sanktionen Zugang zum Iran bekommen und haben dafür nach 15 Jahren Pause wieder ein so genanntes „Dialogforum“ gegründet, wie tagesschau.de berichtet.

Doch der iranische Parlamentspräsident Ali Larijani sagte das Treffen mit Bundesminister Gabriel in letzter Minute ab. Er wäre der ranghöchste Gesprächspartner Gabriels in Teheran gewesen. Über die Gründe der Absage wurde offiziell vom iranischen Regime nichts verlautbart, aber Äußerungen seines Bruders Sadegh „Amoli“ Larijani[1] (Chef der Justiz im Regime) lassen darauf schließen, dass das Regime von Aussagen Gabriels über den Iran verbittert ist. Stein des Anstoßes könnte das kurz zuvor erschienene Interview Gabriels in Spiegel Online sein, in dem der Wirtschaftsminister Dinge sagte, die das Regime verärgert haben dürften.

Hier einige Zitate aus dem Interview. Über die Menschenrechtslage im Iran sagte Gabriel: „Es gibt in Iran zum Beispiel schlimme Menschenrechtsverletzungen, unter anderem die Hinrichtung von Minderjährigen. Ich habe mich hierzu, wie üblich vor derartigen Reisen, kürzlich mit Menschenrechtsorganisationen und der Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung getroffen, um mir einen Überblick über die aktuelle Lage im Land zu verschaffen. Es ist notwendig, diese Auseinandersetzungen zu führen.“

Zur Rolle des Iran im Syrienkrieg äußerte Gabriel: „Auch die Lage in Syrien gehört dazu. Der Iran spielt hier eine entscheidende Rolle.“

Diese Aussagen enthalten keinerlei Forderungen, lassen keine konkreten Ziele erkennen. Nur in Sachen Existenzrecht Israels wird Gabriel etwas deutlicher: „In Iran ist das natürlich auch das Verhältnis zu Israel. Ich habe hierzu und über meine Reise nach Iran kürzlich auch mit dem israelischen Botschafter gesprochen. Ich bin in Teheran bei meinem letzten Besuch vom dortigen Außenminister heftig für meine Aussage kritisiert worden. Klar ist aber: Ein normales, freundschaftliches Verhältnis zu Deutschland wird erst dann möglich sein, wenn Iran das Existenzrecht Israels akzeptiert.“ Keine Rede war dagegen in dem Interview davon, dass der Iran gemäß zahlreicher UN-Resolutionen die Menschenrechte einhalten, die entsprechenden UN-Konventionen umsetzen sollte. Gabriel sagt über das oben Zitierte hinaus kein Wort über die Hinrichtungen, mit denen das Regime die Bevölkerung einschüchtert: von Rechts wegen hätte die Abschaffung der Todesstrafe Grundlage des Dialogs sein müssen. Die neuen Informationen über das Massaker an 30.000 politischen Gefangenen, das das Regime 1988 verübte, übergeht der Wirtschaftsminister mit Schweigen.

Auf dieses im Ganzen mehr als willfährige Verhalten reagierte Teheran mit der üblichen Heftigkeit. Gabriels Besuch wurde von den iranischen Staatsmedien scharf kritisiert. Er wurde als „Zionistenfreund“ beschimpft und in einer Zeitung tauchte sein Konterfei mit einem Zielkreuz darüber auf. Teheran zeigt damit wieder einmal sein wahres Gesicht im Umgang mit „dem Westen“. Diese freilich nicht überraschende Reaktion verrät, dass das Regime starrsinnig jede Kritik von sich weist. So war es vor der Präsidentschaft Rohanis, der mit Wunder was für „Mäßigungen“ im Mund daherkam und so ist es nach drei Jahren seiner Präsidentschaft geblieben.

Dieser Affront sollte jedoch auch als Chance gesehen werden, als passender Anlass, endlich einen öffentlichen Dialog zu beginnen über die Richtlinien, die die deutsche Politik im Umgang mit dem Iran befolgen sollte. Bisher wurde viel zu viel hinter verschlossenen Türen mit dem iranischen Regime „getuschelt“, fanden zu viele geheime Treffen statt.

So berichtet zum Beispiel der iranische Widerstand im Exil (Nationaler Widerstandsrat Iran – NWRI), dass eine Woche vor Gabriels Reise Mullah Hamid Shahriari (Stellvertreter Sadegh Larijanis) nach Deutschland kam und die Staatssekretärin im Bundesjustizministerium aufsuchte. Worüber wurde da geredet? Noch dubioser war, dass Shahriari von Aliasghar Jahangir, dem Chef der iranischen Gefängnisse, begleitet wurde. Dabei muss beachtet werden, dass in diesen Gefängnissen alle sechs bis sieben Stunden mindestens ein Mensch hingerichtet wird.

Solche Treffen hinter verschlossenen Türen, vorbei am Parlament und am deutschen Volk, müssen beendet werden. Das Mullahregime ist ein zu destruktiver Teil der Welt, als dass man über solche Dinge hinwegsehen könnte. Auch das Handeln iranischer Lobbyisten und das Wirken iranischer Spione in Deutschland müssen endlich in den öffentlichen Debatten zur Sprache kommen.

2600 Menschen sind allein unter Rohani bereits hingerichtet worden, 70.000 Revolutionsgardisten und iranische Söldner, kommandiert von Quassem Soleimani, dem terroristischen Anführer der Quds-Truppen in den Revolutionsgarden, beteiligen sich in Syrien am mörderischen Krieg zum Machterhalt von Bashar Assad. Das iranische Regime unterstützt mit Rat, Tat und massiven Geldzuwendungen die libanesische Hisbollah und andere islamistischen Milizen. Die Gräueltaten des Regimes in Syrien, sein Raketenprogramm, mit dem es UN-Resolutionen grob missachtet, die barbarischen Strafen in der iranischen Justiz, seine prinzipielle Frauenverachtung, seine fundamentalistische Ideologie, nicht zuletzt das Massaker an zehntausenden politischen Gefangenen – all dies stempelt das iranische Regime zu einem ganz speziellen Fall. Eine Iranpolitik, die diese Tatsachen nicht beachtet, lässt sich auf ein gefährliches Spiel ein, gefährlich für alle Menschen, die im Macht- und Einflussbereich dieses Regimes leben. Rohanis „Mäßigung“ ist leeres Gefasel; die Hoffnung, der Iran würde mit Konzessionen und Beschwichtigung schon sein Verhalten ändern, ist lächerlich. Dies hat die Geschichte seit der Ära Schröder/Fischer, die diese Iranpolitik einleitete, überdeutlich gemacht.

Über all diese Dinge muss eine ernsthafte Diskussion geführt werden. Der Bundestag muss über unseren Umgang mit dem Iran debattieren, der UN-Menschenrechtsrat muss die Frage des Genozids von 1988 im Iran klären und es muss verhindert werden, dass Konzerne und Wirtschaftsverbände auf Bundesminister Einfluss nehmen in dem Sinne, dass all diese Dinge keinerlei ernste Beachtung finden. Wir müssen diskutieren, ob es sinnvoll ist, das iranische Regime so lange links liegen zu lassen, bis das iranische Volk seinen Weg zur Freiheit gefunden hat. Wir müssen überlegen, ob die Apartheid der Geschlechter im Iran nicht ebenso schwer ins Gewicht fällt, wie die Apartheid in Südafrika es seinerzeit tat. Die internationale Gemeinschaft ist damals zu der Feststellung gekommen, dass Südafrika gegenüber die Grenze der Toleranz überschritten war; dazu muss es auch im Fall Iran kommen.

All diese Fragen müssen jetzt behandelt werden. Sie sind seit langer Zeit überfällig und dies fordert nicht nur seit vielen Jahren der iranische Widerstand, sondern es fordern auch tausende Parlamentarier in aller Welt sowie das Deutsche Solidaritätskomitee für einen freien Iran (DSFI), dem Bundestagsabgeordnete verschiedener Parteien sowie zahlreiche Menschenrechtsvertreter angehören. Die Zeit ist reif, einen solchen Dialog zu beginnen, anstatt einen politisch und ethisch desorientierten Dialog mit dem iranischen Regime um jeden Preis zu verfolgen.


[1] http://www.sueddeutsche.de/politik/iran-iranischer-parlamentspraesident-sagt-treffen-mit-gabriel-ab-1.3189542

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Javad Dabiran

NWRI-Deutschlandsprecher - Iran- und Nahost-Experte.

Javad Dabiran

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