Iran: Junge Menschen fordern Regimewechsel

Wahlfarce: Wahlen, die in Wirklichkeit keine Wahlen sind. Die Opposition darf keine Kandidaten stellen, ebenso die Frauen und die religiösen Minderheiten.

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Trotz aller Restriktionen des Internets im Iran hat die iranische Jugend vor der Scheinwahl zum Präsidenten Wege gefunden, um die Restriktionen zu umgehen und die sozialen Netzwerke mit Aussagen zu füllen, welche die Integrität der Wahlen in Frage stellen. Dies hat Vertreter des Regimes verärgert, die stetig ihre Angst davor ausdrücken. Es vergeht fast kein Tag, wo Aussagen und Warnungen in dieser Hinsicht verbreitet werden, hinzukommen Verhaftungen im großen Stil bei Betreibern von sozialen Netzwerken, über die dort auch berichtet wird.

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Diese Aktivitäten zeigen deutlich die Sinnlosigkeit der Wahlshow und sie decken die kriminellen Karrieren aller Präsidentschaftskandidaten sowie die ominösen Pläne des obersten Führers Khamenei auf. Der Haupttenor heißt dabei stets: „Die Stimme des Volkes wählt den Sturz des Regimes“ und sie ist überall in den sozialen Netzwerken auf verschiedenen Wegen zu finden. Die Unterstützer der größten organisierten Opposition im Iran, nämlich der Volksmojahedin (MEK) haben dabei eine aktive Rolle bei solchen Onlinekampagnen und sie hängen auch Banner mit Aufschriften wie „Keine Scheinwahlen“ oder Bilder von Oppositionsführerin Maryam Rajavi in Teheran und anderen Städten des Iran auf.

Eine Übersicht der Posts von Usern auf Twitter und Telegramm (diese kann das Regime nicht gänzlich kontrollieren, sie sind im Iran sehr populär) zeigt, dass diese Netzwerke ein gutes Bild darüber geben, was das Regime in Wut versetzt.

In den sozialen Medien wurde zum Beispiel die kriminelle Vergangenheit von Ebrahim Raisi (Favorit der Fraktion um den obersten Führer Khamenei) und seine Rolle beim Massaker von 1988 an politischen Gefangenen verbreitet und zur selben Zeit kritisierten User Hassan Rohani und fragten, wo er eigentlich bei den Massenhinrichtungen von 1988 war. Einige wiesen darauf hin, dass Rohani bei Freitagspredigten zu mehr öffentlichen Hinrichtungen und Unterdrückung aufgerufen hatte und zeigten Auszüge von Zeitungen als Beweis.

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Zu einigen Slogans in den sozialen Medien zählte: „Meine Stimme ist ein Regimewandel“, „Tod des Prinzip des velayat-e faqih (Oberherrschaft der Geistlichkeit)“ oder es gab Spott über Aussagen von Rohani wie „Wir haben ein Land und alle Iraner müssen gleiche Rechte haben“ wo dann „Und sie haben alle das Recht, alle 8 Stunden hingerichtet zu werden“ hinzu gefügt wurde. Ein anderer User schrieb über Raisi: „Was geschah im Sommer 1988? Warum fehlt ein Monat in seiner Wahlbiografie?“ Andere rufen zu Kandidaten wie Mohammad Maleki auf, der erste Kanzler der Universität von Teheran, der nach dem Sturz des Schah-Regimes im Gefängnis viele Jahre von dem Mullahregime gefoltert wurde. Er sagte: „Wir haben im Iran keine Wahlen, nur Selektionen“ und „Ich nehme an der Wahl nicht teil, weil ich keine Wahl sehe.“

Das Massaker an 30.000 politischen Gefangenen 1988, von denen der überwiegende Teil MEK-Mitglieder waren, ist in Hinsicht auf der Rolle von Raisi im sog. „Todeskomitee“ ein Thema, ebenso die Aufrufe von Rohani zu einer Welle von öffentlichen Hinrichtungen, die über die sozialen Netzwerke verbreitet wurden. Die Kampagne von Raisi verteidigte das Massaker und sagte zu den Enthüllungen, dass es notwendig war, um das Regime zu schützen. Bei Rohani hingegen stellten viele die Frage, warum er zu den Ereignissen von 1988 still bleibt und andere fragten sich: „Wo war er 1988?“ und es werden Auszüge aus Zeitungen gezeigt, wo Rohani in den Freitagspredigten zur „Hinrichtung der Verschwörer“ aufrief.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Javad Dabiran

NWRI-Deutschlandsprecher - Iran- und Nahost-Experte.

Javad Dabiran

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