Mullahs wollen keinen Abschied von der Bombe

Irans Atomprogramm Enthüllungen des iranischen Widerstandes bringen Licht ins Dunkel der militärischen Beziehungen zwischen dem Iran und Nordkorea

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Der Iran unterliegt wegen des Verdachts des Baus von Kernwaffen scharfen Sanktionen der internationalen Gemeinschaft, ebenso Nordkorea, denn beide Länder erforschen und entwickeln intensiv Kernwaffentechnologie. Pjöngjang hat laut Erkenntnissen Chinas 20 Kernwaffen und bereits Atomwaffentests vollzogen, Teheran soll kurz vor der Fähigkeit stehen, diese zu bauen. Wie prekär die Lage im Iran ist, zeigen die mittlerweile seit fast zwei Jahren laufenden Verhandlungen der P5+1 mit dem iranischen Regime. Ende Juli soll ein abschließendes Vertragswerk vorliegen, doch das Mißtrauen gegenüber dem iranischen Regime ist hoch.

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Umfassende Beziehungen: Kim Yong-nam, Präsidiumsvorsitzender der Obersten Volksversammlung Nordkoreas, und Hassan Rohani

Mit dafür verantwortlich sind mehrere Enthüllungen des iranischen Widerstandes. Der Nationale Widerstandsrat Iran (NWRI), die größte organisierte Opposition zum iranischen Regime im Exil, hat zusammen mit dem im Inland aktiven Netzwerk aus Mitgliedern und Sympathisanten der iranischen Volksmojahedin (PMOI/MEK) zahlreiche geheime atomare Projekte des iranischen Regimes enthüllt, unter anderem im Okt 2002 die Anreicherungsanlage von Natanz sowie die Schwerwasseranlage in Arak. Auch über Kommandostrukturen und Forschungseinheiten im iranischen Atomwaffenprogramm wurde berichtet.

Doch es geht nicht primär um die Enthüllungen des iranischen Widerstandes, die oft sehr detailliert und aus den islamischen Revolutionsgarden kommend sind. Das Problem besteht generell in drei offenen Fragen:

- Umgeht der Iran durch verschiedene Tricks die Sanktionen?

- Was geschieht auf den militärischen Anlagen des Iran?

- Wie weit muss die internationale Atomenergiebehörde IAEA, das Kontrollorgan der UN, in Fragen der Inspektionen und Interviews mit Verantwortlichen gehen, um sicher zu stellen, dass das Regime seine atomare Kernwaffenforschung aufgibt?

Die neuen Enthüllungen des NWRI, die am Donnerstag auf einer Pressekonferenz dargelegt wurden, gehen speziell auf die Frage ein, ob der Iran aktuell Sanktionen umgeht und welche Rolle dabei Nordkorea spielt.

Das Wichtigste aus den neuen Informationen:

  • Eine 7-köpfige Delegation des nordkoreanischen Verteidigungsministeriums mit Experten über atomare Sprengköpfe und verschiedene ballistische Komponenten und Lenksysteme war Ende April 2015 für eine Woche im Land. Es war der dritte Iranbesuch so einer Delegation seit Anfang 2015. Die jüngste nordkoreanische Delegation war mit der Hilfeleistung und Beratung in den Bereichen Aerodynamik, Flugkörper-Design und elektronische Komponenten der Sprengköpfe beauftragt.
  • Die Delegation traf sich mit Vertretern des Zentrums für Forschung und Design neuer Raumfahrttechnologie im Iran. Dieses Zentrum ist eine Unterabteilung der Organisation für Verteidigungsinnovation und Forschung (SPND). Das SPND gilt als die Organisation, die für den Bau von Kernwaffen im Iran zuständig ist. Die Organisation steht auf der Sanktionsliste der USA und die IAEA hat bisher vergeblich versucht, zentrale Entscheidungsträger dieser Organisation zu befragen. Die Mitarbeiter des Zentrums für Forschung und Design neuer Raumfahrttechnologie arbeiten laut den Informationen des NWRI an der Forschung und dem Bau von inneren Bauteilen von atomaren Sprengköpfen.
  • Wegen der empfindlichen Sicherheitslage betreten und verlassen die Delegationen aus Nordkorea den Iran in vollkommener Geheimhaltung. Die Enthüllungen geben detaillierte Informationen über den genauen Ort, wo sich die Nordkoreaner im Land aufgehalten haben.
  • Die Besucher haben in diesem Jahr in dem besonderen Gästehaus der AIO nahe dem riesigen Betriebsgelände der Hemat Industries im Gebiet Khojeir logiert, das im Nordosten des Iran liegt. Der Iranische Widerstand hat die Aktivitäten und die Arbeit an atomaren Sprengköpfen im Gebiet von Khojeir im Februar 2008 aufgedeckt.
  • Nach übereinstimmenden Berichten besuchen Experten und Befehlshaber der iranischen Revolutionsgarde (IRGC) und des MoD, besonders solche auf den Gebieten der Aktivitäten im Zusammenhang mit Atom- und Raketentechnologie, regelmäßig Nordkorea. So war die Schlüsselfigur für die iranischen Atomwaffenprojekte Mohsen Fakhrizadeh öfters in Nordkorea, sogar beim dritten Atomtest dieses Landes im Februar 2013 (die letztere Information war bereits von der Londoner Times veröffentlicht). Nach Informationen des iranischen Widerstandes reiste Fakhrizadeh mit dem Aliasnamen „Dr. Hassan Mohseni“ über China nach Nordkorea.
  • Die nächste Delegation nordkoreanischer Experten soll nach Plan im Juni 2015 im Iran eintreffen und wird aus neun Experten bestehen.

Der UN ist bekannt, dass Teheran und Pjöngjang bereits in der Vergangenheit suspekte Aktivitäten durchführten. Das UN Gremium zur Einhaltung der Sanktionen gegenüber dem Iran und Nordkorea hatte bereits mehrfach darüber berichtet, dass ein Austausch zwischen beiden Ländern im Hinblick auf Raketentechnologie stattgefunden hat. Beide Länder unterhalten intensive diplomatische Beziehungen.

Besonders brisant an den jetzigen Enthüllungen sind vor allem drei Tatsachen:

  1. Sollten die Informationen zutreffen, dann sind sie ein klarer Beleg dafür, dass das iranische Regime selbst in der Endphase der Verhandlungen mit der P5+1 weiterhin geheim am Kernwaffenprojekt festhält und einen Austausch mit anderen Kernwaffennationen sucht.
  2. Westliche Vertreter zeigten sich gegenüber Reuters überrascht über die Informationen. Ihnen war ein Treffen der Delegation nicht bekannt.
  3. Bisher haben sich weder Vertreter des Iran noch Nordkoreas zu den Vorwürfen geäußert. Die IAEA lehnte eine Stellungnahme zu den Vorwürfen ab.

All das lässt den Eindruck erwecken, dass westliche Geheimdienste und die IAEA nicht ausreichend über aktuelle Entwicklungen im Iran im Hinblick auf das Kernwaffenprojekt informiert sind.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Javad Dabiran

NWRI-Deutschlandsprecher - Iran- und Nahost-Experte.

Javad Dabiran

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