Mut zu einer neuen Iran Politik Juli 2021

#FREEIRAN 2021: Ohne einen „dritten Weg“ in der Iran-Politik wird es keine Lösung der Konflikte mit Teheran geben

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Die Präsidentschaft von Ebrahim Raisi ist durch eine Minderheit des iranischen Volks und seine von Khamenei vollzogene willkürliche Ernennung zustandegekommen. Die Erinnerung an seine Beteiligung am Massaker von 1988 an zehntausenden politischen Gefangenen hat den Westen und seine Regierungen wieder einmal aufgewühlt. Der sogenannte Kandidat der „Hardliner“ zeigt sich jedoch bei näherem Hinsehen als nichts anderes denn die Kandidaten in früheren Präsidentenwahlen. Seine Vorgänger waren nicht weniger an Menschenrechtsverletzungen aller Art beteiligt, sie vertreten die gleichen religiös-fundamentalistischen Ansichten und sie alle lehnen jegliche Demokratie- und Freiheitsbestrebung des Volkes ab.

Der Westen hat in den 42 Jahren der Diktatur im Iran viel versucht. Er versuchte, mit teils absurden Konzessionen im Rahmen der Beschwichtigungspolitik Teheran zu einer Verhaltensänderung zu bewegen. Er setzte auf die sogenannten „moderaten Mullahs“ in einem System von fundamentalistischen Islamisten. Er hoffte auf einen zweiten Gorbatschow in einer Sekte von Klerikern. Nun sind all diese Träume geplatzt. Mit Raisi sitzt einer der größten Menschenrechtsverbrecher des Iran an der zweithöchsten Position und die höchste Position besetzt seit eh und je der größte Menschenrechtsverbrecher des Iran, Ali Khamenei.

Der Westen versuchte auch mit harter Hand zu agieren – unter anderem vor den Atomverhandlungen 2015 und unter Donald Trump. Dies brachte zwar einige Erfolge, wie die Rückkehr des Regimes zu den Atomverhandlungen oder den Entzug der Mittel für Teherans Terrormilizen. Aber auch dies hat den Status quo nicht verändert. Teheran sieht den Westen als schwach an, es sucht andere Partner (Russland, China, Nordkorea, Syrien), mit deren Unterstützung es seinen Unterdrückungs- und Terrorapparat weiter am Laufen halten will.

Was kann also der Westen tun? Muss er alles hinnehmen? Kann er nur ein paar Resolutionen verabschieden und ein paar Vertreter des Regimes für ihre Beteiligung an Menschenrechtsverletzungen auf die Sanktionslisten setzen? Können wir nicht mehr tun, als uns den Erpressungsavancen Teherans mit Kernwaffen zu beugen und dabei noch irgendwie halbwegs unser Gesicht zu wahren?

Es gibt einen „dritten Weg“ in der Iran-Politik

Es gibt noch einen dritten Weg, den wir uns bisher aus Angst verbaut haben, obwohl er schon lange da ist. Der Iran hat einen gut organisierten Widerstand im Land und im Exil mit einer klaren Zukunftsvision, die sich an unsere westlichen Werte anlehnt, aber dabei die besonderen Begebenheiten im Iran einfließen lässt. Der Widerstand besteht nicht aus Armeen des Westens, sondern aus iranischen Bürgern, die ihr Land und seine Besonderheiten kennen.

Eingebetteter MedieninhaltDas iranische Regime hat immer schon den „dritten Weg“, den Weg, auf dem es von seinem Volk und seinem organisierten Widerstand gestürzt wird, am stärksten gefürchtet. Um dies zu verhüten, hat es – Raisi gehörte zu den Hauptverantwortlichen – im Jahr 1988 30.000 politische Gefangene (meist Unterstützer der Volksmojahedin Iran) hinrichten lassen. Zur Abwehr des Widerstandes hatte Rohani in seinen Kabinetten zwei Justizminister, die wie Raisi in den „Todeskomitees“ von 1988 saßen. Um den Widerstand womöglich zu vernichten, ließ Außenminister Zarif den Terrordiplomaten Assadollah Assadi einen Anschlag auf die Opposition 2018 in Paris vorbereiten – der glücklicherweise vereitelt wurde.

Die dritte Option ist der einzige Weg, auf dem die Iran-Politik für immer verändert werden kann. Nur das iranische Volk ist in der Lage, diesen Alptraum zu beenden. Es hat die Kraft dazu, doch dazu braucht es auch unseren Mut, ihm den Rücken frei zu halten.

Wir müssen endlich Mut haben

Das Regime hat lange Zeit mit seiner Dämonisierungskampagne gegen den iranischen Widerstand, mit seinen Lobbyisten und den sogenannten „Iran-Experten“ im Dunstkreis der Bundesregierung unseren Regierungen eine Beschwichtigungspolitik mit einem nutzlosen Traum der „Reform von innen“ aufreden können. Dabei hat es stets betont, es gebe keine Alternative zu ihm. Im Schatten dieser ständigen Verschonung sind 120.000 politische Gefangene hingerichtet worden, Terrorgruppen des Regimes richten in aller Welt fürchterliche Schäden an und es kann die Welt mit der Angst vor Kernwaffen erpressen. Das alles kann nur beendet werden, wenn wir endlich Mut zeigen und den „dritten Weg“ offensiv verfolgen. Wir müssen für die Zukunft des iranischen Volkes und für den Weltfrieden etwas tun und das ist unsere einzige Chance. Ohne Wenn und Aber.

Dass ich mit dieser Analyse nicht allein stehe, wird eine große Online-Konferenz zeigen, die vom 10 bis zum 12. Juli stattfindet. An der Konferenz, die vom Nationalen Widerstandsrat Iran (NWRI) veranstaltet wird, werden nicht nur über 100.000 Zuschauer teilnehmen, sondern auch zahlreiche Vertreter aus der Politik, aus verschiedenen Parteien. Sie alle haben ebenfalls verstanden, dass die Iran-Politik des Westens einen anderen Weg gehen muss.

Video von 2020

Eingebetteter MedieninhaltAlle Resolutionen des UN-Menschenrechtsrates, des Deutschen Bundestages und anderer Institutionen wie der EU bezüglich der Menschenrechtsverletzungen im Iran sind löblich. Aber sie ändern nichts am Status quo. Das Regime lässt sich von solchen verbalen Verurteilungen nicht beeindrucken, so wie es sich von den 66 Resolutionen des UN-Menschenrechtsrates nicht beeindrucken ließ. Es lässt sich nur durch eines beeindrucken, dadurch, dass wir konsequent seine Politik und seine illegitimen Machthaber ablehnen und auf die iranische Opposition als zukünftigen Verhandlungspartner bauen.

Die Chancen für einen Regimewechsel im Iran stehen so gut wie noch nie. Das Mullahregime ist so unbeliebt wie nie im Iran. Die überwiegende Mehrheit des iranischen Volkes hat genug von 42 Jahren der Unterdrückung. Es wird nach Januar 2018 und November 2019 bald wieder aufbegehren, egal ob wir dabei an seiner Seite stehen oder nicht. Doch wenn wir dem iranischen Volk zeigen, dass auch wir genug von diesem Regime haben, wird es ihm Mut machen.

Mut ist generell das große Stichwort in der Iranfrage. Wir alle müssen endlich Mut haben. Wir müssen Mut haben, das Richtige zu tun. Vielleicht wird es dann kurzfristig eine schwierige Zeit geben. Aber langfristig haben wir dann auch eine Chance darauf, dass der Iran endlich frei wird und wir uns nicht mehr mit dem Iran als „troublemaker“, sondern als friedlichem Partner im Mittleren Osten beschäftigen können. Haben wir Mut!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Javad Dabiran

NWRI-Deutschlandsprecher - Iran- und Nahost-Experte.

Javad Dabiran

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden