Stelldichein der politischen Größen in Wien

Iran-Atomverhandlung Teheran droht, der Westen springt, das iranische Volk leidet, der Steuerzahler zahlt die Show

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In fünf Wochen läuft die bereits verlängerte Frist zur Bildung eines dauerhaften Abkommens zwischen der P5+1 und dem iranischen Regime ab. Bereits nach Ablauf des Übergangsabkommens im Juni diesen Jahres wurde eine Verlängerung der Verhandlungen bis zum 20. November angestrebt und nun eilen wieder einmal US Außenminister Kerry, der russische Außenminister Lawrow und zahlreiche hochrangigen Diplomaten nach Wien und kaum sind die Minister in Österreich angekommen, werden erste Stimmen nach einer erneuten Verlängerung der Frist laut.

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Kerry, Ashton und Zarif bei direkten Gesprächen in Wien

Die Außenminister eilen also wieder einmal an die Verhandlungstische, wenn Teheran ruft, so wie seit gut einem Jahrzehnt, wenn das Dauerthema iranisches Atomprogramm ansteht und wie bei dem Film „und täglich grüßt das Murmeltier“ finden sich immer die gleichen Mechanismen wieder. Teheran spielt die beleidigte Leberwurst, sieht sich als armes Opfer der bösen USA und der Zionisten, sieht ISIS als Verschwörung des Westens und poltert über die stolzen Errungenschaften des Iran im Atomprogramm, wie kürzlich in einer Rede des obersten geistlichen Führers, Ali Khamenei, nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus nach einer Prostata OP und setzt versteckte Drohungen von terroristischen Anschlägen ein, ebenfalls wie immer.

Der Westen reagiert auf all die Drohungen und markigen Worten ebenfalls wie immer: Er verläuft sich in Kindergartenspiele („Nicht wir haben das iranische Regime um Hilfe im Kampf gegen ISIS gebeten, sondern es uns“ (O-Ton John Kerry)) und springt, wenn die Mullahs rufen. Kerry tönt zwar, dass „das iranische Regime und seine atomare Bedrohung schlimmer als ISIS“ ist, aber eilt dann schnell nach Wien, um sich dort ohne Vorbedingungen mit den iranischen Unterhändlern und den Außenminister Zarif zu treffen, der dieses Mal immerhin zuvor keinen Kranz am Grad des Terrorfürsten der libanesischen Hisbollah niederlegte, wie einst kurz nach seiner Einführung in das Amt.

Vergessen sind bei all den Spielen in Wien, dass der Iran für das Chaos im Irak und Syrien durch seine massive Unterstützung von Nuri al-Maliki und Bashar al-Assad hauptverantwortlich ist, vergessen ist, dass die Brutalität seiner Marionetten der libanesischen Hisbollah in Syrien die arabische Welt radikalisierte und ISIS entstehen ließ, vergessen sind 1000 Hinrichtungen im Iran unter Rohanis Amtszeit und vergessen ist, dass gerade erst ein französisches Gericht den iranischen Widerstand von dem Verdacht der Terrorfinanzierung frei sprach, den die französische Regierung zusammen mit dem iranischen Regime 2003 für Ölgeschäfte konstruiert hatte und damit die Arbeit des Widerstandes auf Jahre hin massiv blockierte.

Daher wirkt das Auftreten von Kerry und Co. nicht wirklich beeindruckend für die Millionen Iraner, die im Exil und im iranischen Widerstand auf einen demokratischen Wandel des Landes hoffen, es wirkt nicht beeindruckend für die 3000 Exiliraner in Camp Liberty im Irak, die seit 2009 trotz zahlloser US und UN Schutzofferten abgeschlachtet und mit medizinischen Blockaden belegt werden, bei denen mittlerweile Hunderte Menschen starben, es wirkt nicht beeindruckend für Mashallah Haeri, der wegen fehlender medizinischer Behandlung als politischer Gefangener in einem iranischen Gefängnis in den Hungerstreik gehen musste.

Und es beeindruckt nicht die 11 Iraner, die wegen Witzen über Chomeni verhaftet wurden und es beeindruckt nicht die 40.000 Kinder, die im letzten Jahr in Ehen mit frauenverachtenden Männern gezwungen wurden und es beeindruckt keinen Menschenrechtsaktivisten, der nichts anderes will, als endlich einen entschlossenen Westen zu sehen, der sich für seine Werte und seine Verfassung nicht zu schade ist, brutale Diktatoren einfach im Regen stehen zu lassen, sie konsequent und entschlossen zu ignorieren und zu blockieren, bis das iranische Volk sich selbst seiner Peiniger entledigt hat, anstatt sich jahrelang zum Spielball der Mullahs machen zu lassen und für endlose Verhandlungsmarathone Millionen Dollar und Euro an Steuergeldern zu verpulvern, nur um Handlanger für eine Regime zu sein, das jeden, außer sich selbst, als „Ungläubige“ und „Heuchler“ sieht und diese daher nach Strich und Faden belügt. (Autor: Dirk Holzhüter, Menschenrechtsaktivist)

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Javad Dabiran

NWRI-Deutschlandsprecher - Iran- und Nahost-Experte.

Javad Dabiran

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