Das Theater: Opfer einer Symbolpolitik

Kultur-Lockdown No. 2 Natürlich. Die Theater, Opernhäuser, Konzerthäuser. Mal wieder. Einen Monat lang zu. (Vorerst…) Warum? Weil es so einfach ist.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Noch in der 20 Uhr-Tagesschau am 27. Oktober hörte man von Bundeskanzlerin Angela Merkel die Worte, dass „all das was wir tun… der Legitimation durch Fakten und Tatsache bedarf“. Man hörte es wohl und glaubte es schon kaum – zurecht.

Es ist nach wie vor kein Fall aus Deutschland bekannt, wo sich ein*e Besucher*in im Theater oder Klavierkonzert infiziert hätte, dort ein Superspreader unterwegs gewesen wäre, gar ein Haus ein Hot Spot wie eine Fleischfabrik oder eine Hochzeitsfeier gewesen wäre (auch nicht "backstage"!). Wie auch sollte man sich dort anstecken, bei den dort herrschenden Sicherheits- und Hygienevorkehrungen, die ein zweites suchen?!

Dennoch schrieb der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats Olaf Zimmermann am Morgen vor der Verkündigung des Lockdowns in einer Pressemitteilung „natürlich ist auch der Kulturbereich bereit, Einschränkungen hinzunehmen, wenn sie notwendig und verhältnismäßig sind“. Sie sind es – s.o. - nicht, Herr Zimmermann! Aber Schwamm drüber, der sehr viel lauter und deutlich sprechendere DEHOGA blieb auch ungehört.

Und nun stehen Schauspieler*innen, Geiger*innen, Maskenbildner*innen, Bühnentechniker*innen, Dramaturg*innen u.v.m. und allen vorweg die Intendant*innen in der Öffentlichkeit da, als seien sie die Gefährder*innen der Nation schlechthin und das Problem (die steigenden Infektionszahlen) sei mit der Schließung der Häuser zu einem guten Teil gelöst.
Im Beschluss vom 28. Oktober heißt es nun, dass „die Ansteckungsumstände im Bundesdurchschnitt in mehr als 75% der Fälle unklar“ sind. Per se eine Bankrotterklärung sondergleichen! Und es bedeutet, dass man die Theater etc., die also zumindest bis zuletzt bekanntermaßen keine Infektionstreiber waren, einfach mal prophylaktisch dicht macht. Weit offensichtlichere Risiken, wie die schon mantraartig bemühten überfüllten Busse und U-Bahnen, werden nicht einmal erwähnt. Die Theater fallen einer puren Symbolpolitik zum Opfer, das ist hilflos, kopflos, nutzlos und vor allem unverantwortlich!

Aber es ist ja so leicht, die Häuser zuzumachen! Im Beschluss werden sie zu Einrichtungen der „Freizeitgestaltung“ degradiert und stehen damit auf selber Stufe wie Fitnessstudios. Und: wie Bordelle! Schlimm genug, dass Feld-, Wald- und Wiesen-Politiker*innen noch immer nicht verstanden haben, dass Unterhaltung nur ein Teilaspekt von Kultur ist. Aber wenn sich auch die Kunstminister*innen oder die Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters nicht für die Fortführung von Kulturveranstaltungen einsetzen, ist das Grab geschaufelt.

Olaf Zimmermann fordert lediglich Kompensationen für die Einnahmeausfälle. Darum geht es aber schon längst nicht mehr. Es geht inzwischen um die nackte Existenz der deutschen Kulturlandschaft, in seiner qualitativen und quantitativen Vielfalt. Bamberg – die dort angekündigte Kürzung des Kulturhaushalts um 25% - war nur der Anfang.

Am selben Tag wie der neue Kultur-Lockdown wurde verkündet, dass es 2025 mit Chemnitz wieder eine Deutsche Europäische Kulturhauptstadt geben soll.
Es bleibt abzuwarten, was es 2025 noch an Kultur in Chemnitz und anderswo gibt. Denn das SARS-CoV-2 wird uns noch lange begleiten und es bedarf – in allen Bereichen - endlich einer langfristige Strategie für einen Umgang mit ihm. Eine Schließung von Kultureinrichtungen alle paar Monate ist keine langfristige Strategie, sondern fahrlässiger Aktionismus.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden