Kirchschlager und Wainwright auf Abwegen

Konzert Bei den Ludwigsburger Festspielen treffen sich Angelika Kirchschlager und Rufus Wainwright musikalisch - und blamieren sich.

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Dass große Sänger neue Partien und Programme zunächst fernab der großen Bühnen ausprobieren, ist probat und legitim, und für die Zuhörer in der kulturellen Kreisliga für gewöhnlich ein Geschenk.
Zweifelhaft wird das Unterfangen, wenn man als Publikum das Gefühl nicht los wird, der allerersten Probe beizuwohnen. So jüngst geschehen bei den Ludwigsburger Festspielen im Konzert von Mezzosopranistin Angelika Kirchschlager und Singer-Songwriter Rufus Wainwright. Am 5.7. werden sie in der Wiener Staatsoper im Rahmen des Jazz Fest Wien auftreten und nutzten die Einladung nach Ludwigsburg zum Warm up.
Das Programm hätte vielversprechender nicht sein können: Ein Rollentausch war angekündigt - Angelika Kirchschlager sang Lieder aus den „Songs for Lulu“ von Rufus Wainwright und dieser den Liedzyklus „Les nuits d’éte“ von Hector Berlioz, einen der Zyklen schlechthin für Mezzosopran.
Leider sangen beide nicht nur aus Noten, sondern klebten förmlich darin; Rufus Wainwright stieg dennoch gleich im ersten Lied aus. Hilfloses Armschlenkern unterstrich die Phrasierung; wildes Fußwippen half die mäßig komplexen Rhythmen zu halten. Souverän ist anders. Die Lieder wurden buchstabiert, nicht gestaltet. In Klassenvorsingen an Musikhochschulen kann man spannendere Abende erleben. Hinzu kam dass Angelika Kirchschlagers eigentlich wohltönende Stimme brach und schepperte. Dafür leistete sie sich ein echtes Bühnen-no-go und nuckelte aus einer Plastikflasche. Dann atmete sie noch gaaanz tief durch, damit auch alle merkten wie hart sie gerade arbeitete. Als ob sie sich mit dem Publikum zum informellen Kaffeekränzchen getroffen hätte und nicht bei einem teuren Konzert. Zu einem solchen gehört auch ein bisschen Haltung.
Der Gipfel der Peinlichkeit dann nach der Pause, als Festspiel-Intendant Thomas Wördehoff Angelika Kirchschlager auf die Bühne zerrte und sie nötigte dem Publikum mitzuteilen, wie sie sich beim Singen der Lieder gefühlt hatte, deren Komponist im Publikum saß. Ihr hatte es Riesenspaß gemacht, sapperlot!
Dann endlich Licht am Horizont und Auftritt Rufus Wainwright. Ein Selbstdarsteller gewiss, aber doch halbwegs sympathisch dabei. Auch er wie gesagt unterprobt und dafür übermotiviert. Jedoch hatte er seine markante Stimme voll im Griff, unbekannte Literatur hin oder her.
Nachdem dieser experimentelle Teil des Konzerts glimpflich über die Bühne gegangen war, durften nunmehr beide zusammen auftreten. Angelika Kirchschlager hüpfte ob dieser Tatsache vor Aufregung wie ein Schulmädchen, beide versicherten sich gegenseitig permanent wie toll sie sich fänden und herzten sich, Rufus Wainwright lachte ganz dolle über sich und Angelika Kirchschlager über ihn, hochnotpeinlich das Ganze. Ein Publikum wurde dabei eigentlich nicht benötigt, aber es beklatschte diese Hysterie artig.
Gesungen wurde zwischendurch auch noch, ein bisschen Weill, ein bisschen Rodgers & Hammerstein, ein bisschen Wainwright. Hier immerhin merkte man vor allem Angelika Kirchschlager an, dass sie in dieser Musik zu Hause ist. Entspannt zurücklehnen mochte man sich trotzdem nicht; beide waren dermaßen überdreht dass sie weniger die Songs zum Besten gaben, als ihre Eitelkeit zur Schau stellten, sehr anstrengend.
Wenigstens endete der Abend mit einem Lied – Angelika Kirchschlager sang, am Klavier begleitet von Rufus Wainwright - und nicht mit einem weiteren Interview durch den sich schon wieder auf die Bühne drängelnden Thomas Wördehoff.
Die einzige die an diesem Abend einen rundum guten Job machte und sich dabei völlig dezent im Hintergrund hielt, war die Pianistin Sarah Tysman.
Bleibt zu hoffen, dass sie die beiden Stars vor dem Konzert in Wien noch ein wenig an die Kandare nimmt und ordentlich mit ihnen probt. Der Abend in Ludwigsburg war eine lausige Generalprobe

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