Wie eine Fernsehserie den Versuch verschenkt, ein extrem einseitiges Israel-Bild gerade zu rücken, dabei grandios scheitert, aber trotzdem sehenswert ist.
Die vierteilige Serie verschränkt die Geschichten des britischen Sergeanten Len und seiner Enkelin Erin. Beide haben wichtige Entwicklungszeit in Palästina/Israel verbracht und es hat sie jeweils verändert. So weit so gut; viele Erlebnisberichte über Reisen in ferne Länder haben diesen Roten Faden. Hier jedoch geht es um den Nahost-Konflikt, vom – selbst aus einer jüdischen Familie stammenden - britischen Regisseur Peter Kosminsky als Schicksalsepos in Szene gesetzt, wobei erLen und Enkelin, jedeN für sich, in fast alle Ereignisse und an alle Orte schickt, die für die Gründung Israels wichtig waren oder heute noch das Bild Israels prägen – und diese Häufung ist schlicht fatal für das, was der Film hätte vermitteln können, denn so kann jedes dieser Ereignisse nur kurz angerissen aber nicht reflektiert werden. Auch die Personen und ihre Veränderungen sind oft nur klischeehaft und deswegen kaum glaubhaft: Abiturientin Erin will ein Sabbatjahr dazu nutzen, ihre israelische Freundin Eliza nach Israel zu begleiten und sie bei der Ableistung ihres Wehrdienstes zu „unterstützen“. Eliza wird sich im Lauf der Geschichten von der klamotten- und partyverrückten Tussi – die nur in anderen Kameradinnen die „Tussi“ zu sehen vermag – zu toughen Soldatin wandeln, die Befehle nicht hinterfragt, sondern ausführt. Kennen wir das nicht? „Ich habe keine Wahl …“.
Sergenant Len, der u.a. bei der Schlacht um (die Brücke von) Arnheim dabei war, und das KZ Bergen-Belsen mit befreite, wird durch die aus Berlin stammende Jüdin Klara nacheinander in den Anschlag auf das King-David-Hotel und das Massaker von Deir Yassin hineingezogen. Hier das, was eine Irgun-nahe Seite zu dem Hotelanschlag und dem Massaker schreibt. Irgun heisst die Organisation, für die Klara aktiv ist. Ich hätte es schon interessant gefunden, etwas mehr über die Irgun zu erfahren, für die der spätere Friedensnobelpreisträger Menachem Begin die Anschläge geplant hat – er war zu dieser Zeit ihr Oberkommandierender.
Klara, die in den ersten Szenen in einem britischen Soldatenklub wie die Unteroffiziers-Version (britische Soldatenklubs habe ich noch in den neunziger Jahren als zwischen den Dienstgradgruppen streng getrennt erlebt) von Mata Hari daherkommt, hat sich in den letzten zu einerIrgun-Kämpferin gemausert, die in Deir Jassin wahllos Araber ermordet.
Len freundet sich mit einem Araber an: Muhammad Abu Hassan, einem Araber aus Hebron. Nach Hebron wird auch seine Enkelin später fahren, um den Versuch zu unternehmen, Muhammad oder seinen Nachfahren den Hausschlüssel zu übergeben, den Len versprochen hatte, zu hüten. Daher hat auch das englische Serienoriginal den Namen: „Promise“, Versprechen. Hat also nichts mit dem den Juden versprochenen, „gelobten“ Land zu tun, und es bleibt das Geheimnis der deutschen Bearbeiter, wie sie auf den deutschen Titel gekommen sind. Hebron gilt als Sinnbild des Besatzerregimes und war unlängst nur kurz in den Medien, als Sigmar Gabriel die Menschenrechtslage dort kritisierte und sagte, er halte sie für unwürdig. Das wird in einer Szene, in der Erin mit orthodoxen SiedlerInnen zusammentrifft – diese Siedlerinnen beflegeln auch ein Palästinenserin – so oberflächlich angerissen, daß sich der Zusammenhang nicht erschließt.
Len geleitet Muhammad und dessen Familie auf ein Flüchtlingsschiff. Sohn Hassan hat sich abgesetzt, denn der Junge will gegen die Juden kämpfen. Len verspricht Muhammad, das Kind zu suchen und zurückzubringen, der Junge wird allerdings getötet. Len wird wegen Desertion ins Gefängnis gesteckt und unehrenhaft aus der Armee entlassen.
All dies erliest sich Erin während des Israel-Aufenthaltes in Großvater Lens Tagebuch. Das Tagebuch wird schlußendlich wirkmächtiger als die aktuelle Umgebung, selbst als ein Selbstmordattentat Paul, dem Bruder Elizas kurzfristig das Gehör raubt. Zu Elizas Familie wie auch den anderen Menschen, denen sie in Israel begegnet, hat sie so gut wie keine Beziehung – wenn man nicht für „Beziehung“ halten will, daß sie nacheinander mit Paul und dessen Freund Omar schläft. Wie Alice im Wunderland schwebt sie durch Geschehen, manchmal vollkommen unberührt.
Der Christ Omar wird als – ehemaliges – Mitglied der al-Aqsa-Märtyrerbrigaden vorgestellt. Er hilft ihr schließlich, zur letzten Station ihrer Reise, Gaza zu kommen. Der Weg geht durch einen Tunnel, und Erin muß, wie die anderen auch, Waffen durch den Tunnel bringen – das ist der Preis dafür, daß sie geschleust wird.
In Gaza wird sie – widerwillig – im Haus der Familie einer Selbstmordattentäterin aufgenommen. Es ist Muhammads Familie; seiner Tochter kann sie endlich den Schlüssel übergeben. Dann wird sie noch Zeugin der Zerstörung des Hauses, bei der ein kleines, zur Familie gehörendes Mädchen zur Verhinderung von Gegenwehr von den IDF-SoldatInnen mitgenommen wird. Erin begleitet das Kind und sieht ihre Freundin Eliza wieder: in voller Kampfmontur statt im Disco-Fummel. Eliza befolgt jetzt Befehle, die sie nicht mehr hinterfragt.
Pflichtschuldigst wurde der Regisseur bereits nach Ausstrahlung in England des Antisemitismus geziehen und auch in Deutschland, kommen die Kommentare, die immer kommen, die Jüdische Allgemeine hält die Serie für „extrem einseitig“, Juden seien „nur als Opfer sympathisch“, und „es ist im Film stets von »Juden«, nicht »Israelis« die Rede“, was wohl den Antisemitismus-Vorwurf untermauern soll, nur: die Rückblende spielt in weiten Teilen vor der Gründung des Staates Israel,und wo kein Staat Israel, da keine Israelis.Und der Vorwurf, die Serie negiere die Existenzberechtigung Israels „zumindest moralisch“, darf auch nicht fehlen.
Das unbestreitbare Verdienst der Serie ist, das Zustandekommen des Vertreibungsunrechts durch das Versagen der britischen Mandatsmacht klar benannt zu haben: die Terroristen von Irgun, Lechi etc. nicht konsequent bekämpft zu haben und die Palästinenser nicht vor den Übergriffen beschützt. Das konnte nicht herausgearbeitet werden, da sie, wie auch der Kritiker der Süddeutschen andeutet, vollkommen überfrachtet wurde und dem Zuschauer durch die schnelle Bildfolge kaum Zeit zur Reflexion ließ. Ich hoffe jedoch das sie genau das in Deutschland tut, was der Rezensent der Jüdischen Allgemeinen zu fürchten scheint: den Blick auf die palästinensische Sicht der Dinge zu lenken.
Kommentare 4
Das ist eine absolute Notwendigkeit, Frau Schatz, gerade hier im dFC-Forum auf das eigentliche Spielfilm/Miniserien -Glotzenereignis der letzten Woche ausführlich hinzuweisen. Vielen Dank dafür.
Sie beobachten wenigstens noch, was wirklich auffällt und sich vom Brei der Produktionen deutlich abhebt. Vielleicht kommt auch die dF- Redaktion noch einmal auf den Gedanken, dieser außergewöhnlichen TV-Produktion einen "Nachruf" hinterher zu senden.
Durch die völlig unsinnige 7 Tage Regel, nach der fast alle Sendeinhalte, die nicht absolute Eigenproduktion sind und deren "Rechte Dritter"abgeklärt wurden, sind leider der erste und zweite Teil schon abhanden gekommen:
Hier die letzte Chance für Teil 3 und 4:
videos.arte.tv/de/videos/gelobtes_land_3_4_-6612184.html
videos.arte.tv/de/videos/gelobtes_land_4_4_-6612190.html
Haben Sie auch die Diskussion mit Lüders und Peschanski gesehen und ein wenig in den Kommentaren gelesen?
www.arte.tv/de/Blick-nach-Vorn--ohne-Zorn/6565218,CmC=6615340.html
Ganz unabhängig von einer Bewertung, die man ja nicht teilen muss, ist diese Serie sehenswert und in filmischer Hinsicht ein Meisterwerk. Da wäre große Werbung im Vorfeld angesagt.
Wer ein wenig zu den Hintergründen des Films wissen möchte, der lese die englische Wikipedia zu "Promise". Die ist sehr dicht geschrieben und erfasst erstaunlich viele Aspekte.
en.wikipedia.org/wiki/Promises_%28film%29
Meiner Meinung nach, verkennen Sie ein wenig den Blickwinkel der Produktion, die ja durch die ausführliche Vorarbeit mit den britischen Veteranen zustande kam und, das ist auch sehr wichtig, die junge Erin als eine Unwissende unter uns zeigt, die ein Initiationserlebnis durchmacht. Ihre Mutter will das Tagebuch des Großvaters wegwerfen. Erin schnappt es, eher aus Widerspruchsgeist. Der Regisseur sagt, in die Figur sei das Verhalten seiner Kinder als Londoner Teens eingeflossen. Das trifft dann auch auf die Gesellschaftsschicht zu, die eine junge Britin mit einer Doppelstaatsbürgerin aus der oberen Mittelschicht Israels zusammen bringt.
Der Film ist keine Geschichtsrekonstruktion, sondern eine Personenentwicklungsgeschichte. Er erzählt etwas von individuellen "Loyalitäten", die die Personenen mit fast unsichtbaren Bändern verstricken und aneinander binden. Ich fand den Schuss Irrealität gut, mit der Erin sich entwickelt und ihrem liebevoll gezeichneten Großvater nahe kommt, der sonst als Einzelgänger, irgendwie Schuldiger und wenig sympathischer Mensch da steht.
Die Grand mal-Epilepsie, "heilige Krankheit", das hat ebenfalls autobigrafische Hintergründe und ist, weil es oft Teil dieses Krankheitsbildes ist, die Grundlage für die "Sturheit" und "Willensstärke", die das Mädchen ergreift. Aus meinem Erfahrungshorizont heraus, ein genialer Einfall Kosminskys.
Von der Entwicklung des Plots und der Personenanlage, nahe an den emotionalen Motiven der Hauptpersonen, ohne zu viel Kitsch, erinnert mich Kosminskys Vorgehen an die Art, wie der australische Regisseur Peter Weir seine Filmthemen erschließt. Selbst seine vielleicht schwächeren Filme leben von diesem Interesse an ungewöhnlichen Personen, die meist durch einen Zufall wachsen müssen. Das ist zutiefst einfühlbar, höchst "literarisch" und enthält eine Botschaft ohne Didaktik und Pädagogik.
Kosminsky schafft das auch. Bekannter noch, als diese Fernsehproduktion ist sein Film über die britischen KAFOR Soldaten in Bosnien, "Warriors", die ebenfalls die Hilflosigkeit bei einer "Friedensmission" erleben.
Ihnen für die neue Woche nur das Allerbeste
Christoph Leusch
Danke für den Kommentar.
Die Sicht der Autorin: Die Jüdin, die "wahllos Araber ermordet" und ein arabischer "Junge will gegen die Juden kämpfen".
Ja. In Deir Yassin wurden wahllos Araber ermordet, und das ist es, was - im Film - Sergeant Len Klara auch vorwirft. Und es ist dieses illegitime und wahllose Morden, das Klara ihm gegenüber auch noch verteidigt.
Offensichtlich sieht Len das Kommando als Freischar, d.h., schon in der Rechtsstellung als Kombattanten und somit verantwortlich dafür, was sie tun: "Sie wissen schon, daß alles, was Sie hier tun, gegen die Genfer Konvention verstößt..." Und gleich der erste Satz Klaras verteidigt oder beschreibt zumindest, was dort passiert (Len hat das Kind bei sich): "Den Jungen bringst Du besser weg, wenn Du willst, daß er lebt." - Len: "Ich hätte nie geglaubt, daß Du fähig bist, unbewaffnete Zivilisten in ihren Häusern abzuschlachten." Somit denke ich schon, daß es nicht nur meine Ansicht ist, daß in Deir Yassin ein unterschieds- oder wahlloses Massaker stattgefunden hat. "Die Juden" ... Es ist zwar richtig, daß der Begriff in der arabischen Welt undifferenziert und oft als Folie für Hetzreden benutzt wird, aber in der Zeit vor der israelischen Staatsgründung gab es keine Israelis. Da ist er also richtig, aber eben auch nur dann. Zur Unterschiedlichkeit der Begriffe nur ein Anmerkung: auch in Alice im Wunderland steht: "Wer die Macht hat, hat die Definitionen" So hat man in Israel die Macht, Begriffe wie Nakba sogar als Zitat zu verbieten: bit.ly/J1QQsB ; daß der arabische Kampf, so, wie er geführt wird, nicht immer "gerecht" ist, habe ich nirgendwo bestritten. Leider ist es aber meistens so, daß eine Sicht, die wenigstens versucht, die Sicht der Palästinenser darzustellen, als "extrem einseitig" gebrandmarkt wird, verboten, oder zumindest behindert wird: www.ag-friedensforschung.de/regionen/Palaestina/nakba.html . Ich will Ihnen jetzt wahrlich nicht mit dem Bischof-Tutu-Spruch von der Maus und dem Elefanten kommen, aber ich finde, der hat schon was ... Ansonsten noch mal herzlichen Dank für den Kommentar und eine schöne Woche (was aber kein Schlusspunkt sein soll): DS
Lieber Christoph Leusch,Das ist eine absolute Notwendigkeit, Frau Schatz, gerade hier im dFC-Forum auf das eigentliche Spielfilm/Miniserien -Glotzenereignis der letzten Woche ausführlich hinzuweisen. Vielen Dank dafür. Bitte, gerne. Ich halte den Film auch für sehr wichtig und ich hoffe, daß er auch hierzulande eine Diskussion anstößt. Initiationsgeschichte ...Das hatte ich ja auch - etwas allgemeiner - hier schon angedeutet: Beide haben wichtige Entwicklungszeit in Palästina/Israel verbracht und es hat sie jeweils verändert. So weit so gut; viele Erlebnisberichte über Reisen in ferne Länder haben diesen Roten Faden. , obwohl mir das Wort "Initiation" nicht eingefallen ist. Ich denke aber, ich hätte es auch nicht benutzt, was aber jetzt kein Gegenargument gegen Ihre Sichtweise sein soll. Meiner Meinung nach, verkennen Sie ein wenig den Blickwinkel der Produktion, die ja durch die ausführliche Vorarbeit mit den britischen Veteranen zustande kam ... Nun ja, ich hatte zwar gelesen, daß es Kosminsky um den "britischen" Aspekt des Themas ging, aber ich wollte mich auf die Rezeption in Deutschland beschränken. Was ich, um Kosminsky besser kennen zu lernen, in jedem Fall machen werde: mir den KFOR-Film besorgen. Den kann ich nämlich mit meinen eigenen Erfahrungen abgleichen. Auch Ihnen für die neue Woche nur das Allerbeste. Herzlich DS
Es kommt alles zusammen, was Menschen antreibt, zu Opfern werden lässt und sich hassen macht und reifen lässt. Eine bewegende Geschichte. Ein wunderbarer Film.