Dingsda Steinmeier

Werbekritik Auf einer neuen Internet-Seite versuchen prominente Bekannte des Außenministers, ihn als tollen Menschen zu loben - damit er doch noch Kanzler wird. Na, ob das hilft?

Die Aktion erinnert ein bisschen an "Dingsda": In jedem der rund zehn Videos sitzt jemand in einem roten Ledersessel, vor der Holz-Vitrine einer Bibliothek, ganz nah an der Kamera, und soll etwas beschreiben. Er versucht, seine Worte mit Bedacht auszuwählen und eine Geschichte zu erzählen, mit der das Publikum den Beschriebenen erkennen kann. Das "Dingsda" ist in diesem Fall allerdings kein Gegenstand wie in der ehemaligen ARD-Ratesendung, sondern ein immer gleicher Mensch: Frank-Walter Steinmeier. Und die Beschreibenden sind keine niedlichen Kinder, sondern mehr oder weniger Prominente. Noch ist Steinmeier Außenminister, und während er selbst seit gestern auf Deutschland-Tour ist, wollen seine Freunde ihm auf einer neuen eigenen Internet-Seite, www.steinmeier-wird-kanzler.de, helfen, die Wahl zu gewinnen und Bundeskanzler zu werden.

Wie bei "Dingsda" geht das auf den ersten Blick manchmal drunter und drüber. Viele politische Argumente werden nicht explizit gebracht, schon gar nicht sortiert, auch Eigenschaften, die ihn zum idealen Kanzler machen, muss der Zuschauer oft selbst heraushören beziehungsweise erraten. Schauspieler und Autor Adnan Maral zum Beispiel, der mit der ARD-Serie Türkisch für Anfänger bekannt wurde, erzählt eine Geschichte, in der Frank-Walter Steinmeier gar nicht da ist: Alle warten auf den Außenminister, der eine Rede halten soll, sich aber verspätet. Adnan Maral ist der Moderator und überlegt, wer einspringen kann. Schließlich übernimmt Steinmeiers Frau Elke den Part ihres Ehemannes – und macht das grandios, findet Maral. Ihr Charme habe alle begeistert. Und was ist mit Steinmeier? "Der ist offen für Europa, für die Welt", sagt Maral, "dieser Mann kann nach vorne gehen und Deutschland vertreten." Maral erzählt seine Begegnungen sympathisch, muss zwischendurch einmal ins Off fragen, wie Elke mit Nachnamen heißt, und macht eine gute Figur, mit dem, was er für Steinmeier vorführt. Falls das nicht für eine Image-Verbesserung seines oft als blass geltenden Freundes reicht, hat er noch einen Brief für Frank mitgebracht. Darin spricht er von seinem Traum, die doppelte Staatsbürgerschaft zu haben, und der Hoffnung, Steinmeier könne ihn als Kanzler für alle Betroffenen erfüllen.

Während Dramatiker und Autor Moritz Rinke versucht, die menschlichen Qualitäten Steinmeiers daran aufzuzeigen, wie dieser ihn einmal nachts heimgefahren hat, würde die Berliner Band The Boss Hoss ihn direkt mitspielen lassen, zumindest "für ein, zwei Nummern oder so." Die sieben Mitglieder der Gruppe quetschen sich ganz eng auf und um den roten Sessel und wirken ziemlich nervös. Außer ihrer Steinmeier-Geschichte haben sie Bier mitgebracht. Und gerade, weil sie so seltsam deplatziert aussehen und herumdrucksen, könnte man ihren Auftritt als Steinmeier-Freunde glatt noch einmal gucken, wie bei "Dingsda" halt. Für sie ist Steinmeier nicht "die typische Politnase", sondern spricht Themen immer direkt an, hört den Leuten zu und "ist einfach am Start". Auch The Boss Hoss haben bei näherem Hingucken aber noch etwas Politisches für ihre Steinmeier-Präsentation dabei: Immerhin ein Musik-Projekt gegen Rechts, an dem außer Mit-Initiator Steinmeier Künstler wie Peter Fox, Virginia Jetzt! oder Zwei-Raumwohnung beteiligt sind.

Auch Regisseur Pepe Danquart unterstützt eine von Steinmeier ins Leben gerufene Initiative, den "Kreativpakt", der die Kulturwirtschaft stärken soll. Während er beschreibt, wie er dem anfangs so verschlossenen Mann näherkommt, zoomt auch die Kamera sein Gesicht heran, wie um zu zeigen, dass die Lösung des Ratespiels nicht mehr weit ist. Er spricht darüber, wie "seine wahnsinnig lange Erfahrung als Mann der zweiten Reihe" Steinmeier geholfen hat nach dem Rücktritt Kurt Becks. Dann rutscht ihm heraus, Steinmeier schaffe es auch in der ersten Reihe, "wie kaum, ja, eigentlich wie niemand sonst, den wir auf dieser Position zur Verfügung hätten". Das hat Unterhaltungswert, auch wenn man immer noch nicht so genau weiß, worum es geht, wie in den meisten Momenten mit Frank-Walter, die sich seine Freunde zurechtgelegt haben. Politisch schärfer wird er damit wohl nicht. Aber der Zuschauer kriegt raus, dass er irgendwie sympathisch ist, auch wenn man ihn nicht leicht zu greifen kriegt. In den Vordergrund spielt er sich so wenig wie seine Freunde ihn auf der Seite, obwohl er doch jetzt in die allererste Reihe soll.

Da steht immer noch Angela Merkel und die findet sich auch auf der Seite, unter einem Extra-Punkt "Tschüss Angie", in einem You-Tube-Spot, auf dem eine japanische Winke-Katze über eine Minute lang klackernd ihre Pfote schwingt. Aber Uups, eigentlich sollen die Deko-Figuren doch heranwinken und nicht verabschieden.

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