Sonne in Tüten

Capri Den silberne „Standbodenbeutel“ bzw. beliebteste ­Kindergetränk der Welt wird 40. Aber: Sticht man besser oben rein oder unten?

Nur nicht den Strohhalm beim Einstechen gleich durch die Rückwand hauen. Schön im richtigen Winkel an der markierten Stelle des wabbeligen Beutels ansetzen, leicht den Druck erhöhen und präzise durchstechen. Oder das Trinkpäckchen gleich umdrehen, um das Röhrchen rabiat in den Boden des Beutels zu pflocken.

Irgendwie ist von vielen Freibadbesuchen vor allem der Kampf mit dem Strohhalm hängengeblieben – auch wenn man jahrelang keine Capri-Sonne mehr getrunken hat. Es gibt nur wenige Produkte, die so direkt Kindheitserinnerungen auslösen. Der süße Geschmack gehörte zum Freibad wie der Geruch von Pommes, frisch gemähtem Gras und Chlorwasser.

Nun feiert Capri-Sonne seinen 40. Geburtstag – und ist laut Firmenangabe „Nr.1 Kid’s-Drink weltweit“. weltweit. Ein Fruchtsaftgetränk ohne synthetische Zusätze wollte Rudolf Wild, ein Aromenfabrikant, 1969 entwerfen. Dafür entwickelte er den silbernen „Standbodenbeutel“, der zum unverwechselbaren Markenzeichen wurde. „Die Verpackung ist bei dieser Marke mindestens so hoch zu bewerten wie der Geschmack“, sagt Kai-Uwe Hellmann, Konsumsoziologe an der Technischen Universität Berlin.

Der Name Capri-Sonne erinnert an westdeutsche Sehnsüchte der fünfziger und sechziger Jahre. Für viele wurden damals die ersten Reisen in das deutsche Sehnsuchtsland Italien erschwinglich. Dorthin, wo die Sommer heißer und das Leben süßer ist. So süß, wie Capri-Sonne schmeckte. Im Radio dudelte „Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt“, und mit den kleinen Silberbeuteln konnte jeder ein bisschen teilhaben am großen Italien-Kitsch.

Dann drängte Capri-Sonne auf den internationalen Markt und holte sich dafür Hilfe von Muhammad Ali. In einem legendären Werbespot erklärte Ali 1979 auf der Höhe seines Ruhms, wenn immer man einen dieser Silberbeutel sehe, sollte man ihn sich schnappen. Es gebe „nichts Größeres“ – außer ihm selbst natürlich. Heute bekommt man Capri-Sonne in mehr als 100 Ländern, mit jeweils angepasstem Geschmack. Am süßesten ist es im Nahen Osten, am beliebtesten auf La Réunion, der zu Frankreich gehörenden Insel im Indischen Ozean. Jeder Einwohner trinkt dort im Schnitt zehn Tüten im Jahr.

Hierzulande wirkt das Getränk mittlerweile ein wenig aus der Zeit gefallen, nicht nur weil das Äußere der Tüten sich in den letzten 20 Jahren kaum verändert hat. Bionade dominiert den Zeitgeist. Es soll gesund sein und – bitteschön – nicht zu viel Zucker haben. Ausgerechnet im Jubiläumsjahr erklärt Foodwatch nun noch, dass „Capri-Sonne aromatisiertem Zuckerwasser ein irreführendes, gesundes Image verpasst“. Das Getränk aus der Tüte sei „ein saftiger Etikettenschwindel“. In jeder Packung steckten mehr als sechs Würfel Zucker, rechnet Foodwatch vor.

Eher halbherzig versucht man bei Capri-Sonne auf die Kritik zu reagieren. Man bietet neue Varianten mit etwas weniger Zucker an. Diese gibt es auch im größeren Beutel mit Drehverschluss. Dann fällt sogar das Gestocher mit dem Strohhalm weg. Aber eine richtige Capri-Sonne ist das dann nicht mehr.

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