Warum wählen? Keine Ahnung, so die scheinbare Botschaft eines Viral-Videos, das bei Youtube und Co. für Diskussionen sorgt.
Etwa zehn Prominente aus Deutschland zucken mit den Schultern und zählen die Standard-Argumente auf, weshalb man bei der Bundestagswahl am 27. September lieber zu Hause bleiben könnte: Meine Stimme bringt eh nichts. Denen geht es ja nur um die Macht. Die Programme sind sowieso immer die gleichen. "Politik? Ich finde, das sind alles Versager", knarzt Schauspieler Claude-Oliver Rudolph, "weil, wenn sie keine Versager wären, wären sie ja draußen im freien Leben, in der Wirtschaft, in der Kunst, wo auch immer".
Noch schwankt man, ob der Mann mit den verschränkten Armen und der Sonnenbrille allen Ernstes eine Trutzburg der Politik-Verdrossenheit sein will. Spätestens aber, wenn Jan Hofers vertraute Tagesschau-Stimme ertönt: "Sie werden mir das ja vielleicht nicht glauben, aber ich gehe nicht wählen", ist klar: soll Ironie sein. Es ist einfach zu unwahrscheinlich, dass sich ein Tagesschau-Sprecher dafür hergibt, sollte das Video ernst gemeint sein. Was man freilich von den unbekannteren Sternchen nicht unbedingt wüsste, die neben Fernsehkoch Ralf Zacherl, Komiker Mike Krüger und Co. mitwirken.
Der Spot selbst ist leider weder eindeutig überzogen, noch anders gebrochen - etwa durch eine Auflösung des Gags am Ende, wie es bei dem amerikanischen Vorbild anlässlich der US-Präsidentschaftswahlen der Fall war. In dem "Don't-Vote"-Clip sprachen sich Hollywood-Größen wie Leonardo DiCaprio und Dustin Hoffman als Testimonials unterhaltsam gegen Politik aus, um die Aktion hinterher als Scherz aufzudecken:
In der deutschen Variante bleiben die Negativ-Beispiele erst einmal stehen - wahrscheinlich um erst einmal Aufmerksamkeit zu erzeugen. Am kommenden Dienstag soll auf einer Pressekonferenz in Berlin aber die komplette Version folgen, wie das Info-Forum politik-digital.de verkündete, das das Video mit der Produktionsfirma Probono herausbrachte.
Ob es funktioniert? Bisher schreiben einige User in ihren Kommentaren lapidar, sie würden auch nicht wählen gehen. Andererseits regten sich auch etliche auf über den vermeintlichen Boykott-Aufruf. Zumindest rückt der Spot das Thema Politik-Verdrossenheit in den Vordergrund und sorgt für regen Austausch. Denn die Frage, ob es ernst gemeint sein könnte, beinhaltet ja immer auch die Frage, ob die 08/15-Ausreden der Nicht-Wäher haltbar sind. Wer allerdings nur kurz drüberschaut, könnte in die Falle tappen. Schließlich ist der Spot selbst eher fade und kann auch nicht mit den Stars der amerikanischen Vorlage aufwarten, so dass er einfach als belanglose Aneinanderreihung von Politik-Verdrossenen verstanden werden könnte. Und dann wäre er nur Auslöser für ein weiteres Achselzucken vor dem Bildschirm.
Kommentare 3
Reingefallen.
Ist halt Anfüttern, dass wie man sieht funktioniert. Man beginnt damit darüber zu reden und verweist gleichzeitig auf die nächste Folge.
Was als Werbekritik beginnt wird auf diese Weise ein Multiplikator....
Stimmt, in diesem Fall hat es funktioniert. Aber bleibt der Spot als 'Köder' zum Anbeißen nicht recht fade, selbst wenn man viel von ihm liest? Er hat ja offenbar zum Ziel, Leute zum Denken zu bewegen, die an Politik nicht interessiert sind. Und er sollte ihre Aufmerksamkeit über ein bloßes achselzuckendes Registrieren hinaus anziehen - möglichst bis zur Auflösung in der nächsten Folge.
Ich möchte anregen, sich anzugewöhnen, statt Politik-Verdrossenheit das Wort Parteienverdrossenheit zu wählen, das greift viel exakter. Das dabei eine Partei wie DIE LINKE voll mit reingepackt wird, sollte dieser viel mehr zu denken, und zu veränderter Kommunikation - nein Umgang mit Wahrhaftigkeit und mit Widersprüchen Anlass geben. Den Spot finde ich einfach nur schlecht. Und keinen Vergleich mit dem auch sehr inhaltichen Vorbild aus USA. Auch dieser amerikanische Spot belegt für mich erneut, dass es dumm ist, das Thema OBAMA auf die Frage zu reduzieren: Schafft er es gegen den Militär-Industrie-Komplex oder nicht; und dabei die enorme Politisierung z.B. der künstlerischen Intelligenz zu übersehen, und die gewachsenen Tendenz statt Stellvertreter Politik selber aktiv zu werden. z.B. mit MoveOn.