Medienposse: Der doppelte Sarrazin

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Güner Balci und Thilo Sarrazin spazierten bekanntlich neulich im Auftrag von aspekte durch Kreuzberg. Mit einer Mission - laut Güner Balci: Wir wollten ein ernsthaftes, tiefergehendes Gespräch zwischen Sarrazin und den Menschen, über die er in seinen Statistiken schreibt.

Das absehbare Scheitern dieser Mission ist bekannt. Auf dem Markt am Maybachufer wollte das 'ernsthafte, tiefergehende Gespräch' nicht recht in Gang kommen, da es offenbar mit den Obst- und Gemüsehändlern vorher gar nicht abgesprochen war, sie also völlig unvorbereitet in die Lage gerieten, Sarrazin vor laufender Kamera Paroli bieten zu sollen. Und wohl auch, da Sarrazin nicht nur in Worten, sondern auch in seiner Körperhaltung alles andere als offen wirkte - immerhin fühlte er sich auf Güner Balcis Nachfrage hinreichend willkommen.

Nicht so in der Adalbert-, Ecke Oranienstraße: Sarrazin wurde von zwei Passanten lautstark begleitet, als Balci und er mit dem Geschäftsführer des Restaurant Hasir eine türkische Tellerwäscher-zum-Millionär-Geschichte rekapitulieren wollten. Es gab einen erregten Wortwechsel von Dieser Mann hat Menschen beleidigt! bis zu Sie sind ein ganz widerwärtiger Linksfaschist!. Woraufhin Hasir den schlecht gelittenen Gast wieder hinaus komplimentierte.

Auf seiner letzten Station wurde Sarrazin von der kurdisch-alevitischen Gemeinde unter 'Hau ab!'-Rufen das 'ernsthafte, tiefergehende Gespräch' verweigert, da man sich dem interkulturellen Dialog verpflichtet fühle und auch lediglich ein ehrenamtlich arbeitendes Mitglied der Gemeinde Balcis Telefonanfrage positiv beschieden habe, dazu aber nicht autorisiert gewesen sei, bzw. die Zusage ohne jede Rücksprache erfolgt sei. Sarrazin verließ also, unter Bestätigung all seiner Ressentiments, Kreuzberg wie 'ein geprügelter Hund'.

So weit, so schräg.

Der nächste Eklat folgte wenige Tage später: der rbb stoppte vergangenen Dienstag die Produktion eines langen Fernsehbeitrags 'Thilo Sarrazin - ein Jahr danach', da sich Güner Balci mit dem kurzen Beitrag für aspekte nicht an die mit dem rbb vereinbarten Exklusivrechte gehalten habe und 'selbst zum Gegenstand der Debatte' geworden sei. Das wäre nicht über alle Maßen beachtenswert, wäre die bespiegelte Person nicht Sarrazin und die Bespiegelnde nicht Güner Balci.

Richtig irre wird die ganze Geschichte aber mit der vom rbb beauftragten Produktionsfirma Lona Media. Die nämlich ließ verlauten, die bereits abgedrehten Filmbeiträge seien gestohlen worden und man bitte darum, kurzfristig - ohne Güner Balci - ein weiteres Mal drehen zu können. Was sich als eingestandene 'Notlüge' herausstellte, auaweia.

Also schickte sich am Donnerstag Frank Schirrmacher in der FAZ an, Güner Balci als Ritter auf dem weißen Pferd zur Seite zu eilen. Er zeichnete sie als „role model“ für aufstiegswillige junge Türkinnen und bei Reaktionären deshalb unbeliebt, als im Fadenkreuz von Extremisten und bekundete Einer gefährdeten Journalistin wird die Solidarität entzogen und Kein Zweifel, was für diese jungen Leute (aufstiegswillige junge Türkinnen) die traurige Lektion dieses abenteuerlichen, rufschädigenden Vorgangs sein wird.

Und so wird aus der dreckigen Finte einer Produktionsfirma ganz großes politisches Kino, bei dem sich einzig Thilo Sarrazin vor Lachen in die Hose machen dürfte. Hätten wir so etwas wie einen Sommer, könnte man das Ganze glatt für 1a Sommertheater halten...


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